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AAAAAZ 01.02.2015 09:49

Der geclownte Clown
 
Ich war ein Clown, ein Spiegelbild eurer Seele, und ich hatte mich geclownt.

Nicht nur Schuh, Lappen und Papiere. Auch die Konfettipistole und die wasserspritzende Rose an meinem Revers, selbst meine Clownsnase, alles war vollkommen identisch. Ich hatte haargenau die gleichen Haare, dieselbe Erinnerung und Erfahrung, und vielleicht blühte mir sogar dasselbe Schicksal.

Ich selbst brauchte fortan natürlich nicht mehr zu arbeiten, habe mir dabei zusehen, wie ich in der Manege stand. Und da konnte ich die Menschen beobachten, ich setzte
mich zwischen sie, um zu hören, was sie wirklich dachten. Ich wurde Teil des Publikums.

Und sie fühlten überall dasgleiche und lachten an derselben Stelle. Wir waren unter dem Zirkuszelt miteinander verbunden, eine Familie. Wir aßen Popcorn, und tranken Brause.

Und ,,dasgleiche" wurde mit der Zeit ,,dasselbe", zur gleichen Zeit. Mein Lieblingsplatz war immer derselbe Stuhl zwischen den gleichen Kindern.

Ob wir am Gipfel unseres Einfühlungsvermögens oder an der vollkommenen Gleichschaltung angekommen waren, vermag ich nicht mehr zu sagen, es war eh dasgleiche, dasselbe und für uns eins.

Dann kam der Höhepunkt, meine Nummer mit der Konfettipistole.

Der Luftballon mit dem hübschen Clownsgesicht war aufgeblasen und

wartete,

gespannt wie immer.

Die Trommeln wirbelten.

Der Kunstschütze kam nach mir, jedoch hatte mein Clown die Pistolen vertauscht. Der Ballon zerplatzte, und mich traf der Schuss mitten ins Herz, inmitten der Kinder.

Genauso, wie ich es mir immer vorgestellt und gewünscht hatte.
Mein Clown lachte sich dickeTränen über sein geschminktes Gesicht, und das
Publikum war außer sich.
Die Rose versprühte ihren roten Saft wie Konfetti.
Die maroden Stricke vermochten das Zelt dieses Schmierentheaters nicht länger zusammen zu halten.
Alles war anders, befreit von seiner Zeit, endlich.

Und in dieser Sekunde, zur gleichen und zur selben Zeit war ich glücklich.


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