Katzenflüstern
Sie sitzt mit trauriger Gebärde
und halbverhungert da beim Herde.
Ein Bild des Jammerrs: Welch ein Elend!
Was muss sie leiden? Oh, wie quälend
versendet Not ihr trüber Blick!
Wer glaubt, das wäre nur ein Trick?
Die ärmste aller Felidae
hockt vor dem Hühnerfrikassee
(vielleicht wars heut auch Lamm mit Rind)
und maunzt, dass mir das Blut gerinnt!
Es stockt die Milch, es friert der Regen:
Zum Sterben wird sich niederlegen
das arme Tier! Es kann nichts fressen!
Das Maß des Elends zu bemessen
reicht nicht einmal der Ozean.
Was mach ich nur, in meinem Wahn?
Ich flüstere ihr was ins Ohr.
Ich lob das Futter im Tenor.
Ich tauch den Finger in die Soß
und kaue vor, was noch zu groß.
Ich schnuppre dran, knurr mit dem Magen.
Ich simuliere Wohlbehagen,
reib zart an ihr auch meinen Rüssel
und setz sie wieder vor die Schüssel!
"Ja, friss nur brav, das ist doch guuut!"
(Und hoffe still, dass sie es tut!)
Sie zögert noch, setzt Abwehrzeichen.
Da flehe ich, zum Steinerweichen:
"Oh Katzenvieh, das ist doch lecker!"
(Und denk: Du gehst mir auf den Wecker!
Hörst du nicht auf mit diesem Tanz,
dann knüpf ich dich mit deinem Schwanz
noch an der Teppichstange fest
und fresse selbst den Futterrest!)
Die Katze, die kurz nachgedacht,
jetzt ein paar kleine Bissen macht -
und plötzlich mundet ihr der Brei!
So wirkt die Katzenflüsterei.
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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