Gedichte-Eiland

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wolo von thurland 06.01.2012 10:02

Gefangen
 
Die Angst sitzt links, gleich unterm Herzen.
Sie zwickt und zwackt. Sie lockert nie
den Griff um jenen Muskel. Seine Schmerzen
verfolgen mich, wohin ich immer flieh.

Ich schlüpf in meine Gummizelle
und lächle mit der Aussenwand.
Die Füsse treten müde auf der Stelle.
Zum Grüssen recke ich die rechte Hand.

Des Nachts würgt mich mit ihren Klauen
die Panik, Puls im Hammerbeat,
und während andre schlafen voll Vertrauen,
erträum ich mir das Ende von dem Lied.

Dana 06.01.2012 20:28

Hallo wolo,

ich strecke dir die rechte Hand ob des Gefallens an eben jener Gefangenschaft, die mir als solche zwar nicht gefällt - doppelt und zehnfach jedoch, die Verdichtung des Zustandes.
Nun stehst du mittendrin. Angenommen nur ich kennte "Gefangen", dann würde ich es unter Lieblingsgedichte posten.
Gefangenheiten und Ausweglosigkeiten habe ich selten so labend verdichtet gelesen.
Darin stimmt alles, was man so kennt, wenn man sich ein wenig auskennt - und ganz für sich erfindet man träumend ein Ende.

Habe mich gern auf dein "Gefangen" eingelassen und zugleich hat es den nächsten Knoten gelöst.

Liebe Grüße
Dana

Chavali 06.01.2012 21:37

hallo wolo,

eine feine Idee und eine tolle Umsetzung des Themas.
Ich lese echte Panik aus deinen Zeilen, auch, weil der Text in dieser Rubrik steht.
Eine Angststörung verändert den Menschen, eine Depression auch - manche Leute lassen sich nichts anmerken
und die Umwelt ist geschockt, wenn es zum Suizid kommt.
Oder es kann auch eine echte Krankheit gemeint sein, die einem zu schaffen macht.

Auch wenn ich vielleicht deinen Text falsch verstanden habe - DAS jedenfalls lese ich daraus.

Intensiv verdichtet - düster. Ganz mein Geschmack.
Die Metaphern sind Spitze - so habe ich das Thema noch nie gelesen.

Kleiner Tippfehler
Zitat:

srecke
= strecke
(Dana hats auch schon subtil angemerkt ;))


Mit Gruß,
Chavali



wolo von thurland 08.01.2012 09:19

hallo dana
danke für deine rückmeldung. ich hoffe, dass du die schmerzen des herzmuskels nicht aus eigenem erlebnis so gut verstehst.
ein anderer leser hat herausgefunden, dass man meinen text auch als antifaschistisch-politisch lesen kann. das fand ich amüsant, aber ich kann's nachvollziehen.
lg wolo

hallo chavali
manchmal kriege ich den eindruck, dass das wesen der poesie eben nicht schlicht und echt sein darf. um so mehr freut es mich, wenn dieser schlichte text die sache auf den punkt bringen durfte.
im übrigen s.o.
lg wolo

a.c.larin 08.01.2012 10:16

hallo wolo von thurland,
es heißt:
"angst verleiht flügel und gleichermaßen auch "angst essen seele auf".

bei der von dir beschriebenen angst dürfte es sich um die zweite gattung handeln.
ich muss zugeben, bei mir sitzt die angst, wenn sie kommt, eher in der magengrube - oder sie behindert den atem.
von herzen ist sie mir aber egal - selbiges klopft bei angst nur umso heftiger
(was auch nicht ungünnstig ist, weil so viel blut und sauerstoff zur abwehr des schlimmen bereitsteht.)


nichts desto trotz ist angst auch eine fessel, die behindert, und wer ständig in so einem angst - gefängnis leben muss, der möchte ihm auch gerne mal entschlüpfen.
da sollte man dann mal nachfragen, was so tiefe dauerängste eigentlich auslöst. nicht alles daran ist rational begründbar, dennoch aber in innerern bildern abgespeichert und mit ihnen verquickt. verändert man diese inneren bilder, so verändert sich auch die angst oder der umgang mit ihr.

dein gedicht beschreibt sehr genau den zustand davor: das gefangen -sein, befangen sein in einem inneren alp-traum(a) und den wunsch des protagonisten, davon frei zu werden.
das ist sehr gut nachvollziehbar und geht auch unter die (gummi?)haut.

auf den tippfehler bei "strecke" wurde schon hingewiesen.
um das "Grüßen" ist es noch zu ergänzen.

liebe grüße, gerne gelesen,
larin

wolo von thurland 09.01.2012 20:58

hallo larin
danke fürs lesen und kommentieren.
dass du findest, es sei eine genaue beschreibung, freut mich.
das ß-problem ist ein gesamthelvetisches.
lg wolo


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