Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 15.10.2011, 10:43   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Guten Morgen, Erich,

wie ich gestern im Chat schon sagte, inhaltlich gefällt es mir sehr gut. Du beschreibst sehr anschaulich eine Ambivalenz der Gefühle. Das LI hatte sich, wohl auf eigenen Wunsch hin, in der Vergangenheit zurückgezogen. Als ich jünger war, wollte ich auch gerne "anders sein als die Anderen". Ich schätze, das hat etwas mit der "Identitätsfindung" zu tun. Seit ich älter bin, weiß ich, dass ich anders bin (Zumindest in einigen für mich wichtigen "Bereichen".) Gedichte zu schreiben ist ja heutzutage schon fast "exotisch". Jedenfalls führt es zu Reaktionen der "Umwelt", die von Amüsement über Spott bis hin zu kopfschüttelndem Unverständnis reichen. Ein Hoch auf die Lyrikforen, in denen wir "Spinner" uns "versammeln" können ...

Leider gibt es da auch noch die andere Seite. Alleine sein ist auf der einen Seite schön, man hat seine Ruhe, kann leben, wie man will. Auf der anderen Seite gibt es Tage, wo ich mich "selbst anöde" und trotz gemachter Erfahrungen gerne "Gesellschaft" hätte. Andererseits kann das auch langweilig sein, je nachdem. Und da hat man dann den "Salat". Wie soll das auch gehen? So sein wie andere Leute und nicht zu sein wie sie - und das "gleichzeitig"? (Ich hänge da immer "fest".)

Ich bin froh, nicht so zu sein, wie der "Norm-Mensch", andererseits hat dieser es sehr viel leichter, da er einfach gedankenlos durchs Leben gehen kann. "Beides" zu sein bzw. zu haben, das geht nun mal nicht. Aber an manchen Tagen wünschte ich mir das trotzdem, selbst wenn es natürlich unmöglich ist.

Das LI könnte "nach draußen treten", die Frage ist eher, ob es "da draußen" wirklich zu/frieden/er wäre ... "Ich könnte es, wenn mich nur einer bäte - ". Ich denke nicht, dass diese Entscheidung davon abhängig gemacht werden sollte. Ich führe auch schon seit ein paar Jahren eine Art "Eremitendasein", daher weiß ich: Die Initiative müsste vom LI selbst ausgehen. Warum? Nun, wer wäre denn da, um das LI "heraus zu bitten"? Solche (und meiner Meinung nach alle) Entscheidungen muss jeder selbst treffen.

Menschen sind bis zu einem gewissen Grad "alle gleich" und, wie im Gedicht erwähnt, dennoch "zu verschieden". Je größer der Unterschied, desto schwieriger wird es, "Gleichgesinnte" zu finden. Aber aufgeben? Nein. Schließlich kann man, folgt man seinen "Interessen", gerade in diesem Bereich Freunde entdecken; gemeinsame Interessen "verbinden" und liefern auch die "Gesprächsthemen".

Falsch wäre nur die Suche nach Gesellschaft um der Gesellschaft willen, so etwas funktioniert nicht, außer, einer von beiden "schauspielert". Das wäre falsch. Tja ...


Zum "Formalen" hätte ich noch ein paar Anmerkungen. Du kombinierst hier hauptsächlich 5 und 6 Hebungen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das durchaus möglich ist, wenn der Leser die "Pausen" ganz bewusst "überliest". Letzten Endes "Geschmackssache", ein kundiger Leser findet den Rhythmus. In Strophe 3, Vers 3 sind es 4 Hebungen. Ich weiß nicht, ob es deinem "musikalischen Gefühl" auffällt, dass sich 4 und 5 Hebungen "besser" kombinieren lassen. Dieser Vers stört also den "Fluss" überhaupt nicht.


Leider gilt das nicht für folgende Stellen:


Zitat:
Die Tage plaudern über alltägliche Sorgen, xXxXxXxxXxxXx
Dass es mehr Silben sind, ist nicht das Problem, aber das Wort "alltägliche" wird xXxx betont, was dafür sorgt, dass dieser Vers "aus dem Rhythmus fällt". Wenn du statt dessen

Die Tage plaudern über Alltagssorgen, xXxXxXxXxXx

schreiben würdest, wären die beiden "falschen Töne" weg, ohne die Aussage zu verändern. Nur ein Vorschlag, denn hier ist die "Lesemelodie" wirklich nicht stimmig. "alltägliche" XxXx klingt ebenfalls "schief", da ich es so "falsch" betonen muss.

Das hier ist kein "Fehler", ich merke es nur an:

Zitat:
mit andern darob aber nicht besorgter sein, xXxxXXxXxXxX
"darob" wird, normalerweise, xX betont. Mit "besonderem Nachdruck" kann auch Xx gelesen werden, aber der Leser muss das "wissen", deshalb erwähne ich es, nur zur Info.

Zuletzt noch ein kleiner "Gedankenfehler":

Zitat:
doch dafür sich wir wohl zu gleich...
doch dafür sind wir wohl zu gleich ...

Das kenne ich, man denkt das eine und schreibt (sagt) prompt das andere ...

Wie gesagt, mir gefällt dein Gedicht sehr gut, wenn du also nur zwei Stellen "glättest" ("alltägliche Sorgen" z. B zu "Alltagssorgen" und "sich" zu "sind"), dann passt alles.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten