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Alt 06.05.2016, 18:31   #10
Jongleur
Hallig-Dichter
 
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Liebe charis,

ich liebe am Hexameter vor allem das metrische Spiel. Der ureigene Sprachfluss muss kontrolliert, neu strukturiert werden. Vor allem die Haupt- und Nebenzäsuren zwingen ( mich jedenfalls), verstärkt in Kurzsätzen und Sinneinheiten zu denken. Oft entsteht so am Ende ein eigenes Gedicht, welches mir anfangs fremd, aus unbekannter Tiefe aufgetaucht, erscheint.

Alle deine Zeilen bauen auf 6 Hebungen und enthalten fast durchgängig korrekt gesetzte Zäsuren - beginnen auftaktig, also nicht mit der Hebung. Diese Struktur ermöglicht mir ein lebendiges Lesen.

Formale Abweichungen:
Ich empfinde einige Zäsuren in den ersten drei Versfüßen. Obwohl das wohl gegen alte Regeln verstößt, leiste ich mir ebenfalls gern solche Verstöße. Ich habe NICHT das Empfinden, dass das die Zeile zerreißt.
Allein mit Z3 (Zäsur nach 5. Versfuss und außerdem direkt vor 6. Hebung) und Z10 ( Zäsur direkt vor und Betonung auf "und" im 4. Versfuss) habe ich leichte Probleme.

Nun könnte man meinen, mir wäre Form wichtiger als Inhalt. Dem ist absolut nicht so. Aber ich habe zu wenig mit Pferden zu tun. Ich muss ( und kann) dem Text in erster Linie glauben. Und so ist mein Vergnügen in diesem Falle etwas mehr intellektuell als emotional. Es könnte sein, dass der junge, staksige Hengst die Autorin an den etwas trottligen, aber alten Quijote erinnert. Diesen Zusammenhang könnte ich nicht sofort emotional checken, das wär mir etwas zu kompliziert. Aber vielleicht heißt der Hengst ja einfach nur Quijote.

Wie auch immer: mir erscheint alles dennoch lebendig geschrieben zu sein und ich liebe sowieso halbwegs sauber gebaute Hexameter. Sie enthalten eigentlich immer einige Perlen, die nicht sofort leuchten.

Sehr gern gelesen. In etwa so:

Fröhlich, ganz so wie ein Fohlen, || ein Hengst, || mit staksigen Beinen,
vorsichtig wachen Auges || jedoch in der Nähe der Stute
Weiden erkundet; || wenn die Amseln aufstieben, || scheut es,
spitzt die Ohren, || vom Flattern entzückt || und dem zornigen Scheltruf;
lustvoll schlagend und buckelnd, || umkreist es die Mutter, schon leise
ahnend, dass fern der nährenden Zitzen und jenseits des Gatters
Freiheit lockt, || Galoppaden || durch goldene Wogen von Weizen,
Rast auf offenen Wiesen || mit köstlich würziger Minze;
wie es Gräben bezwingt, || vertrauend der Kraft seiner Sprünge -
adlergleich steigen und schweben || – und dem sicheren Landen
dort, || wo ein Bächlein rinnt, || die schmerzenden Fesseln zu kühlen,
später, || die mächtige Mühle den Schlaf || des Kühnen beschattet:

So erträumt sich Quijote, || geschmiegt an den Körper der Stute.
Jene weitet im Schlaf || zufrieden die Nüstern || und schnaubt sanft.

Lg
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