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Alt 14.06.2017, 01:40   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Mallarme!

Natürlich ist meine Sicht der Dinge einseitig, und ich gebe das unumwunden zu. Ich habe einfach keinen Draht zu reimloser Lyrik. Ich bezeichne sie gern als "Strukturprosa", und das ist einer meiner höflichsten Begriffe dafür.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die Impressionisten sind meine Lieblingskunstepoche, auch dem Expressionismus kann ich viel abgewinnen, und ich habe selbst zuweilen abstrakt gemalt.

Aber wie ich in meinem ersten Kommi bereits ausführte, denke ich nicht, dass man dekonstruktive Malformen mit einer (aus meiner Sicht) Verstümmelung der Sprache vergleichen kann. Aber klar, das ist meine ganz persönliche Ansicht, und ich dränge sie niemandem auf, wiewohl ich scheinbar nicht müde werde, sie auszusprechen!

Ich glaube wirklich, dass die moderne Lyrik viel kaputt gemacht hat, dass dieser Wahn, ständig etwas Neues entwickeln zu wollen, als es eigentlich nichts mehr zu verbessern gab, nur zu Verirrungen und Verkrüppelungen schöner Sprache geführt hat, und dass dies - neben der Entromantisierung der Menschen durch die Weltkriege, die schwere Nachkriegszeit und den Aufstieg oberflächlicher Massenmedien - ein wesentlicher Faktor ist, der dazu beigetragen hat, dass letztlich kaum noch jemand Gedichte lesen wollte.

Der Normalbürger kam irgendwann nicht mehr mit bei den kruden intellektuell verstiegenen "Experimenten" mit deutschem Sprachgut, die unbedingt der "neue große Wurf" sein wollten! Egal, wie sehr man es auch intern herbeilobte - das Gestammel und Geholpere wollte keiner mehr hören. Das war keine "Lyrik" mehr, genauso wenig, wie man moderne Klassik noch als Sinfonie bezeichnen sollte: Es wird zwar getan, aber niemanden interessiert es mehr, weil es einfach nicht zählt, außer in einem kleinen verschworenen Kreis entrückter Fachtheoretiker, die sich in ihrem kleinen eingebildeten Walhalla eingeigelt haben und dort wohlsubventioniert so tun dürfen, als wäre das, was sie da produzieren, für Welt und allgemeine Kulturgeschichte noch irgendwie von Belang.

Nun, so sehe ich das, aber das ist, das ist mir durchaus klar, mindestens ebenso wenig objektiv wie die Spinnereien dieser eingebildeten Avantgarde. Es ist ein krasser Gegenpol zum "modernen" Kunstverständnis - eine Ansicht, die beinhaltet, dass Kunst auch schön sein sollte, selbst wenn sie Unschönes zum Inhalt hat.
Bei abstrakten Bildern ist das möglich - bei zerworfener, verstümmelter Sprache meines persönlichen Erachtens nach NICHT.
Deshalb kommentiere ich auch so gut wie nie ein modernes Gedicht - ich wüsste selten etwas Positives oder gar Höfliches aus meiner Position heraus dazu zu bemerken! Da es keinen Sinn macht, Autoren so vor den Kopf zu stoßen (die können ja nichts dafür, dass meine Haltung so ablehnend gegenüber ihrer "Kunst" ist), verkneife ich mir jeglichen Kommi, der ohnehin sehr wahrscheinlich nur zu einem Ausbruch von ätzendem Zynismus gerinnen würde.

Ich habe es schon mehrmals zu anderen Gelegenheiten erwähnt: Der Fehler liegt hier bei mir! Aber ich stehe dazu, genieße meine Wut und gedenke nicht, diesen Standpunkt zu ändern. So viel "Menschlichkeit" erlaube ich mir einfach ...

LG, eKy
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