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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wetterleuchten


Galapapa
10.07.2011, 10:22
In hohen Wolken ist der Sommertag verschwunden,
das letzte Vogellied im Abendhauch verstummt.
Ganz langsam senkt sich Dunkelheit in diese Abendstunden,
auch kein Insekt mehr, das an Blütenkelchen summt.

Ein grauer Falter sucht den Lichtschein der Laternen,
der Holderbusch in Schwarz erscheint gespenstisch groß.
Die Finsternis beginnt die Farben zu entfernen,
der späte Abend nimmt die Welt in seinen Schoß.

Erlösend legt sich Stille auf den dunklen Garten,
geräuschlos flattert eilig eine Fledermaus.
In warmer Luft kann sie heut guten Fang erwarten.
Die Ruhe breitet ihren stummen Frieden aus.

Das Sternenlicht bleibt unter Wolkengrau verborgen,
nur Wetterleuchten ab und zu von Westen her.
Die Nacht wird lau und schwül bis in den frühen Morgen,
hüllt mich in ihre Schlummerdecke, warm und schwer.

Chavali
10.07.2011, 10:58
Oh lieber Galapapa,


was für ein wunderbares Gedicht!
Die langen Zeilen geben dem Inhalt etwas Melancholisches.
Für sehr gelungen halte ich auch den Kreuzreim, der hier niemals langweilig wird,
da die Reimenden nicht alltäglich zu lesen sind.

Beim Lesen fühle ich mich in die Stimmung versetzt - was kann ein Gedicht Schöneres und Tieferes auslösen.
Am besten gefällt mir Strophe 1:In hohen Wolken ist der Sommertag verschwunden,
das letzte Vogellied im Abendhauch verstummt.
Ganz langsam senkt sich Dunkelheit in diese Abendstunden,
auch kein Insekt mehr, das an Blütenkelchen summt.Mein Kompliment!

Sehr gern gelesen hat mit lieben Grüßen an dich,
Chavali

ginTon
10.07.2011, 12:02
hallo galapapa,

auf mich wirkt der Text sehr expressionistisch und gefällt mir sehr gut. Man kann den Stil, mit dem der Text geschrieben wurde, mit dem Reihungsstil gleichsetzen, auch dies ein Zeichen für expr. Gedichte. Wie gesagt, ich mag
das sehr und denke das dir hiermit:

In hohen Wolken ist der Sommertag verschwunden,
das letzte Vogellied im Abendhauch verstummt.
Ganz langsam senkt sich Dunkelheit in diese Abendstunden,
auch kein Insekt mehr, das an Blütenkelchen summt.

Ein grauer Falter sucht den Lichtschein der Laternen,
der Holderbusch in Schwarz erscheint gespenstisch groß.
Die Finsternis beginnt die Farben zu entfernen,
der späte Abend nimmt die Welt in seinen Schoß.

Erlösend legt sich Stille auf den dunklen Garten,
geräuschlos flattert eilig eine Fledermaus.
In warmer Luft kann sie heut guten Fang erwarten.
Die Ruhe breitet ihren stummen Frieden aus.

Das Sternenlicht bleibt unter Wolkengrau verborgen,
nur Wetterleuchten ab und zu von Westen her.
Die Nacht wird lau und schwül bis in den frühen Morgen,
hüllt mich in ihre Schlummerdecke, warm und schwer.

ein sehr schönes Werk gelungen ist. Es ist sehr dunkelromantisch, betrachtet eine ganze Szenerie und wechselt gekonnt mit der Perspektive. :)

liebe Grüße gin

Galapapa
10.07.2011, 13:06
Hallo Chavali,
"was für ein wunderbareses Lob!" antworte ich Dir.
Seit ich im Ruhestand bin, habe ich Zeit, oft abends in meinem Garten zu sitzen und den Abschied des Tages einfach zu genießen, zu beobachten und mich an all den Dingen in der Natur um mich zu erfreuen.
Was für ein Genuß! Das Wesentliche und wirklich Wichtige wird plötzlich offenbar und man kann eine tiefe Ruhe aus diesem Erleben schöpfen.
Wie schön, wenn es dann auch noch gelingt, all das in Worten auszudrücken und weiterzugeben, Andere teilhaben zu lassen.
Mit herzlichem Dank an Dich und lieben Grüßen!
Galapapa

