Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 07.01.2016, 09:08   #15
Bodo Neumann
Gesperrt
 
Registriert seit: 14.12.2014
Beiträge: 351
Standard

Hallo Nachteule,

ich will mal an diesem Punkt in die Diskussion einsteigen:
Zitat:
Zitat von Lailany
Agneta merkte an, dass sich wohl die Suleikastrophe nicht für jedes Thema eignet.
Mag sein, dass sich die Suleika nicht für alle Themen eignet. Dennoch finde ich, dass sie sich gerade für ein "Stammtischthema" (ich mag den Begriff eigentlich nicht so recht, da in ihm in meinem Ohr immer ein wenig die Unsachlichkeit mitschwingt) bzw. für die Aufnahme aktueller politischer Diskurse eignet.
Zitat:
Zitat von Agneta
Sie verleitet offensichtlich durch ihre einfache Struktur zu einfacher Wortwahl und einfachen Denkstrukturen,
Da gehe ich teilweise mit. Ja, sie kann dazu verleiten, aber sie zwingt nicht dazu. Eine einfache Wortwahl ist meiner Meinung nach einer Diskussion angemessen, kann sie also unterstützen und muss nicht zwangsläufig eine einfache Denkstruktur widergeben. Gerade der ziemlich selbstbewusst auftretende Trochäus scheint mir in Verbindung mit übersichtlichen vier Hebungen pro Vers durchaus geeignet für die Verdichtung von "Stammtischthemen" zu sein. Kontraproduktiv könnte vielleicht die Reimerei sein. Durch sie besteht einerseits die Gefahr einer "Entschärfung" der Aussage, nämlich wenn die Reime harmlos, vorhersehbar sind oder "an den Haaren herbeigezogen" sind. Oder aber sie lenken das Werk in eine satirische Richtung, die dann aber auch durchgezogen werden müsste. Soweit zu meiner allgemeinen Meinung zu Suleika und Stammtisch.

Bei dir, Eule, dachte ich nach Strophe 1 zunächst an eine solche satirische Betrachtung:
Zitat:
Einen halben Mond und Sterne
Sehen hier im Abendland
Manche heute echt nicht gerne;
Meistens sind sie hirnverbrannt.
Der Einstieg ist flapsig, ja, aber auf eine Art, die nicht unsympatisch wirkt und Lust auf weitere (leicht unterhaltende) Satire à la "heute show" macht. Zugegebenermaßen eine Gratwanderung. Suboptimal scheint mir der Trochäus im ersten Vers genutzt worden zu sein. "Einen" ist so schwach, dass es gern auch doppelt unbetont durchgehen kann - verglichen mit dem richtig starken "Angst" in Strophe 2!
Zitat:
Angst vor unbekanntem Leben
Lässt sie ganz erschreckt erstarrn.
Hier darf es nur Christen geben,
Denken diese blinden Narrn.
Da macht der Trochäus schon mehr Druck. Ich könnte mir sogar noch eine Umstellung von Vers 3 vorstellen, die den Druck weiter hält:
Christen darf es hier nur geben
Auf den in die männliche Kadenz gepressten Reim wurde ja schon eingegangen. Als Satire gelesen oder vorgetragen kann ich sehr gut damit leben, ansonsten wirkt er schon etwas misshandelt.

Danach wird mir das Gedicht für eine Satire etwas zu harmlos und für einen "Paukenschlag" am Stammtisch etwas zu verallgemeinernd einfach.
Die Idee der Allegorie, die Religionen unter einem gemeinsamen Himmelszelt nebeneinander leuchten zu lassen, ist nicht schlecht. Funktioniert aber irgendwie nur holprig, weil die Christen blöderweise nicht die Sonne, sondern einen Gekreuzigten anbeten. Diese Metapher versuchst du in S4 zu retten:
Zitat:
Kreuze wollen sie nur sehen,
Das ist ihre Sonne, hell.
Darauf kann man sich einlassen, ja, aber zwingend ist das nicht.

Und deine Konklusion hier funktioniert mMn auch nicht so, wie du dir das wahrscheinlich vorgestellt hast.
Zitat:
Abendmond und Morgensterne,
Die Gestirne finstrer Nacht,
Die begrüße ich hier gerne!
Die "Gestirne finstrer Nacht" assoziierte ich mehrfach mit "Symbole finstrer Nacht". Diese zu begrüßen funktioniert vielleicht aus der Perspektive eines Nachtlebewesens, wie z. B. einer Eule, prima. Bei anderen bestätigt die Symbolik aber die Befürchtung, es könnte sich um die dunkle Seite der Macht halten, die hier heraufzieht, was ich wiederum nicht aus dem Rest der Verse lesen kann.

Noch eine Missverständnisquelle:
Zitat:
Alle andren sollten gehen,
Denn sie denken provinziell.
Hier besteht die Gefahr zu lesen, dass die Anderen deshalb gehen sollten, weil sie provinziell denken. (Lustige Schlagzeile: Der AfD-Gauleiter von Dresden-Neustadt und seine Freundin Peggy D. lehnen die Unterbringung von Flüchtlingen aus Syrien und Eritrea ab, weil jene zu provinziell dächten)

Auffällig ist zudem, dass du in drei von fünf Reimen weiblicher Kadenz auf "Sterne" reimst. Aus Absicht, weil sie das Thema sind? Ich weiß nicht, der (Halb)mond scheint mir zentraler als der (David)stern zu sein.

Nunja, das ist erstmal alles, was mir so an Gedanken durch den Kopf ging - zugegebenermaßen ziemlich unstrukturiert. Frag nach, wenn ich unklar geblieben bin!

lg Bodo





Bodo Neumann ist offline   Mit Zitat antworten