Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 09.02.2018 23:24

Hi Sufnus!

Du hast recht - derlei würde ich schon mal deshalb nicht planen können, weil ich ständig vergesse, was Tröchäus von Daktylus (für mich immer noch ein urzeitliches Flugreptil mit Vornamen "Ptero" :D) unterscheidet. Merk ich mir einfach nicht, das ganze Fachgedöns mit Wichtigkeitsfaktor! Entgleitet mir ständig - weil: mir absolut unwichtig! :rolleyes:

Ich zähle eigentlich nur Heber (hinterher) und korrigiere die seltenen Ausrutscher, achte auf Auftakte und Kadenzen. Ich zähle nicht mal Silben. Nicht mal Zeilenlänge oder Reimschema sind festgelegt, wenn ich zu schreiben beginne. Ergibt sich alles mit der ersten Str., und ich sorge dann nur dafür, dass der Rest dem Schema folgt.

Ich könnte und wollte es gar nicht anders! Stunden- oder gar tagelang über einer Strophe brüten, immer wieder umbauen, die perfekte Melodie suchen, den optimalen Reimklang usw - Alptraum! Mein schnellstes Sonett hat keine sieben Minuten gedauert, das längste eine Dreiviertelstunde (da gab es eine knifflige Stelle, zu der mir lange nichts wirklich Passendes einfiel ... :o).
Das gilt so in etwa auch für meine anderen Gedichte. Es ist mehr ein inneres Aufwallen, in dem mehrere Hirnregionen sich synchronisieren, als ein Konstruieren. Es geht schnell - dafür kann ich diese Spannung nicht lange halten. Mehrseitige Werke finden sich kaum bei mir ...


Zu der von dir gefundenen Erbse: Erst schwebte mir so was in der Art vor wie von dir avisiert, aber dann befand ich, dass es mit "alle" runder und lyrischer klänge. Da mir dies wichtig ist, möchte ich es auch so lassen, selbst wenn das inhärente - gänzlich unbewusst gestaltete - Schema dann nicht mehr perfekt ist. Ich hoffe, du kannst damit leben. :o

Vielen Dank für deine Einlassungen und das klare Durchschauen meiner Methodik.(Sofern man das so nennen kann bei mir ...) :)

LG, eKy

Dana 11.02.2018 19:27

Lieber eKy,
nachdem alles gesagt wurde, was man an Lob absenden kann, schließe ich mich allem an und möchte doch zu gerne sagen:
Schön, Du Poet, dass es Dich gibt und auch dafür, dass es Dich hier bei uns gibt.:Blume::Blume::Blume:
Dein Gedicht ist erschütternd schön.:Herz::Kuss:Blume:
Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 11.02.2018 20:23

Hi Dana!

Vielen Dank für die Blumen, und danke, dass du nie müde wirst, sie mir zu senden! :):Kuss

LG, eKy

Sufnus 12.02.2018 17:13

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 109417)
Es ist mehr ein inneres Aufwallen, in dem mehrere Hirnregionen sich synchronisieren, als ein Konstruieren.

Dein Statement beschreibt wirklich sehr gut den Prozess der Inspiration, dieses nicht wirklich steuerbare Element der poetischen Idee. Die Alten hat dieses Faktum zur Sichtweise angeregt, dass der Dichter nur ein Gefäß für dämonische Mächte sei, die aus seinem Mund orakelten. Neuzeitlichere Betrachtungen sehen wohl eher den Einbruch des Unbewussten in die Sphäre des Bewussten oder eine jähe Überaktivität assoziativer Hirnareale am Werk.

Im Hinblick auf dieses Phänomen zerfällt die Welt der Dichter nun in die Gruppe derer, die ihre Leistung darin sehen, den Ansturm der Ideen auszuhalten und nutzbar zu machen und die Gruppe derer, welche die geduldige, wochen-, monate- oder jahrelange Puzzlearbeit am Gedicht als den Weg zum Erfolg definieren. Rilke gehört klar in Gruppe 1, auch Kafka und Ingeborg Bachmann finden wir hier. Kafka erklärt: "Selbstvergessenheit ist erste Voraussetzung des Schriftstellertums". Und Bachmann schreibt: "Ich habe aufgehört, Gedichte zu schreiben, als mir der Verdacht kam, ich 'könne' jetzt Gedichte schreiben, auch wenn der Zwang, welche zu schreiben, ausbliebe".

Edgar Allan Poe ist hingegen eindeutig in Gruppe 2 zuhause, wenn er in seinem Essay "The Philosophy of Composition" das Schreiben eines Gedichts (am Beispiel von "The Raven") als eine präzise und planvolle Arbeit beschreibt, vergleichbar der Lösung eines mathematischen Rätsels.

Letzten Endes geht es bei diesen beiden Sichtweisen wohl um die Frage nach der Autonomie des Dichters.

Der intuitive, nicht-planende Dichter kann sich, wenn alles gut geht, von äußeren Erwartungshaltungen und Konventionen lösen, gewinnt also eine Autonomie für das fertige Werk; dies allerdings um den Preis des Ausgeliefertseins an die Intuition. Die Schreibblockaden und schöpferischen Stockungen im Werk von Rilke, Kafka oder Bachmann sind deutliche Beispiele für diesen zu zahlenden Preis. Der planvoll agierende Dichter gewinnt demgegenüber die Autonomie für den Prozess der Werkentstehung, losgelöst von metaphysischen Intuitionen ist er in der Welt verankert. Der Preis, den er zahlen muss, ist aber, dass das fertige Werk sich an seiner Welt-haltigkeit messen lassen muss. Der intuitive Künstler ist ein Verkünder des Schönen, der planvolle Artist ist ein Vermittler zwischen Schönheit und Welt.

Erich Kykal 12.02.2018 18:41

Hi Sufnus!

Sehr schön definiert. Hinzuzufügen bliebe noch, dass natürlich keine dieser beiden Formen in absoluter Reinheit vorkommen, sondern ALLE Dichter haben beides, bloß in unterschiedlichem Verhältnis.

Ich gehöre eindeutig in Gruppe eins, muss beim Schreiben und danach aber oft genug Kleinigkeiten nachbessern oder korrigieren, da kommt mir das Planvolle zupass.
Und ohne jegliche Inspiration hätte sich Poe wohl überhaupt gar nicht erst an den "Raben" gesetzt.

LG, eKy

Terrapin 12.02.2018 21:06

Kräftiger Ausdruck. Präzise Formulierung. Gut gemacht.

Erich Kykal 12.02.2018 22:40

Hi Terry!

Vielen Dank für die präzise, dabei gänzlich unprätentiöse Analyse und das Lob! :)

LG, eKy


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