Hallo gin,
herzlichen Dank auch Dir für Deinen Kommentar und Dein Lob!
Dass Du den Schreibstil als expressionistisch beschreibst, finde ich interessant. Ich habe mir deshalb vorgenommen, impressionistische Gedichte zu lesen. Hoddis, Heym oder Trakl wären da wohl die richtigen Vertreter.
Am romantischen Stil scheine ich nicht vorbeizukommen. Wann immer ich Natur beschreibe, falle ich unweigerlich in diese Ecke, in der ich mich allerdings sehr wohlfühle.
Also, warum nicht? Ich freue mich sehr, dass Dir der Text gefallen hat.
Es ist wundervoll, wenn man sich Zeit nehmen kann, die scheinbar einfachen Dinge um einen herum bewusst zu erleben und zu genießen.
Danke und herzliche Grüße an Dich!
Galapapa

Dana
03.08.2011, 19:14
Lieber Galapapa,

ich denke, ich weiß wohl um die Stimmung, die dich bei diesem Ereignis gefangen hielt und bin froh darüber.;)
Sie hat dich bildreich und übertragen inspiriert, ganz zu meinem Gefallen.:)

Ich stelle fest, dass man Naturgedichte sehr schön in menschliche Stimmungen übertragen kann (was sich zwangsläufig ergibt, wenn man es so betrachtet, dass wir Menschen auch nur ein Teil der Natur sind).
Die Natur zeigt uns auf, wie "plötzlich und unerwartet" ein schöner, leichter Sommertag durch neues, anderes Leuchten Deutungen des Seins vorführen kann.
So wie sich Jahreszeiten über Kapriolen oft entgegengesetzt zeigen, spiegeln sie unser eigenes natürliches Sein wieder.

Dein "Wetterleuchten" sagt mir, dass immer und überall (z.B. im Leben) Dinge, Ereignisse eintreten können, auf die wir uns einlassen sollten oder können - s. Str. 4 Zeile 3 und 4, weil wir sie weder umgehen noch ändern können.
Beobachten wir die Natur und ihre Wetterkapriolen, erfahren wir, dass die Dinge sind wie sie sind. An uns liegt es, diese anzunehmen und mit ihnen zu leben.

Es mag heute an meiner eigenen Stimmung liegen. Ein wenig "düster" und dennoch den Naturabläufen ergeben.

Strophe um Strophe sind in Aussage, Bild und Reim perfekt.
An uns soll es sein, sich diesen Gegebenheiten zu ergeben, um im Fluß zu bleiben.
Möge es uns Naturkindern gelingen. ;)

Mir gefällt dein Wetterleuchten in seiner ganzen Leuchtkraft.

Liebe Grüße
Dana

Galapapa
05.08.2011, 09:20
Hallo Dana,
hab Dank für Deinen lobenden Kommentar und Deine Gedanken unter meinem Text!
In der Tat prägt und bestimmt die Natur unser Leben und Handeln; manche Menschen sind allerdings leider heute nicht mehr in der Lage, dies zu erkennen. Ob Wetter oder Jahreszeiten, ob das Gefühl der Ohnmacht im Angesicht von Naturkatastrophen oder das wundervolle Geborgenheitsgefühl in der Erkenntnis, Teil dieser Natur zu sein, wie könnte man das alles ignorieren.
Hermann Hesse hat in seinem "Siddartha" diese Gekanken und Lebenserfahrungen in einzigartigen Worten ausgedrückt.
Wetterleuchten hat für mich seit meiner Kindheit auch eine besondere Bedeutung. Da meine Mutter ihre Angst vor Gewittern immer auch auf uns Kinder übertragen hat, blieb mir bis heute ein Gefühl der Bedrohung durch nahendes Unheil bzw. -wetter beim Anblick des nächtlichen Leuchtens am Horizont. Und das, obwohl Gewitter für mich heute wahre Naturerlebnisse sind.
Genau das, das Düstere und Bedrohliche am Wetterleuchten, habe ich versucht, in diesem Text mitschwingen zu lassen. In den Werken der großen Romantiker (E.T.A. Hoffmann, Kleist, Eichendorff...) ist es immer wieder diese unheimliche Stimmung, die mich so fasziniert.
Nochmals danke und liebe Grüße an Dich!:)
Galapapa