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Alt 02.02.2014, 14:33   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Knacki,

bei einem Kurzgedicht sollte wirklich alles (relativ) sitzen, hier hadere ich aber doch sehr mit der ersten Strophe, die m. E. sehr oberflächlich formuliert ist:

Als ich mal saß am “Stillen Örtchen“, 1
da klopfte jemand an das Pförtchen.
Von der Stimme her, war’s ein Kleiner, 2
der fragt gepresst: “Ist hier denn einer?“ 3
  1. Direkt die erste Zeile klingt sehr unbeholfen und umgangssprachlich. Und das ist am Gedichtanfang ja nun wahrlich kein schöner Einstieg ins Geschehen.
  2. In dieser Zeile stimmt die Metrik überhaupt nicht. Es reicht nicht, nur neun abgezählte Silben zu stellen, sie müssen auch metrisch passen, was hier eben überhaupt nicht der Fall ist. Diese Zeile müsste so klingen: xXxXxXxXx Sie sieht aber so aus: XxXxxXxXx Sofort fällt ins Auge, der Versbeginn ist nicht jambisch, also unbetont wie in allen anderen Zeilen und in der Mitte befinden sich zwei unbetonte Silben. Und ein Komma gehört auch nicht in die Satzmitte.
  3. Wenn jener (Kleine) zu jenem schon vergangenen Zeitpunkt an das Pförtchen klopfte und von der Stimme her ein Kleiner war, so kann er nicht zeitgleich fragen, sondern er fragte dann auch in diesem Moment.

Vorschlag:

Ich saß einmal am Stillen Örtchen
da klopfte jemand an das Pförtchen.
Der Stimme nach war das ein Kleiner,
er fragte dringlich: “Ist hier einer?“

Magst du dir ja einmal überlegen, ob es dir so gefällt. Es ist zwar jetzt glatt gefeilt, doch m. E. gehen weder Wortmelodie noch Sinn verloren, im Gegenteil bekommt das Ganze einen eleganteren Anstrich.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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