Thema: Sieg
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Alt 16.02.2015, 10:13   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, A-Z!

Bei solchen Texten frage ich mich ungewollt sofort immer, wer hier verarscht werden soll, und ob das im Zweifelsfall nicht der Leser sein soll!
Okay, in "moderner" Lyrik muss es eben nicht "lyrisch" zugehen (warum sie sich dann noch so nennen muss, ist mir unverständlich!), aber dies???

Der Wald, der werde licht. Doppelt "der" klingt unschön. "Der Wald, er werde licht."
denn er gehört sich nicht.
Das Geld fließt aus der Welt Kein Satzzeichen.
Gestundet wird kein Geld. Wortwiederholung "Geld" klingt linkisch.

Sie sehen es,
sie sahen es,
sie siegten auf dem Feld.

So wüst und ohne Wald,
den Gürtel eng geschnallt,
Sekunden machen Bumm, Kindersprache?
die Stunden gingen rum. Sehr allgemeinsprachlich und platt.

So stehen sie,
so standen Sie Kein Satzzeichen. "sie" klein.
so stunden sie herum. Eher lautmalerisch motiviert als korrekt.

Sie hauen sich aufs Ohr. Erneut eher kindliche Sprachfindung.
,,We can't do anymore." Warum vorne andere Anführungsstriche als hinten? Über Sprachwechsel im Gedicht kann man streiten - ich finde ihn grässlich.
Jetzt sind die Hütten weg Kein Satzzeichen.
die warn auch nur aus Blech. "warn" ist sehr allgemeinsprachlich und derb. Kein Reim mit "weg".

Sie stierten hin,
erstarrtes Heer.
Und stur, ja das war Pech.


Der primitive Paarreim schiebt das ganze Elaborat noch weiter in Richtung Kinderverse á la "Nicht getroffen - Schnaps gesoffen!".

Gesteigert wird die flapsige Sprache nur durch den unsinnigen Inhalt. Zumindest mir erscheint er unsinnig, denn spätestens Mitte der 2. Strophe geht mir jeglicher roter Faden verloren. Die Bilder werden zusammenhang- und bezuglos, ich als Leser vermag keine Stringenz mehr darin zu erkennen:

Beginnt der Text noch wie ein Aufruf gegen Raubbau an der Natur, driftet er spätestens mit den "Bumm" machenden Sekunden (ist diese Formulierung echt dein lyrischer Ernst???) ins Surreale ab. Was ist mit den "rumgehenden Stunden" (Ächz!) gemeint? Bloß dass Zeit verging?

S3 wirkt - auch dank der englischen Zeile - zusammengestückelt. Wie und warum die "Hütten weg" sind (warum aus Blech? - nur wegen des unsauberen Reimes auf "weg" - norddeutsch <wech> gesprochen?), wird nicht erklärt. Meintest du, dass die Menschen wegzogen? Dann hätten sie die Hütten einfach stehen gelassen! Unlogisch. "Hütten leer" wäre hier korrekt gewesen.

Das ganze Gedicht ist unlogisch, denn es unterstellt, dass einzig der Wald den Menschen Leben und Überleben ermöglicht. Das mag im globalen Zusammenhang korrekt sein, mit dem Bild eines einzelnen Dorfes (Hütten!) funktioniert das nicht, denn die Bewohner fällten den Wald ja, um Felder anzulegen und sich dauerhaft - nicht nur durch Jagd - ernähren zu können. Hier im kleinen Rahmen ist der Wald keine Existenzprämisse - ohne Wald muss es in da noch lange nicht "wüst" sein und existenzbedrohend.

Die Conclusio endlich sieht die Menschen als "Heer" nur dämlich herumstehen und in die Gegend stieren. Keine sehr positive Beurteilung für ein paar Bauern, die bloß Felder anlegten. Die - vielleicht - avisierte Ökobotschaft erstickt quasi an dem völlig falsch gewählten Gleichnis einer dörflichen Sphäre, die für die ganze Welt stehen soll. Der Eindruck des Ländlichen wird durch die im Text erwähnten "Hütten" erzeugt.
Solltest du ein anderes Bild dabei im Kopf gehabt haben, so wurde es nicht deutlich genug umrissen, um den Leser in die richtige Richtung zu leiten.


So, nun siehst du, warum ich von "moderner Lyrik" zumeist die Finger lasse! Ich kenne mich! Meine diesbezüglichen Kommis sind weder hilfreich noch konstruktiv - also sage ich lieber gar nichts dazu. Entschuldige, falls ich mich zu sehr gehen ließ. Es liegt an mir, nicht an deinem Text. Ein anderer mag mehr darin entdecken als ich.
In Zukunft werde ich solche Texte wieder meiden. Es lag heute wahrscheinlich an einer besonderen Laune, dass ich so vom Leder zog. Vielleicht wollte ich auch bloß zeigen, dass auch ich "sehr" kritisch sein kann. Gefallen tu ich mir so allerdings nicht. Diese Art von Gedichten bringt nur immer "mein Monster" zum Vorschein ...

Entschuldigende Grüße, eKy
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Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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