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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ich wünschte mir


Chavali
09.12.2011, 11:01
Ich wünschte mir, dass du erzähltest,
mir, Mutter, von dem großen Glück,
dein Kind zu sein und du erwähltest
an jedem Tag den Augenblick,
mich zärtlich in den Arm zu nehmen,
und mir das wilde Wesen zähmen.

Ich wünschte mir, dass aufmerksam
der Vater anhört meine Sorgen,
und dass er tröstet einfühlsam:
So fühlt' ich mich geborgen.
Doch lange schon deckt stilles Feld
zwei Elternleben - nur das zählt.

ginTon
09.12.2011, 12:57
hallo chavilein,,

Hui, was haben wir denn da wieder interessantes. Ich muss sagen, dass mir der
Klang, wenn man ihn liest wunderbar wirkt.

Ich wünschte mir, dass du erzähltest,
mir, Mutter, von dem großen Glück,
ein Kind zu sein und du erwähltest
an jedem Tag den Augenblick,
mich zärtlich in den Arm zu nehmen,
und mir das wilde Wesen zähmen.
Einerseits durch die Zäsuren und durch die Kadenzen wirkt diese Strophe super
auf mich. Vom Klang finde ich sie sehr gut. Inhaltlich kommt sehr viel Gefühl, jedoch auch der Wunsch eines Kindes zum Ausdruck, dass mehr Kommunikation zwischen Kind und Mutter stattfindet. In der zweiten Strophe wird denke ich die Ursache ausgedrückt.

ich wünschte mir, dass aufmerksam
mein Vater zuhört von den Sorgen,
und dass er tröstet einfühlsam:
So fühlt' ich mich geborgen.
Doch lange schon deckt stilles Feld
zwei Elternleben - nur das zählt.
Inhaltlich ist es eine Fortsetzung der ersten Strophe, wobei der Kern des Kommunikationsproblems auf eine zerrüttete Ehe rückführbar ist, die der Eltern. So oder ähnlich lese ich dies heraus.

Insgesamt ein ansprechend und formal sehr guter Text :)..liebe Grüße ginnie

Chavali
09.12.2011, 16:12
Hui, was haben wir denn da wieder interessantes. Ich muss sagen, dass mir der
Klang, wenn man ihn liest wunderbar wirkt. hi ginnie,

:):):) das freut mich. Inhaltlich kommt sehr viel Gefühl, jedoch auch der Wunsch eines Kindes zum Ausdruck,
dass mehr Kommunikation zwischen Kind und Mutter stattfindet.Nein, lies mal genauer.
Nicht das Kind spricht hier, sondern die erwachsene Frau, die ihre Eltern, besonders die Mutter, vermisst.wobei der Kern des Kommunikationsproblems auf eine zerrüttete Ehe rückführbar ist,
die der Eltern. So oder ähnlich lese ich dies heraus.Die letzten beiden Zeilen lösen alles auf: Die Eltern sind schon lange tot.Insgesamt ein ansprechend und formal sehr guter Text Danke für Interpretation und Lob :)

Lieben Gruß,
chavi

wüstenvogel
09.12.2011, 21:55
Hallo Chavali,

eine traurige Geschichte, die du da erzählst.
Ein erwachsener Mensch, der um seine Eltern trauert, weil so viele Möglichkeiten und Gelegenheiten, sich (noch) näherzukommen
verpasst wurden.
Vielleicht muss dieser Mensch jetzt, in der Weihnachtszeit, besonders oft an seine Eltern denken - an vergangenes und versäumtes Glück gleichermaßen.

Eine kleine Anregung zum Schluss:
Wenn du in der dritten Zeile schreiben würdest:

dein Kind zu sein und du erwähltest

dann wäre klarer, dass das Kind der Mutter gemeint ist und nicht irgendein Kind. Außerdem wäre die Verbindung zwischen Mutter und Kind stärker dargestellt.

Ist nur so ´ne Idee.

Auf jeden Fall ein anrührender Text, der unter die Haut geht.

Liebe Grüße

wüstenvogel

Chavali
10.12.2011, 17:00
Hallo wüstenvogel,Eine kleine Anregung zum Schluss:
Wenn du in der dritten Zeile schreiben würdest:

dein Kind zu sein und du erwähltestdeine Idee habe ich aufgegriffen und geändert.
Die Aussage des Textes wirkt dadurch vielleicht noch intensiver.
Auf jeden Fall ein anrührender Text, der unter die Haut geht.Danke für deine Interpretation und die lobenden Worte.

