Gedichte-Eiland

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Sufnus 15.03.2018 16:59

Antwort des Hades
 
Antwort des Unterweltgottes Hades auf die Bitte
des Sängers Orpheus um Eurydikes Rückkehr
aus dem Reich der Toten


Die Menschen werden Deine Rebellion,
vermessner Sänger, gegen jenes Joch
der Zeit mit Mut verwechseln, welcher Hohn!
Nur Liebesblindheit führte Dich, jedoch

dein Klang berührt. Die ewigen Konstanten
beug ich in Deinem Sinn mit meiner Macht:
Da selbst die Toten sich für Dich verwandten,
wird Deine Liebste Dir zurückgebracht,

dafür steigt dann, im Austausch, aus dem Leben
in diesen schwarzen Grund zu mir hinab
die Eine, die ich trauernd hergegeben
und lang an Eure Welt verloren hab.

Drum wirst Du Deine Liebe wieder feiern,
doch die ich fordre, Hüterin der Flur,
Persephone, wird nimmer mehr erneuern
im jungen Jahr den Kreislauf der Natur.

So lass ich eine Tote aus der Hand
und im Verzicht auf Steigen und Vergehen
erstarrt zum Sein dann Euer Menschenland,
denn nichts, was wächst, kann ewig Fortbestehen.



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Hintergrund:

Der alte Mythos berichtet, dass Orpheus, der größte Sänger der Menschheit, nach dem frühen Tod seiner geliebten Eurydike den Unterweltgott Hades persönlich aufsuchte, um ihn durch seine Klagen dazu zu bewegen, Eurydike aus dem Totenreich zu entlassen. In der bekanntesten Fassung lässt sich der Totengott durch den Gesang des Orpheus erweichen und schenkt Eurydike das Leben zurück unter der Bedingung, dass der Sänger sich auf dem Rückweg keinesfalls nach seiner Frau umdrehen dürfe.

In einer anderen Variante der Sage hat Hades jedoch eine Gegenforderung: Eurydike darf die Unterwelt nur verlassen, wenn dafür des Hades eigene Frau, Kore oder Persephone, die Schutzgöttin des Frühjahrs und der blühenden Natur, die auf Beschluss der Götter an die Welt der Lebenden gebunden wurde, zu ihrem liebenden Gemahl in das Reich der Toten zurückkehrt.

Chavali 15.03.2018 17:47

Hi Sufnus,

ich gehe zuerst einmal auf die beiden Varianten der Sage ein:
Beide sind nicht wirklich akzeptabel, besonders auch die zweite nicht.
Es würde niemals mehr ein Kreislauf des Lebens und der Natur stattfinden,
alles würde sterben.
Da haben sie beide nix gekonnt :o
Dann doch lieber Var.1 - das Problem ist aber, dass sich O. doch umsieht, gell.
Und damit ist das dann auch Geschichte ;)
Oder wie war das gleich noch...?:confused:

Ein toller Text, super umgesetzt, das Thema.
Wie eine Ballade aus alten Zeiten und nicht bloß so ein paar hingeworfene Zeilen!
Das ist ein richtiges Gedicht! :)

Ich hatte auch einmal eine Phase, in der ich mich an ähnlichen Projekten versuchte.

Sehr gern gelesen!

LG Chav


edit

heute früh nochmal gelesen:
es kann natürlich auch sein, dass das Gedicht eine einzige Metapher ist?


Felix 16.03.2018 08:54

Lieber Sufnus,
die Mythen der Griechen sind ein unerschöpflicher Brunnen und ich freue mich über jeden, der daraus schöpft. Der Tauschhandel zwischen Hades und Orpheus - gibst du mir meine, geb ich dir deine - zeigt doch auf, wie menschlich der Umgang zwischen Göttern und Menschen war. Was mir unpassend erscheint, ist der Schluss mit der Weisheit, dass nichts Wachsendes ewig fortbestehen kann.
Das ist richtig, aber ich sehe keinen Sinnzusammenhang mit der vorangegangenen Feilscherei.
Letzte Meckerei: "in diesen schwarzen Grund zu mir hinab" - müsste es da nicht heißen "herab"?
Frage: Hast Du mal so eine "Ballade" in Blankversen versucht? Der Reimzwang verführt manchmal zu Wortverwendungen, die nicht dem Gesamtbild entsprechen (Rebellion/Konstanten).
Hervorheben möchte ich, dass Du mit einem ungewöhnlichen Thema auftrittst. Ich wünschte mir mehr davon.
Liebe Grüße,
Felix

Sufnus 16.03.2018 11:28

Vielen Dank Chav & Felix für die anregenden Kommentare! :)

@Chav
Es gibt auch eine Fassung der Fabel, in der sich O. beherrschen kann und, Augen geradeaus!, mit seiner Liebsten im Schlepptau Land gewinnt. Das ist natürlich die schönste Variante der Sage. :)

Und soll man das ganze nun als eine große Metapher verstehen? Ich denke, man soll nicht sollen, aber man soll können. :)

@Felix
Der Schluss passt meiner Meinung nach schon zum Ganzen: Wachsen & Zerfallen sind die Kehrseiten ein und derselbe Medaille, wo das eine aus der Welt geschafft würde, verginge auch das andere.

Und was die Reim- und Metrum-geschuldeten Wortwendungen angeht, hast Du natürlich vollkommen recht, wobei das formale Korsett ja Verlust aber auch Gewinn sein kann. Aus der Beschneidung formaler Freiheiten ergibt sich ja häufig erst der kreative Einfall: Keine findige Lösung ohne kniffliges Problem. :)

Allerdings gibt es tatsächlich ein paar Wendungen, mit denen ich nicht 100%ig zufrieden bin, es sind jedoch weniger die Worte "Rebellion" oder "Konstante", die, wie ich finde, wohltuend zu einem etwas "heutigeren" Klangbild beitragen, sondern eher altertümliche Wendungen und Worte wie "Joch" oder "Flur", die mir noch ein bisschen Kopfkratzen bescheren.


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