Gedichte-Eiland

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Laie 07.03.2017 09:40

Tief in meinen stillen Stunden
 
Tief in meinen stillen Stunden
möchte mein Erwachsensein
in den Wehen seiner Wunden
weinend nach den Eltern schrein.

Und der Kindheit bunter Garten
färbt sich langsam dunkelrot.
Alles harrt im Herbsterwarten.
Ich bin still und fast schon tot.

fee_reloaded 07.03.2017 10:50

Starker Tobak, lieber Laie,


aber ich kann gut nachvollziehen, welches Gefühl du hier sehr gekonnt beschreibst.
Manchmal wäre es wirklich schön, könnten wir uns noch ein letztes Mal in den sicheren Hafen unserer Kindheit zurückziehen, um dort von den Eltern behütet auch ganz Kind sein zu können - ohne jegliche Last von Verantwortung, ohne Blitzlichter von Erinnerungen an missglückte Momente oder nicht erreichte Ziele in unserem Leben.

Der Seelenballast unserer eigenen Lebensgeschichte kann manchmal ganz schön schwer drücken. Und ich denke, von genau diesen stillen Stunden schreibst du hier. Die kenne ich auch und in diesen tut es dann besonders weh, zu erkennen, dass die Tür zurück für immer verschlossen ist und keine Eltern mehr da sind, deren Kind man noch sein könnte.

Der sehr düstere Inhalt von Strophe 2 ist dann wohl dieser Traurigkeit geschuldet und eventuell auch der für solche stille Stunden oft typsichen Tages- bzw. Nachtzeit (so zwischen zwei und vier Uhr morgens aus meiner Erfahrung) - die ist ja nicht für ihre Hervorbringung optimistischer Gedanken bekannt. ;)

Gerne gelesen.

fee

Erich Kykal 07.03.2017 18:49

Hi Laie!

Wunderschön formuliert, melodisch weich fließen die Zeilen. Tieftraurig lassen einen die Verse zurück - man fühlt Hoffnungslosigkeit und Trauer über die verlorene Jugend und Tatkraft.

Ein depressiver Mensch + ein Seil + dieser Text: Ein Zielfoto!

Dennoch sehr gern gelesen! (Ohne Seil! ;))

LG, eKy

Dana 07.03.2017 19:21

Hallo Laie,
ich kann mich der gefangenen Befangenheit nur anschließen. Ein berührendes Gedicht, das nicht ausschließlich auf die Gedanken des Autors zurückführt und zur Diskussion auffordert. Ganz im Gegenteil. Die Berührung trifft bis ins Mark.
Ich sehe darin ganz eigene "stille Stunden". Stunden einer ausweglosen Verzweiflung. Stunden, die für sich stehen und nicht einmal nach der "sorglosen Kindheit" hangeln. Die färbt sich dunkelrot auf Herbsterwarten und sehnt sich nach Tot. Diese Stunden sehnen sich nach einem ganz eigenen Neubeginn.
Das Schreien nach Eltern kann auch als Anschreien der Eltern verstadnen werden.
Zutiefst beeindruckt, bis betroffen.

Liebe Grüße
Dana

Laie 08.03.2017 09:26

Hallo fee, eKy, Dana,

ich danke euch, für eure Kommentare. Alle haben ihre eigene Sicht auf den Inhalt und ähneln sich doch. Das finde ich toll :)

Dieses Gedicht soll sich, nach meiner Ansicht, auf Menschen beziehen, die erst am Anfang ihres Erwachsenseins stehen. Job, Wohnungssuche, Liebe und alles, was damit einhergeht und daraus folgen kann. Das kann Angst machen. Mir macht Angst.


Grüße,
Laie

Chavali 08.03.2017 10:18

Hallo Laie,

es wurde schon viel über den Inhalt deines tief melancholischen Gedichtes geschrieben.
Und glaube mir, auch als nicht mehr ganz so junger Mensch sehnt man sich zeitweise in das Kindsein,
in die Jugend zurück, als man noch Eltern hatte, die mit liebendem Verständnis
in unserer Nähe waren.

