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Alt 20.04.2011, 21:08   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Abend, Falderwald,

ich freue mich und bin zugleich erstaunt. Du bist der Einzige, bei dem dieses Gedicht, dessen "Machart" ich zugegebenermaßen experimentiell angesiedelt habe, tatsächlich ankommt.

Ich habe hier sowohl mit dem Amphibrachys als auch mit dem Hexameter experimentiert, ich wollte (was mich generell am meisten reizt) herausfinden, was ich daraus machen kann. Zur Zeit habe ich häufig "Verständnisprobleme" mit Lesern, da ich versuche, von dem klassischen Weg des "LyrIchs" abzuweichen. Hier habe ich in der Tat versucht, den Baum "sprechen" zu lassen, aber nicht mit eigener Stimme, da er ja keine hat. Wer also spricht? Das wollte ich gerne dem Leser / der Leserin überlassen.

Du hast mit deiner Lesart gut getroffen.

Zitat:
Es wirkt fast wie eine Symbiose zwischen Mensch und Baum, was nur funktionieren kann, wenn das Subjekt mit dem zu beschreibenden Objekt verschmilzt und sich möglichst objektiv aller Vorurteile bei der Beschreibung enthält.
Der Begriff "verschmelzen" trifft genau meine Idee. Der Baum "redet" - durch den Menschen, aber der Mensch spricht nicht vom Betrachtungsstandpunkt des Menschen, sondern von dem des Baumes aus. Der Baum berichtet, was er wahrgenommen bzw. erlebt hat, und da er ein Baum ist, urteilt und wertet er nicht, sondern beobachtet nur.
Er ist ja kein Mensch, der genau das tun würde.

Ich habe festgestellt, dass es nicht leicht ist, ein Gedicht zu schreiben, das einen anderen Betrachtungswinkel als den rein menschlichen darstellt. Statt dessen teste ich Möglichkeiten aus, d. h. ich versuche, ein Baum, ein Traum oder ein Hase zu "sein" wenn ich schreibe. Deshalb muss ich zugeben, wie sehr es mich freut, wenn jemand das erkennt.

In allen Foren, die ich bisher besucht habe, wird allgemein gesagt: "Etwas Neues, bitte, nicht immer das Alte, das Ausgelutschte! Her mit Innovationen!!!"

Aber wehe, wenn man genau das verwirklicht ...

Mir wird gesagt: Das sind "misslungene" Hexameter - ich würde sie eher "H(extra)meter" nennen. Mir ist durchaus bekannt, wie ein Hexameter beschaffen ist, dass normalerweise Trochäen nur in den ersten 4 Versfüßen zum Einsatz kommen dürfen, dass die Zäsur im 3. oder 4. Versfuß zu sitzen hat, etc., etc. und ich weiß, dass der Amphibrachys im Kreuzreim mit 12 Silben daherkommen soll. *Seufz*

In einem anderen Werk habe ich mir den Anapäst "geschnappt" und ein surreales Traumsequenzen-Gebilde geschrieben. Reaktion: "Befremdlich, und das Metrum passt nicht, der Anapäst hat einen stampfenden, kriegerischen Rhythmus." Über dieses Thema sprach ich bereits mit Yoapharél in einem ihrer Fäden. Im gleichen Atemzug kam ein Kommentar, das von einem "einschläfernden" Rhythmus und "unzusammenhängenden, zu rasch wechselnden Bildern" sprach - *räusper*(Jetzt hätte ich gerne einen Smiley der vielsagend eine Augenbraue hochzieht).

Ehrlich, manchmal dachte ich, ich geb's auf. Wenn die Oberfläche nicht sofort klarmacht, was da steht, dann taugt es nichts, so die Meinung der Mehrheit. Ich versuche, neue Wege zu finden, Effekte zu entdecken (und zu nutzen!), Metrum, Rhythmus, Bilder, Assoziationen und Inhalt zu "formen".

Das entwickelt sich zu einer Leidenschaft, die ich nicht mal bei meinem "Häschen-Gedicht" ganz außen vor lassen konnte.

Zitat:
Das ist ein Gedicht, welches nachvollziehbar und glaubhaft und somit authentisch wirkt und den Leser zu berühren vermag.
Vielen, herzlichen Dank für deinen Kommentar und insbesondere für diese Zeile. Das ermutigt mich, trotzdem weiter zu machen und nicht resigniert zur "konventionellen" Art zurück zu kehren. Aber ich werde natürlich zur Entspannung immer mal wieder (zwischendurch) etwas völlig "Klassisch-Normales" schreiben, im Moment arbeite ich z. B. an einer Sestine. Mal sehen, was daraus wird.

Lieben Gruß

Stimme der Zeit
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Geändert von Stimme der Zeit (20.04.2011 um 21:21 Uhr) Grund: Kleine Ergänzung.
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