Es grüßt dich
Chavali

fee
16.12.2011, 10:08
die wünsche einer waise, chavali?


dann wäre es ein sehr leis-gewaltig tragisches gedicht. aber ein wunderwunderschönes!!!!

das stille feld, das schon lange zwei elternleben deckt - ich lese das als friedhofserde.

und den text als erinnerung, dass die eltern schon lange oder zumindest länger spürbar fehlen. auch, wenn lyrICH vermutlich schon erwachsen ist.

wer kennt das nicht, dass er sich auch noch im erwachsenenalter manchmal wünscht, er könnte sich einfach nocheinmal als kind den bürden der eigenen verantwortung entziehen und einfach kind sein und sich geborgen fühlen!

vielleicht geht es auch um das gefühl der einsamkeit, des fehlenden halts von damals... beim auf-sich-selbst-gestellt-sein als kind kann das ja später nicht mehr "nachgeholt" werden. dieser fehlende halt der eltern bleibt immer als leere spürbar in einem. auch, wenn diese später selbst "befüllt" werden kann. es ist nicht dasselbe.




Ich wünschte mir, dass du erzähltest,
mir, Mutter, von dem großen Glück,
dein Kind zu sein, und du erwähltest hier beistrich nach "sein", da der dass-satz sonst nicht weitergeführt wird
an jedem Tag den Augenblick,
mich zärtlich in den Arm zu nehmen,
und mir das wilde Wesen zähmen. das fehlende "zu" geht natürlich metrisch hier nicht mehr hin. fehlt aber für mein gefühl trotzdem. ein klein wenig..."solltst mir das wilde Wesen zähmen" vielleicht?

Ich wünschte mir, dass aufmerksam
der Vater anhört meine Sorgen,
und dass er tröstet einfühlsam: "dass er tröstet einfühlsam" ist ein wenig sperrig. "mich tröstet, leis und einfühlsam" vielleicht? wär m.E. ein wenig runder
So fühlt' ich mich geborgen.
Doch lange schon deckt stilles Feld
zwei Elternleben - nur das zählt.





ja. nur das zählt. denn es ist das, was gewicht hat. in jeder form der bedeutung. geborgenheit, die man vermisst. ein starkes thema für einen starken text!!!


sehr gerne gelesen!

liebe grüße



fee

Chavali
16.12.2011, 21:21
Liebe fee,

mein Herz hüpft vor Freude, einen so schönen und verständnisvollen Kommentar von dir zu bekommen :)die wünsche einer waise, chavali? Ja. Es zeugt vom schmerzlichen Vermissen der Eltern, die stets Geborgenheit gaben[...]dann wäre es ein sehr leis-gewaltig tragisches gedicht. aber ein wunderwunderschönes!!!!Oh, dein lobendes Urteil freut mich wirklich sehr!
Danke dir!

Du hast auch im Laufe deines Kommentars einige Punkte angesprochen, die durchaus der
Intention des LyrI entsprechen :dass er sich auch noch im erwachsenenalter manchmal wünscht,
er könnhte [....] einfach kind sein und sich geborgen fühlen!und hier:...als erinnerung, dass die eltern schon lange oder zumindest länger spürbar fehlen.
auch, wenn lyrICH vermutlich schon erwachsen istDas ist der Punkt, an dem das LI immer stärker das Fehlen der Eltern spürt, was niemand nachvollziehen kann,
bis es ihn selbst betrifft - vielleicht, denn nicht alle fühlen so.ein starkes thema für einen starken text!!! Dass der Text so gut ankommt - damit habe ich gar nicht gerechnet :)

Nochmals meinen allerschönsten Dank.
Mir liegt viel an dem Text, deswegen freue ich mich auch so.


Lieben Gruß,
Chavali

fee
16.12.2011, 23:52
Das ist der Punkt, an dem das LI immer stärker das Fehlen der Eltern spürt, was niemand nachvollziehen kann,
bis es ihn selbst betrifft


ja, so ist es wohl, liebe chavali.

ich kann es nachvollziehen. schon allein deshalb war mir klar, dass dies hier ein herzenstext ist. denn das kann man so nur schreiben, wenn man es eben selbst so kennt und empfindet.

hat also auch bei mir genau ins schwarze getroffen. :)


liebe späte grüße,


fee

Chavali
17.12.2011, 21:48
[...]
ich kann es nachvollziehen. schon allein deshalb war mir klar, dass dies hier ein herzenstext ist.
denn das kann man so nur schreiben, wenn man es eben selbst so kennt und empfindet.

hat also auch bei mir genau ins schwarze getroffen. :)


Danke, liebe fee,
für dein nochmaliges Reinschauen und Bestätigen.
Ich fühle mich verstanden und das ist mir wichtig und es freut mich sehr :)

Lieben Gruß nochmal,
Chavali