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Alt 14.06.2015, 21:19   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

die Diskussion bezüglich der formellen Dinge habe ich interessiert gelesen.

Ich frage jetzt mal, warum du nicht, wenn du schon nicht unreflektiert an gewissen Vorgaben der Form klebst, auch einfach noch einen Schritt weitergehst.
Man könnte durchaus auch die strenge Struktur der Strophen aufbrechen, und trotzdem bleibt das Sonett ein Sonett:

"Geschwinde ziehen an der alten Linde
die Winde eines Frühlingstags vorüber.
Von Knospen quellen ihre Zweige über,
und neues Moos ergrünt in dunkler Rinde.

Das ist der Ort, an dem ich Ruhe finde,
versunken in entufernden Gedanken,
und wo die Äste in der Brise schwanken,
erwächst mir Traulichkeit, dem müden Kinde
im Arm der Mutter gleich, darin geborgen.

In warme Lüfte, die sie weiter tragen,
entgleiten milde alle welken Sorgen
ins Niemandsland erblauender Gefilde,
als könnten sie mich niemals wieder plagen
als dunkler Fleck auf diesem bunten Bilde."


Auch dies könnte eine moderne Form des Sonetts sein, da sind mir schon einige andere untergekommen.
Mir persönlich gefallen die strophenübergreifenden Enjambements nämlich auch nicht in allen Fällen.
Meines Erachtens ist es sinnlos, einen Text in äußerliche Sinnabschnitte, sprich Strophen, zu gliedern, nur um einer gestrengen Form gerecht zu werden.
Das Gedicht würde unter einer Änderung sicherlich nicht leiden.

Denn inhaltlich und sprachlich gefällt mir der Text ausgesprochen gut. Er beschreibt schöne Bilder und erschafft eine angenehme und leichte Atmosphäre, in die man sich, genau wie der Protagonist, gern fallen lassen möchte.

Noch eine Anmerkung zum Schluss.

Müsste es in der letzten Zeile nicht die Flecken heißen?

Es entgleiten ja die welken Sorgen, die den Protagonisten nicht mehr plagen können.
Und da dies mehrere und verschiedene Sorgen sind, wäre es nur logisch, dass diese auch mehrere Flecken auf dem bunten Bilde ergäben.

Vielleicht: "als dunkle Flecken auf dem bunten Bilde" ?


Das Sonett und seine darin transportierten Aussagen haben mir gut gefallen.


Sehr gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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