Thema: Die Linde
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Alt 12.02.2018, 19:13   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Ein Werk in drei Varianten unsterschiedlicher Zeilenlänge! Sehr interessant!

Gerne lehne ich an Rinde,
Frühling, Sommer, Herbst und Winter,
spüre Zeit und sehe hinter
Blättern deiner Jahre Linde Entweder "Linde" zwischen Kommata setzen oder klein schreiben, als Adjektiv zu "Kindertage" in der Folgezeile (was ich als eleganter empfinde).

Kindertage und verbinde
Spatzenfliegen, kleine Sprinter,
Frohsinn in dem grauen Sinter,
Herzen in dem Zeitgewinde, "unterm" statt "in dem" - man würde "im" sagen.

rieche Duft von tausend Blüten,
habe Borke an dem Rücken "An dem" klingt unelegant, man würde "am" sagen. "habe einen rauen Rücken" täte es auch.
fühle Krieg und wehes Wüten, Kein Komma hier am Ende.

beim Verweilen unter Ästen: Punkt genügt.
und Mirakel werden Mücken, "Alle Leiden sind nur Mücken".
zähle zu den Erdengästen! "saugen an den Erdengästen!"
Im letzten Satz fehlt mir bei deiner Version schon der Sinnzusammenhang der längeren Versionen, das ist nur noch Stückwerk.



Gerne lehne ich mich an die Rinde,
Frühling, Sommer, Herbst im kalten Winter, Unbedingt Komma nach "Herbst".
spüre diesen Lauf der Zeit und hinter Komma nach "Zeit".
Blättern mit den Augen einer Linde

sehe ich die Jahre und verbinde Komma ans Zeilenende.
wie die Spatzen fliegen, kleine Sprinter,
und sie Frohsinn zwitschern in den Sinter
mit den Herzen, in dem Zeitgewinde. Schöner: "unsrer Herzen unterm Zeitgewinde."

Manchmal rieche ich den Duft von Blüten
mit den Rissen deiner Haut am Rücken, Schöner: "in den Rissen ...".
fühle Kummer und das wehe Wüten, Kein Komma.

und verstehe unter starken Ästen: Doppelpunkt weg, Punkt oder Bindestrich nach "Mirakel".
Die Mirakel, Leiden sind nur Mücken, Punkt hier am Zeilenende.
Ich bin eine von den Erdengästen.


Gerne lehne ich mich an die raue Rinde,
Frühling, Sommer, Herbst, im eisigkalten Winter,
spüre diesen Lauf der Zeit und sehe hinter
Blättern Jahre mit den Augen einer Linde.

Ich erinnre Kindertage und verbinde
wie die Spatzen fliegen, alles kleine Sprinter. Komma statt Punkt.
und sie Frohsinn zwitschern in den grauen Sinter,
mit den schnellen Herzen, in dem Zeitgewinde. "wie mit schnellen Herzen unterm Zeitgewinde."

Manchmal rieche ich den Duft von tausend Blüten, Kein Komma.
mit den Rissen deiner Haut an meinem Rücken, "in ..."
fühle einen Kummer, Krieg, das wehe Wüten

und verstehe beim Verweilen unter Ästen: Doppelpunkt weg.
Die Mirakel - alle Leiden sind nur Mücken, "die" klein.
ich bin eine von den vielen Erdengästen.


Ich gehe mal davon aus, dass die längste Version deine erste war, und dann versuchtest du, wie weit du "abspecken" konntest. Bei der obersten Variante eindeutig schon zu viel, denn in manchen Zeilen geht schon die ursprüngliche Aussage verloren, und die Phrasen passen nicht zusammen. Auch die Mittelversion hat schon Schwächen im roten Faden, und manche Bilder erscheinen seltsam zusammengestückelt.

Gut, dass du es so rum eingestellt hast, denn läse man zuerst die lange Version und wüsste dann bereits um die Aussagen der Verse - die Veränderungen durch die Verkürzungen fielen nicht so ins Auge. So aber erkennt man erst zuletzt die eigentlich gewollten Zusammenhänge ganz.

Als lyrisches Experiment interessant, aber von ästhetischen Standpunkt aus präferiere ich die unterte Version.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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