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Alt 28.05.2014, 11:46   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Chavi!

Das Gedicht gefällt mir sehr! Wunderbar lyrisch beschreibt es einen Spaziergänger an einem Ort seiner Vergangenheit, dem all die Bilder vergangener Tage und Liebe wieder aufsteigen. Sehr stimmig!

Leider muss ich wieder ein paar Punkte anführen, denn unter anderem hast du in drei Fällen in den betreffenden Zeilen zwar genug Heber, aber sprachrhythmisch doch eine Silbe zu wenig für einen flüssigen Gang:


Zitat:
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Am Ufer der Elbe verliert sich die Spur
der Schritte, die einst wir gegangen sind.
Die Wipfel der Bäume wiegen im Wind, Sprachmelodisch fehlt mir hier eine Silbe. Besser: "Die Wipfel der Bäume, sie wiegen im Wind"
sie sind grüner Wiesen Architektur. Wegen Wortwiederholung mit meinem "sie" in Z3 und einer auch hier fehlenden Silbe würde ich hier schreiben: "wie winkende Freunde auf grünender Flur." Passt auch besser in ein Naturbild als ein Wort wie "Architektur"...

Der Ruf wilder Raben dringt an mein Ohr, Silbe zu wenig. Sprachmelodisch besser: "Der Ruf wilder Raben belagert mein Ohr,"
sie künden von Abschied und Aufbruch zugleich,
sind Synonyme für Sterne und Schattenreich, Da holpert's bei "Synonyme". Alternative: "von Namen für Sterne und Schattenreich." Auch würde ich einen Punkt oder einen Bindestrich setzen.
es klingt wie ein schauriger Engelschor.

Ich gehe und wende den Blick nicht zurück.
Vergangnes, vergebnes, vergessnes Geschick,
das wehtut und Wunden, die lange Zeit bleiben. Flüssiger: "...lange verweilen." Zudem hättest du so den - in deiner Version leider fehlenden - Reim auf "heilen" im letzten Terzett.

Der Wind an der Elbe kühlt meine Narben. Wie in den obigen Fällen zwar ausreichend Heber, aber eine Silbe zu wenig. Für den Sprachklang: "Der Wind an der Elbe berührt meine Narben."
Ganz langsam werden sie irgenwann heilen. Diese Zeile beginnt betont. Richtig: "Sie werden ganz langsam und irgendwann heilen."
Auf den Wiesen blühn Hunderte Farben. Auch hier plötzlich betonter Auftakt in einem sonst unbetont beginnenden Gedicht! Lösung (durch direkte Fortführung des Satzes in der Zeile darüber, die ich dann mit einem Bindestrich beeenden würde): "und rings auf den Wiesen blühn hunderte Farben." Das Adjektiv "hunderte" bitte klein.

Version mit allen meinen Vorschlägen:

Am Ufer der Elbe verliert sich die Spur
der Schritte, die einst wir gegangen sind.
Die Wipfel der Bäume, sie wiegen im Wind
wie winkende Freunde auf grünender Flur.

Der Ruf wilder Raben belagert mein Ohr,
sie künden von Abschied und Aufbruch zugleich,
von Namen für Sterne und Schattenreich -
es klingt wie ein schauriger Engelschor.

Ich gehe und wende den Blick nicht zurück.
Vergangnes, vergebnes, vergessnes Geschick,
das wehtut und Wunden, die lange verweilen.

Der Wind an der Elbe berührt meine Narben.
Sie werden ganz langsam und irgenwann heilen -
und rings auf den Wiesen blühn hunderte Farben.


Sehr gern gelesen und bearbeitet. Ich hoffe, es ist hilfreich.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (28.05.2014 um 11:59 Uhr)
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