Thema: Am See
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Alt 11.06.2015, 14:45   #10
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
Beiträge: 861
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Hallo Nachteule,

es wurde ja schon allerhand zu Deinen Terzinen geschrieben. Ich geh mal die Strophen aus meiner Sicht durch:


Zitat:
Ich steh am See, alleine mein Begleiter.
Mit V1 habe ich kein Problem. So, wie Du die zweite Vershälfte gestaltet hast, kann das für mich gerne als originelle lyrische Satzverkürzung gelten. Ich sehe auch nicht ein, warum Erich solche Auslassungen nach traditionellen (m.E. veralteten) Gepflogenheiten, wie z.B.

und wachse in die Dinge, die entschwunden!

anscheinend richtiger formuliert findet. Die Grammatik ist genauso falsch wie in Deiner Formulierung, aber wir haben ja Verse und keinen Prosatext vorliegen. Da liegen solche Freiheiten durchaus drin. Deine Formulierung gibt mir was Neues, Fantasieanregendes in die Hand und macht Spaß.


Zitat:
Das Wasser kräuselt sich als kleine Wellen.
Der Himmel blass - wolkig bis fast heiter.
"Das Wasser kräuselt sich" vermittelt mir bereits das Bild kleiner Wellen, so dass die Erwähnung eigentlich überflüssig ist. Aber gut, Du hast den Reim nun mal mit den Wellen festgelegt. Dann würde ich sagen: "Das Wasser kräuselt sich in kleine Wellen". Nach dieser Beschreibung des Wassers kommt mir dann in V3 der Hebungsprall mit der Pause zum eigenen Ausmalen des Himmelsbildes sehr gelegen. Der Bruch ist hier thematisch weder besonders naheliegend, noch abwegig. Ich empfinde ihn als angenehme Auflockerung beim Lesen und würde ihn so stehen lassen.


Zitat:
Wenn Zungen gierig aus den Mündern schnellen,
Dann jagen Frösche eifrig Stubenfliegen.
Vereinzelt schweben dort auch zwei Libellen,
Hier würde ich unbedingt Faldis Anregung folgen. Diesen zweiten Hebungsprall finde ich überaus gelungen. Hier noch ein leicht abgewandelter Vorschlag:

Wenn Zungen gierig aus den Mündern schnellen,
Erbeuten Frösche - schnapp! - Stubenfliegen.
Bisweilen seh ich dort auch zwei Libellen


Dann ginge zwar das Schweben verloren, aber Du könntest leichter mit S3 anknüpfen:


Zitat:
Sich als Verliebte aneinanderschmiegen.
In reger Stille der Natürlichkeiten,
Von Gräsern, die sich sacht im Winde wiegen,
Mir mag die "rege Stille" hier auch gefallen. Da bin ich ganz bei Stachel. Das "Von" vor den Gräsern macht es schwierig, in S4 den Satz weiterzuführen, wie Wolo schon sagte:


Zitat:
Auf denen Pusteblumensamen reiten,
Um nächstes Jahr erneut in Gelb zu strahlen.
So ist das Werden schon seit alten Zeiten,
Wo bunte Blumen unsre Welt bemalen.
Klar, die Präpositionen "in" und "auf" kannst Du wegen der angrenzenden Verse nicht nehmen. Da fällt mir auf Anhieb auch keine Lösung ein. Ich finde, Wolo liegt nicht ganz daneben, wenn er den Schluss ins Kitschige abgleiten sieht. Ich würde es so gerade noch durchwinken, aber für mich ist es hart an der Grenze. Die reitenden Pusteblumensamen nehme ich Dir aber ohne weiteres ab.

Ich hab mich gerne mit Deinem Gedicht beschäftigt und warte mal ab, wie Du zu den einzelnen Kritiken stehst. Dann kann ich besser einschätzen, wo es hingehen soll, und komme b.B. nochmal wieder.

Liebe Grüße
Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (11.06.2015 um 14:57 Uhr)
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