Thema: Sonett
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Alt 17.08.2016, 18:10   #32
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Romantiker und alle anderen!

Dieses wilde Treiben hier habe ich gemütlich beobachtet und begleitet.
Es freut mich ja, dass Du mit deinem Sonett und den anderen Gedichten hier so einen Wirbel entfachen konntest.
Der Tatsache geschuldet, dass dein Gedicht nicht alle metrischen Anforderungen eines klassischen Sonettes erfüllt und vielleicht auch nicht erfüllen soll, würde mich, Falderwald gleich, auch nicht dazu bringen, es nicht als Sonett zu betrachten. Da sind einige Beispiele Rilkes weitaus verheerender und schauderhaft. Wo er mir oft nur als lausiger und geringer Dichter erscheint und entgegentritt. Allein schon die Vielzahl katastrophaler Enjambemants die er rhythmusbrechend überall hinkleckert. Zudem wiegen die Strophenelemente von von These- Antithese und Synthese; wie auch der sonstige Strophenaufbau ohne den ganzen Thesenkram weit schwerer als ein Rhythmus, der nicht dem Jambus entspricht.

Was mir aber missfällt, ist das die "Technik" auf reines, stumpfes Silbenzählen in welchen Versfüßen auch immer kastrierend abgeschnitten und reduziert wird.
Dabei ist das Betonungsmuster nur ein rhythmischer Reigen in dem die Gedanken zu Versen fließen und jeden Dichter ohne große Mühe und ohne bewusstes Überlegen von der Hand gehen sollte. Das rhythmische Verständnis und Gefühl muss so verinnerlicht sein, dass das Metrum keine Beschränkung mehr darstellt, sondern eine Befreiung und Erhöhung.
Und mir will auch diese Schubladentrennung von dionysisch und apollischen Schreiberlingen nicht passen. Es verschmelzen die beiden stets ineinander. Die einen frei von "Technik" und die anderen darin gekerkert und die anbetend.
Ein sicherer Dichter, auch wenn er in freien Versen dichtet, hat mehr als genug andere technische Raffinessen und rhetorische Stilmittel neben dem Metrum, mit denen er sich auskennen sollte und umgehen möchte, auf dem Kerbholz. Allein schon die Gewichtung der einzelnen Wortarten in ihren jeweiligen Positionen im Satzgebilde zu kennen ist unumgänglich und grundsätzliche Substanz. Denn auch ist und bleibt ein gesunder Rhythmus ertönend in bestechender Melodie das potenteste Wesen der Lyrik überhaupt. Um einen gediegenen Takt zu halten würde ich ohne Zaudern ein treffenderes aber holperndes Wort gegen ein schwächeres tauschen.
Diese "Techniken" abschätzig unbeachtet zu lassen gleich einem Maler, der nichts von der Farblehre wissen will.

Vorerst fertig mit dem Kommentar.

Liebe Grüße, Terrapin.
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Das Leben ist eines der schwierigsten.

Geändert von Terrapin (17.08.2016 um 20:09 Uhr)
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