Erst, wenn man keine Eltern mehr hat, hört man auch auf, Kind zu sein.

Wunderbar in Worte gesetzt - sie fließen wie ein kühler Hauch bei Wärme,
wenn man sich nach Klarheit sehnt.....


Sehr gern gelesen!
Lieben Gruß,
Chavali

juli 08.03.2017 12:43

Lieber Laie,

Du hast Talent! Jedes Wort ist an der richtigen Stelle und dein Anliegen hier Nachdenkliches, Düsteres zu vermitteln ist dir gelungen. Erwachsenwerden dauert ein Leben lang. Glaub mir. Wunderbar in zwei S. Zur Sprache gebracht.

Das ist Lyrik.:Blume::Blume::Blume::):):)

Sehr gerne gelesen sy

:Blume::Blume::Blume:

Ich bin begeistert! ( wie immer bei dir)

Erich Kykal 08.03.2017 14:42

Hi Laie!

Also bist du ein junger Mensch? Seltsam - anhand deines Vokabulars, deiner Sprachhabung und deines Umgangs mit Inhalten habe ich mir dich immer als Mann meines Alters oder älter vorgestellt. Das darfst du aber ruhig als Kompliment auffassen - es beweist deinen offenbar hohen Grad an Sprachdurchdringung, dein enormes Talent dafür sowie einen bereits früh gereiften Geist. Ein Buddhist würde vielleicht sagen: Eine alte Seele, die schon viele Leben gelebt hat ...

Ich habe zwischen 20 und 40 kaum geschrieben (wohlmeinende Studienkollegen hatten mich überzeugt, dass keiner heutzutage mehr "klassische" Lyrik liest, und "modern" wollte ich nie schreiben. Das war zu einer Zeit, als ich noch andere mit meinen Gedichten erreichen wollte, eine Botschaft und ein Sendungsbewusstsein hatte. Als ich daran glaubte, dass niemand sich für meinen lyrischen Stil interessierte, wurde ein weiteres Schreiben obsolet.), aber wenn ich es gatan hätte, so glaube ich nicht, dass ich auch nur annähernd deinen sprachlichen und intellektuellen Reifegrad damit gezeigt hätte!

LG, eKy

a.c.larin 08.03.2017 17:10

hallo laie ( der gar nicht so laienhaft schreibt),

jungsein ist gar nicht so leicht, wie man manchmal meinen möchte. ein jungerwachsener muss seinen platz im leben erst finden, den richtigen job, die wohnung, den partner....
das geht mit einer menge unsicherheit einher.
man kennt sich selber ja doch noch nicht so gut.

und die neu zu tragende verantwortung kann auch als last erscheinen.

erwachsen zu werden ist ein kunststück, an dem wir ein leben lang üben.

ein schwieriger beginn kann trotzdem zu einem guten ende führen.
"fast schon tot" heißt nämlich auch : "immer noch am leben" - und darin liegt hoffnung. wir wissen doch alle nicht, was das nächste ufer bringt...;)

lg, larin

Laie 09.03.2017 10:53

Hallo Chavali,

wenn es so ist, wie du es schreibst, dann bin ich hoffentlich noch sehr, sehr lang Kind.
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar :)


Hallo sy,

ich danke dir für das Kompliment :) Ich freue mich, dass dir mein kleines Gedicht gefällt!


Hi eKy,

ich bin 25, also noch relativ jung, würde ich sagen :D Vielen Dank für das Kompliment. In meinen Gedichten setze ich mich weitestgehend mit meiner Gefühlswelt auseinander. Das mag gereift klingen, aber für das wahre Leben fühle ich mich nicht reif genug. Auch auf emotionaler Ebene bin ich weit von dem entfernt, was ich Reife nennen würde.

Du stellst dein Licht mal wieder unter den Scheffel :)


Hallo larin,

ich frage mich wirklich oft, ob ich mich überhaupt kenne. Und meistens denke ich nicht, dass ich es tue.
Ja, das nächste Ufer... in solchen Stunden glaubt man leider selten, dass dort besseres wartet. Aber hoffen sollte man natürlich dennoch :)


Grüße,
Laie


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