Gedichte-Eiland

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Chavali 09.12.2015 17:14

Der Baum
 



Meine Äste schützen Menschen,
vor dem Regen, vor dem Wind
und die Blätter an den Zweigen
sind den Kindern wohlgesinnt,

dienen manchmal auch zum Spielen,
ist kein Teddybär zur Hand.
Leise rascheln und verstecken,
das ist allen wohlbekannt.

Meine Wurzeln fassen Tage,
manchmal sonnenwarm und schwer,
sind zum Schlafen Unterlage,
allen Menschen von weit her.

Doch der Winter kommt beizeiten,
bin dann selber nackt und leer,
kann nicht mehr als Schutzbaum dienen,
fällt mir das auch richtig schwer.

Schneebedeckt ist nun die Erde,
alle Menschen sind jetzt fort,
wurden freundlich aufgenommen,
lernen rasch das deutsche Wort.

Frühling wird es wieder werden
und mein Blätterkleid glänzt lind,
Kinder kommen mich besuchen,
spielen froh im Morgenwind.



Agneta 09.12.2015 18:45

ja, die Bäume sollen unsere Freunde sein, liebe Chavali. Sie geben uns so viel, doch wir achten sie nicht.
Schön, dass du ihnen eine Ode gewidmet hast.
LG von Agneta:Blume:

wolo von thurland 09.12.2015 19:02

Hallo chavali
Wie Gin Ton schon schrieb: Es sind noch viele Menschen da, wo der Baum steht, bzw. da, wo die andern herkamen.
"Lind" muss man hier als "lindengrün" lesen, i.e. die Farbe des Lindenbaums, des Friedensbaums, die "Farbe der Hoffnung".
So richtig Ode würde ich das nicht nennen, dafür fehlt etwas die Feierlichkeit, die "gehobene Sprache". Doch gestehe ich ein: Es wirkt vom Stil her ziemlich einheitlich, und der einfache Stil widerspricht nicht der einfachen Aussage.)
Aber einen anerkennenswerten Schritt, schwierige Probleme mit lyrischen Mitteln zu zerkleinern, nenne ich das auf jeden Fall. Irgendein berühmter Dichter sagte: Lyrik hat die Aufgabe, die Wirklichkeit ungeschehen zu machen, oder so ähnlich.
Möge das deinen Versen gelingen.
wolo

Chavali 09.12.2015 19:02

Liebe Agneta,

danke für dein Feedback :)
Freut mich, dass dir der Text gefallen hat.

Das Thema lag mir am Herzen.

Lieben Gruß,
Chavali

juli 10.12.2015 08:50

Liebe Chavali :)
 
Aus deinen Zeilen spricht die Liebe zu Bäumen und den Menschen.
Hier gewähren die Bäume Menschen Schutz. Die Szene, die du beschreibst ist, in die Natur eingebunden, und die Kinder die in dem dem Gedicht vorkommen, gefallen mir besonders gut. Du beschreibst die Situation gut mit viel Gefühl.:)

Mich spricht sowohl der Inhalt wie auch die Form an.

Sehr gerne gelesen und Liebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

Dana 10.12.2015 17:40

Liebe Chavali,

auch mir gefällt "Der Baum" sehr. Einmal als Baum und dann als Metapher.

Ich bin zuerst über "wohlgesinnt" gestolpert, weil ich sicher war, dass es "wohlgesonnen" heißen müsste. Dem ist nicht so. Wohlgesinnt ist ein gültiges Adjektiv und wohlgesonnen wäre falsch. Habe gestaunt und bin froh wieder etwas gelernt zu haben.:)

Du lässt fast unauffällig den Baum als "Hort" einfließen. Er beschützt, gibt und verspricht, es ab Frühling wieder zu tun. Bis dahin aber sollten die Schutzsuchenden seine Freundlichkeit anerkennen oder erkennen. Er kann nicht durchgehend geben und schützen.

Gern gelesen und kommentiert,
liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 13.12.2015 10:55

Hi, Chavi!

Schön das! Ein paar Details:


Meine Äste schützen Menschen, Hier würde ich am Zeilenende das Komma streichen.
vor dem Regen, vor dem Wind,
und die Blätter an den Zweigen
sind den Kindern wohlgesinnt,

dienen manchmal auch zum Spielen,
wenn kein Teddy ist zur Hand, Vermeide Inversion: "ist kein Teddybär zur Hand." - Nächste Zeile neuer Satz.
leise rascheln und verstecken,
das ist allen wohlbekannt.

Meine Wurzeln sind die Lager, "Lager/-lage" vermeiden. Altern.: "Meine Wurzeln fassen Tage,"
manchmal sonnenwarm und schwer,
sind zum Schlafen Unterlage, Kein Komma.
jenen Menschen von weit her. "allen" statt "jenen"?

Doch der Winter kommt beizeiten,
bin dann selber nackt und leer,
kann nicht mehr als Schutzbaum dienen,
fällt mir das auch richtig schwer.

Schneebedeckt ist nun die Erde,
alle Menschen sind jetzt fort,
wurden freundlich aufgenommen,
lernen schnell das deutsche Wort. "rasch" statt "schnell"?

Frühling wird es wieder sein "werden" statt "sein" - wegen der Kadenzenfolge.
und mein Blätterkleid glänzt lind,
Kinder kommen mich besuchen,
spielen froh im Morgenwind.


Wirklich sehr human und idealistisch geschrieben. Leider würde die prosaische Realität noch ein paar Stophen hinzufügen:

Und dann brennen Flüchtlingsheime,
und man prügelt in den Schulen
fremde Kinder auf den Gängen,
denn mit Juden oder Schwulen

sehen manche schlimme Feinde
eines völkisch starken, reinen
Stammes von gar edlem Blute,
gegen die sich zu vereinen

Eile not tut, sich zu wappnen,
und sie tragen ihre kalten
Taten vor wie stolze Banner,
die sie gar in Ehren halten.

Traurig ist ein solches Trachten,
menschlich klein und primitiv,
wenn der Dämon Angst sich reget,
der zuvor in manchen schlief.

Und sie sägen an den Ästen
jenes Baumes Empathie,
und sie pissen auf die Wurzeln:
Früchte tragen soll er nie!


Gern gelesen!:)

LG, eKy

Chavali 14.12.2015 16:02

Liebe sy,
Zitat:

Hier gewähren die Bäume Menschen Schutz.
das ist richtig und ein Teil meiner Intention. Bäume stehen für Schutz und Verlässlichkeit.
Danke dir :Blume:


Liebe Dana,
Zitat:

Du lässt fast unauffällig den Baum als "Hort" einfließen. Er beschützt, gibt und verspricht, es ab Frühling wieder zu tun. Bis dahin aber sollten die Schutzsuchenden seine Freundlichkeit anerkennen oder erkennen. Er kann nicht durchgehend geben und schützen.
Das ist sehr schön erkannt :)
Laubbäume verlieren ihre Blätter im Herbst. Dann wird er sich zurückziehen und "schlafen"
und neue Kraft generieren.

Lieber Erich,

deine Anmerkungen nehme ich wie immer ernst und werde deine Vorschläge einarbeiten.
Zitat:

Wirklich sehr human und idealistisch geschrieben.
Danke dir!
Was die Realität betrifft, von der du schreibst: Man möchte sie nicht wahrhaben.



Euch allen sei herzlich gedankt für eure Rückmeldungen.


Liebe Grüße,
Chavali





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