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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Falscher Glaube


Walther
01.04.2012, 18:46
Falscher Glaube


Ich hatte falschem Glauben zugeraten:
Der Ausblick auf das Morgen ist Bedrohung.
Tief in der Seele wächst schon die Verrohung,
Im Boden eingebracht sind böse Saaten,

Sie regen sich und wachsen aus zu Taten.
Kein Platz für Innehalten, keine Schonung:
Die Frucht ist Folge und selbst die Entlohnung
Der Wünsche und des Wollens. Das Verraten

Vergisst nicht, sammelt an und fordert ein.
Es wird nie gut und kann nicht heilen, stirbt
Nicht einfach, es hat sieben lange Leben.

Der Götze Goldnes Kalb ist viel zu klein
Für einen Ausgleich: Wer etwas erwirbt,
Ums zu vermehren, dem wird nicht vergeben.

Erich Kykal
02.01.2018, 11:03
Hi Walther!

Hochlyrischer Gedankengang - sozusagen in einem einzigen Rutsch durch! Sehr schön!

Bloß in der letzten Zeile erscheint mir das "ums" zu gemeinsprachlich formuliert, da würde ich "Es zu vermehren, ..." schreiben.

Meine Deutung:

Du beschreibst die Weltsicht von Fanatikern sehr eindringlich. Für sie gibt es nur Schwarz oder Weiß, und wer ihnen nicht folgt, ist ein Feind!

Wer also sündigt, muss sich selbst zum Feind werden, muss sich zerfleischen in Reumut und Verzweiflung - ein Quer- oder Umdenken kommt für so eine rigide innere Einstellung nicht in Frage.
Selbst wenn der Verstand etwas anderes, Größeres WEISS, das so erzogene Unterbewusste schert sich nicht darum und will nur büßen, um wieder geborgen sein zu können in erlernten Gewissheiten elitärer Erkenntnis. So verleiht sich das gefühlt Bedeutungslose Bedeutung selbst über den Tod hinaus ...

Ebenso reagiert die religiöse Gemeinschaft: Wer sündigt und nicht bereut, gehört nicht mehr dazu. Die zelebrierte Lebens- und Lustfeindlichkeit, die stete Selbstgeißelung fordert, verbietet es - die allen Menschen inhärente Gier nach Befriedigung, Vorteil und Anerkennung darf nur innerhalb religiöser Dogmen und Statuten ausgelebt werden, ritualisiert oder kaschiert für ein sauberes, moralisch tragbares Äußeres. Orientiert sich eine soziale Struktur nur an Glaubensdoktrin, wird sie starr, arrogant und grausam, um sich zu erhalten. Definiert sich ein Volk mehrheitlich über religiöse Symbole und Tradierung, werden Fortschritt, Entwicklung und Bildung über das "Gewusste" hinaus zur Todsünde!

Deine Zeilen beschreiben wunderbar so eine Selbstgeißelung innerhalb eines fanatisch empfundenen, allzu tiefen Glaubens, von dem man sich selbst mit hoher Bildung und großem Intellekt nicht immer restlos zu lösen vermag. Wider besseres Wissen will das dumme Gewissen büßen für sündhaft Empfundenes und treibt so den Verstand in den Wahnsinn!

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy