Hallo Wolo,
schönes Epos! Das lässt sich gut lesen. Ich hab den Text mal in Sinnfüße zerlegt, damit man die Versbewegung verfolgen kann. Da ist schon viel Abwechslung drin, besonders in den vorderen Vershälften. Weiter hinten schleichen sich öfter mal Amphibrachys-Ketten ein. Das scheint ein Phänomen der deutschen Sprache zu sein. Ganz ohne xXx-Sequenzen wäre so ein Text schrecklich unnatürlich. Andererseits muss man immer ein bisschen aufpassen, dass nicht zu viele aufeinander folgende Verse diesen Tanz aufführen. Hier ist das in V4-6 der Fall.
Sehr gut, und nicht immer leicht zu verwirklichen, machen sich Anapäste, weil sie genau die Gegenbewegung zum daktylischen Grundmuster vorgeben. Davon hast Du auch einige. Wenn es sich mit Deiner Vorstellung vom Text vereinbaren ließe, würde sich das hier, nach dieser kräftigen Zäsur auch anbieten:
Zitat:
Fernglas am Auge beruhigend sprach: Nur die Bergfinken sind es.
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An den Versenden stelle ich erfreut fest, dass Du immer wieder mal schwerere Endsilben verwendest. Solche schwereren Silben, es dürfen auch ruhig mal richtig schwere sein, machen sich hin und wieder auch gut als Einfachsenkung. Aber das muss nicht sein. Wenn man darauf verzichtet, wird der Text insgesamt leichtfüßiger und schneller.
Die Doppelsenkungen hast Du weitgehend schön gleichmäßig mit leichten Silben gefüllt. Fehler konnte ich keine entdecken. Ich schreib noch ein paar Anmerkungen kursiv dazu.
Als die träumenden Vögel, von Eos geweckt, sich erhoben,
X xXxx Xx || xXxxX xxXx
wurde der Himmel schwarz und Helios selber erbleichte,
XxxXx X || xXxx Xx xXx
bass erstaunt, welch Dunkel sein Kommen heute bewirkte.
XxX | xXx xXx || XxxXx
Unten im Tale hörte man Rufe und Fragen von Menschen,
Xx xXx XxxXx || xXx xXx
welche verwirrt und ohn‘ es zu fassen zum Hügel empor sahn.
XxxX xX xxXx || xXx xXx
Oh, wie erleichtert schnaufte man auf, als schließlich ein Mann mit
X xxXx XxxX || xXx xXx
Fernglas am Auge beruhigend sprach: Nur Bergfinken sind es.
Xx xXx xXxxX || xXxx Xx
Schnell gingen alle zurück an die eben begonnene Arbeit.
X xxXxxX || xxXx xXxx Xx
Helios seinerseits widmete sich den täglichen Pflichten.
Xxx Xxx XxxX || xXxx Xx
Abends jedoch, da strömte viel Volk zusammen am Waldrand,
XxxX | xXxxX || xXx xXx
um das Spektakel der wiederkehrenden Finken zu sehen,
XxxXx xXx|Xxx || Xx xXx
choreografisch verblüffend, auch rätselhaft in der Entstehung,
XxxXx xXx || xXxx XxxXx
Betontes „in“ ist zwar möglich (auch eindeutig zu lesen), aber verglichen mit dem unbetonten „haft“ in „rätselhaft“ ein bisschen schwach.
Rufe hellen Entzückens den Mündern der Menge entlockend.
Xx XxxXx || xXx xXx xXx
Erst, als im Westen die letzten Streifen des schwindenden Tages
X xxXx | xXx Xx || xXxx Xx
So wolltest Du es vermutlich haben?
Stimmt schon, „die letzten Streifen“ gehören sinngebend eng zusammen. Trotzdem ergibt sich metrisch gesehen hier für mich auch eine Mittelzäsur. Man könnte auch so lesen:
X xxXx xXx || Xx xXxx Xx Das wär nicht gut. Ich sag mal, hier muss der Rezitator aufpassen.
gänzlich verblichen, da krochen die eifrig schwatzenden Vögel,
Xx xXx || xXx xXx || Xxx Xx
einer dem anderen nach, in die Wipfel der schützenden Tannen.
Xx xXxxX || xxXx xXxx Xx
Froh um ihr warmes Zuhause, verziehen die Menschen sich bettwärts.
X xxXx xXx || xXx xXxx Xx
War mir eine Freude!
LG Claudi