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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Streitkultur


Erich Kykal
29.11.2012, 09:47
Sich stur auf Einzelheiten zu versteifen,
und kleinlich Punkt um Punkt drauf zu beharren,
befördert nicht den festgefahrnen Karren,
behindert nur, das Ganze zu begreifen.

Wie einfach wär's, nicht immer stoisch Recht
zu haben und erzwingen sich zu müssen!
Den andern einfach freundlich zu begrüßen,
erscheint auch manches uns mitunter schlecht.

Die Welt wird sich für uns nicht umgestalten!
Verschiebst du manchmal nur die eigne Sicht,
hältst du nicht gar so strenges Weltgericht!

Wer schwarz und weiß nur über alles denkt,
hat leichthin manche Chance schon verschenkt
für diesen Satz: Ich habe Recht behalten!

Thomas
29.11.2012, 13:17
Hallo Erich,

inhaltlich stimme ich aus vollem Herzen zu. Zwei Pünktchen sind vielleicht zu verbessern. "findet" hat den Ton auf der ersten Silbe und ich sehe an der Stelle keinen Grund für eine Tonbeugung. Vielleicht ließe es sich so beheben: "erscheint auch was er tut mitunter schlecht."

Ähnlich ist es mit der letzten Zeile der ersten Terzine. Das Verb "hältst" verlang meiner Meinung eigentlich den Ton. Wie wäre es mit "dann hältst du nicht so strenges Weltgericht!"?

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal
29.11.2012, 18:52
Hi, Thomas!

In Punkt 1 pflichte ich bei - vielen Dank dafür, hab's geändert.

Punkt 2 gefällt mir in meiner Version besser. Man muss nur das folgende "du" NOCH stärker betonen, dann flutscht es problemlos.:D

Das Sonett war ein Schnellschuss aus gegebenem Anlass anderswo.

Lg, eKy

Antigone
01.12.2012, 07:05
Lieber Erich,

ganz deiner Ansicht. Nun ist es aber so, dass Menschen sehr verschieden sind, und es müsste nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn alle einer einzigen Meinung seien. Als Autor hat man wenig davon, wenn einem der Honig ums Maul geschmiert wird, aber die Alternative macht noch weniger Spaß, da hast du völlig recht (wobei jeder Verriss irgendwo immer einen wahren Kern hat, man muss ihn nur aufspüren). Andererseits, nur Freundlichkeit und Höflichkeit, lieber Erich, ist auch nur die halbe Sahne. Erst der Widerspruch, die sokratische Rede und Gegenrede, führt überhaupt erst zu einem realistischen Ergebnis, der schmale Grat, auf dem so mancher Kritiker (und mit ihm der Autor) ins Stolpern geraten kann.

Lieben Gruß
Antigone

Thomas
01.12.2012, 07:42
Hallo Erich,

der zweite Punkt ist, wie durch mein "ähnlich" angedeutet, nicht so wesentlich. Bei Aufeinanderfolgen von einsilbigen Worten macht selbst manchmal Goethe Dinge, die ich ganz vorsichtig kritisieren würde.

Für einen "Schnellschuss" ist das Gedicht gut geraten. Sehr gut ist das Hinauslaufen auf dien Schlusssatz "Ich habe Recht behalten." Das ist der Knackpunkt! Solange diese Frage überhaupt eine Rolle spielt (auch nur im Hinterkopf), kann man jegliche wirkliche Auseinandersetzung über Grundlegende Fragen (geschweige denn sokratische Wahrheitsfindung) vergessen. Ich selbst behaupte meinen Standpunkt entschlossen, bin aber immer auf der Lauer, ob da nicht etwas ist, was ich falsch oder auch nur nicht vollständig genug sehe.

Wenn ich auf diese Weise nicht Recht behalte, bin ich froh!

Aber diese Freude gelingt nur, wenn das Ego keinen Strich durch die Rechnung macht. Wenn man es einmal kapiert hat, will man es nicht mehr missen und riecht das Problem drei km gegen den Wind.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal
02.12.2012, 02:15
Hi, Antigone!

Du hast recht, abgesehen davon, dass ich das Gedicht im allgemeineren Sinne schrieb, nicht explizit auf Gedichtkritiken gemünzt. Anlass war ein - leider beiderseits recht einseitiger - Disput woanders.

Hi, Thomas!

Leider gibt es Leute, die bezüglich irgendwelcher Zweifel bezüglich der eigenen einmal gefassten Ansicht sehr immun sind. Sie sehen alles nur aus ihrer Sicht und verweigern sich strikt der Perspektive des Gegenübers. Manchmal bin sogar ich einer davon...:rolleyes:

Habt Dank für eure Gedanken!

LG, eKy

Falderwald
05.12.2012, 19:30
Servus Erich,

da fällt mir direkt die Gegenposition zu ein, nämlich ein Buch mit dem Titel "Die Kunst Recht zu behalten" von Arthur Schopenhauer.
Dort findet du alle Kunstgriffe, um mit Hilfe der "Eristischen Dialektik" genau das zu erreichen, was dein obiger Text ja eigentlich zu verhindern sucht.

Ich kann ihn deshalb nur als tiefempfunde Einsicht verbuchen, als etwas, was einem erfahrenen Menschen theoritsch eigentlich klar sein sollte, sich freilich in der Praxis nicht immer so durchführen lässt, denn neben der Logik beeinflussen ja auch manchmal noch die Gefühle die Handlungen.

Und wenn es wieder mal so weit ist, gibt es halt zwei Möglichkeiten:

Entweder Schopenhauer oder Kykal lesen, man hat die Wahl. ;)


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Dana
06.12.2012, 19:51
Lieber eKy,

wie recht du hast und wie schön lyrisch du den Leser im Sonett zum Nachdenken bringst.

Natürlich kann und soll man streiten, auch heftig und deftig. Meist kommt es auf den "Mitstreiter" an und darauf, ob beide beim Thema bleiben und "Freude" am Streit haben. (Ich meine wirkliche Freude im Aus- und Abtausch.)

Der Titel hebt hervor, worum es geht. Streitkultur.

Wahrlich kein leichtes Unterfangen. Das Gefühl im Recht zu sein ist zu verführerisch für das Ego und führt unmerklich zur Verbohrtheit.

Um zu erfahren wie großartig das Gefühl des Zulassens anderer Meinung für das Ego sein kann, sollte man sich immer wieder darin üben.
Die Mitstreiter und heftigsten Streiter werden zu wertvollen Freunden oder mindestens guten Partnern.

Klappt nicht immer - doch gerade deshalb ist dein Gedicht so gut. Es führt in diese Richtung.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal
07.12.2012, 13:02
Hi, Dana und Faldi!

Vielen Dank für eure freundlichen Gedanken. Ein Stück weit sind sie mir auch aufrichtig Trost in der angedeuteten Sache, die mir einige sehr verstimmte Tage bescherte, da ich als krampfhaft harmoniesüchtiger Mensch eine schlechte Meinung über mich nicht auf mir sitzen lassen kann...das wird dann rasch zwanghaft, vor allem, wenn das Gegenüber ebenso zwanghaft auf seiner einmal gefassten negativen Meinung über mich beharrt.

Bedauerlich, wie wenig wir uns allzu oft der eigenen engen Geistesgrenzen bewusst werden...

LG, eKy