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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schafskälte


Walther
19.06.2011, 15:27
Schafskälte


Herbstelt leicht der Juniwind,
Stichelt eine Winterahnung
Dir und mir ins Aug, mein Kind?
Eng ist alle Zeitverzahnung,

Reiht sich auf als Glied an Glied
Einer Kette seit Beginn:
Wer war einst der erste Schmied?
Wo führt dieses Streben hin?

Regenbogen, Wolkenspiel:
Böen packen habhaft zu,
Peitschen Bäume ohne Ziel;
Stille bricht herein im Nu,

Atmet einen Herzschlag lang.
Kühle legt sich auf uns ab:
Inne hält der Überschwang,
Den der Frühling allem gab.

Wieder rauscht der Lindenbaum,
Schüttelt seine Blüten aus.
Uns küsst sanft der Todessaum,
Treibt uns in das warme Haus.

Erich Kykal
20.06.2011, 12:30
Hi, walther!

Stark rhythmisch gegliedert durch die kurzen, gerafften Zeilen, klingt es im ersten Moment fast wie ein Auszählreim. Erst auf den zweiten, sich vertiefenden Blick erkennt man die lyrische Qualität dieser Verse.
Die Diskrepanz zwischen dem fast melancholischen Inhalt und der scheinbaren "Kurzatmigkeit" der Strophen verschafft dem Ganzen an sich eine seltsam zwischenweltliche Qualität, lässt das Werk fast surreal wirken. Das ist viel gekonnter, als es zuerst mal den Anschein hat!

Sehr gern gelesen und hoffentlich verstanden!

LG, eKy

Walther
20.06.2011, 19:45
Lb. Erich,

danke für Deine lobenden Worte, die ich gerne, da aus berufenem Munde, lese und mich sehr darüber freue.

In der Tat war meine Absicht, zugleich einen Auf- und einen Abgesang auf die deutsche Romantik zu schreiben. Das mag nicht ganz gelungen und nicht für jeden erkennbar gewesen sein. Du hast das Ganze, was ich versuchte, anklingen zu lassen, jedoch wunderbar durchschaut. ;)

Wenn es Dir gefallen hat, dann war (und ist) es gut (genug für mich). :) Als Feierabenddichter ist man klug beraten, mit jedem kleinen Lob zufrieden zu sein. Denn mehr wird es nicht geben. :D

Frohes Dichten und Werken!

LG W.