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Fenek 01.04.2014 23:44

Der fehlende Beweis
 
„Karl weiß, was er will. Er
hat eine starke Persönlichkeit,
wird es im Leben zu etwas bringen.“
Das waren Vaters letzte Worte. Dann
schlief er für immer ein.

Ich, Karls Bruder, bin zehn Jahre jünger.
Als Vater das über Karl gesagt hatte,
das mit dem entschlossenen Ego, war
ich Patient in der Drogenklinik gewesen,
welche am Rande unserer beschaulichen
Kleinstadt liegt, im Rothaargebirge.

Als man mich für gefestigt hielt, und ich
am Wochenende nach Hause durfte
geriet ich mit Karl darüber in Streit,
wer von uns beiden ich-stärker wäre.

Ich hatte einst auf einem Horrortrip Angst
gehabt, meine Identität zu verlieren
und Vater hatte mich einliefern lassen.

Nun sollte mir Karl zeigen, wie souverän
er war, und ich überzeugte ihn, dass es
nur ginge, indem er sich selber tötete.

Denn sollte in ihm irgendwas dagegen
meutern, sich sträuben, wäre es Beweis
genug für eine Schwäche, nicht Herr
über sich selbst zu sein.

Karl brachte es nicht fertig, sich
umzubringen, und ihn verfolgten
Zweifel an Vaters letzten Worten, wie
böse Dämonen. Daran denke ich
nur noch selten, wenn ich Karl
zur Tagesklinik fahre.

Ich kann mich nicht rund um die Uhr
um ihn kümmern. Ich muss die Firma
leiten, welche Vater ihm überschrieben
hatte. Außerdem ist Karl launenhaft
wie ein Weib geworden.

Narvik 06.05.2014 12:34

Hallo Fenek,

so kann es gehen. Der vermeintlich Schwächere muss sich hinterher um den Stärkeren kümmern, weil dieser anscheinend der Last nicht mehr gewachsen war.
Das ist eine interessante Verflechtung zwischen Karl, dem Ich-Erzähler und ihrem Vater, der letztendlich mit seiner Prognose nicht Recht gehabt hat.
Interessant ist auch der äußere Aufbau. Diese Geschichte wirkt auf den ersten Blick wie ein Gedicht, weil sie so gegliedert ist.
Habe ich auch so noch nicht gesehen.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Fenek 06.05.2014 20:57

Danke, Narvik, für deine Rückmeldung. Ja, dies Herr im eigenen Haus zu sein, wird ja immer noch diskutiert, vor allem in Verbindung mit den Forschungsergebnissen der Neurowissenschaften.

Ich wollte erst ne KG draus machen, verspürte dann aber keine Lust dazu. KG habe ich bereits einige fabriziert. Das reicht. Will ja eh keiner haben. Aber quasi als "Schreibübungen" in Netzforen ja ganz amüsant.

So habe ich also eine total geraffte Darstellung versucht, die dennoch den Leser beeindrucken sollte. Und solche Miniaturen haben meiner Ansicht nach eine bessere Prognose als KG hinsichtlich ihrer Verwendung, nicht nur im Netz.

LG Fenek

Dana 09.05.2014 20:26

Hallo Fenek,

mich hast du doppelt beeindruckt. Ich klickte auf Kurzgeschichten und sah ein Gedicht.:confused:
Habe sofort nachgeschaut, ob ich mich evtl. "verklickt" hätte. Dem war nicht so, also obsiegte die Neugier.

Ich habe mehrmals gelesen - nicht, weil mir das Verstehen schwer fiel - sondern weil ich von Form und Inhalt angezogen worden bin.
Die Geschichte spricht für sich. Beim Nachdenken verwandelt sie sich von Kurzgeschichte in ein großes Band - "Familiensaga";).

Gute Idee und hochinteressanter Inhalt.

Liebe Grüße
Dana


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