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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erkenntnis


Leier
13.02.2009, 14:57
Der Thron des Geistes: Eine Schädelstätte.
Vergangnes auf Vergessnem aufgebaut,
am Rande eines Abgrunds Glätte,
in dessen Tiefe nie ein Lebender geschaut,
nur der Allmächtige.

Der Hort des Wissens: Nur ein Hünengrab,
Gedachtes auf Zerfließendes gegründet,
dem Zeit unzählbar viele Namen gab,
von Zweiflern wie von Wissenden verkündet
als jenes Prächtige,

das unsern Weg benennen sollte.

Der Schöpfer grollte.

DerKleinePrinz*
13.02.2009, 16:16
Hallo cyparis :)

Ich schleiche schon die ganze Zeit um dein Gedicht und zerbreche mir den Kopf darüber. Ich bitte dich, nein - du musst mich schnellstmöglich aufklären was du mit deinen Zeilen meinst, sonst platzt mein Kopf ;)

Ich versuchs trotzdem mal:

Der Thron des Geistes: Eine Schädelstätte.


Der Thron, der Sitz eines Herrschers, Menschen, die ganz oben sind - viele Menschen Wollen sich auf ihn setzen. Hier ist es der Thron des Geistes, alle wollen zu absoluten Weisheit gelangen, wollen Erkenntnisse gewinnen - aber sie scheitern, deshalb eine Schädelstätte.

Vergangnes auf Vergessnem aufgebaut,
in dessen Tiefe nie ein Lebender geschaut,
nur der Allmächtige.


Ich komme hier mit der ersten Zeile nicht klar und finde keinen Interpretationsansatz. Die andere beiden Verse würde ich so deuten, dass nur Gott Zugriff auf dieses absolute Wissen hat, nachdem wir alle streben. Vielleicht erreicht man diese Stufe nach dem Tod? So zumindest deute ich die zweite Zeile.

Der Hort des Wissens: Nur ein Hünengrab,
Gedachtes auf Zerfließendes gegründet,
dem Zeit unzählbar viele Namen gab,
von Zweiflern wie von Wissenden verkündet
als jenes Prächtige,

das unsern Weg benennen sollte.

Der Schöpfer grollte.

Meinst du es so, dass es immer wieder Menschen gegeben hat und geben wird, welche den anderen die vermeintliche Weisheit propagieren wollen? Z.B. irgendwelche Gurus oder Führer, oder überhaupt alle die uns den Weg weißen und und beeinflussen wollen?

Ich würde mich da lieber an Hesses Siddharta halten, da wird gesagt, dass Weisheit nicht vermittelt werden kann, sondern jeder muss sie für sich selbst finden.

Schwere Kost cyparis :eek:
Der Kleine Prinz* (natürlich wie immer auch mit Lieben Grüßen)

Leier
13.02.2009, 18:47
Guten Abend, Prinz!

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar.
In meinem Text sehe ich keine Unklarheit:

Standest Du nur ein einziges Mal vor einer Schädelstätte, erkennst Du, daß von vielen Geisteswissenchaftlern nichts übrig bleibt als Gebein. Perdu der Geist, der den Schädeln innewohnte.

Die zweite Strophe beginnt mit meiner Schlußfolgerung:
"Nichts Neues unter der Sonne", auch wenn heliozentrische Erkenntnis etwas weiterführte. (das "cui bono" ist mit NASA ab adsurdum geführt worden):

Strophe #3 dürfte klar sein:

Jeder Philosoph gab seiner Sicht einen Namen (oder er wurde namentlich mit einer Philosopie identifiziert), übrig blieb nichts außer bedrucktem Papier (Gutenberg sei gelobt!).
Jeder glaubte, auf einem vorherigen (Philosophen oder philosophischen Gerüst) aufzubauen.
Keine wirklich schlüssige Erkenntnis, geschweige denn Weisheit.
Zumindest d a s hat mir Lichtenberg, der lustige Philosoph, beigebracht.


Ob Gott wirklich grollte? Ich bezweifle es.
Da universell gesehen die Erde nicht mehr als ein Atom (eines Flohdreckes) ist, sollte man weder die Philosophen noch mich allzu ernst nehmen.

Lediglich Platon (mit seiner "Tischheit") und Heidegger ( Geworfensein) haben mich erbost.

"Weisheit", wie Du sie meinst, müßte erstmal definiert werden.
Ob man sie dann finden kann, ist fraglich.

Siddharta von H. Hesse konnte mir selbst keinen Weg weisen.

Aber ich finde es schön, daß Du in dieser bradykonischen Entität den Weg zu mir gefunden hast!

Lieben Gruß
vom
philosophisch ungeschulten
cyparis

DerKleinePrinz*
13.02.2009, 19:20
Hello again :)

In meinem Text sehe ich keine Unklarheit:


Nun, das liegt wohl daran, dass du ihn geschrieben hast *grins*

Standest Du nur ein einziges Mal vor einer Schädelstätte, erkennst Du, daß von vielen Geisteswissenchaftlern nichts übrig bleibt als Gebein. Perdu der Geist, der den Schädeln innewohnte

Was ist eine Schädelstätte?
Wenn ich mich im Internet umschaue bekomme ich folgende Erklärung:
Dies ist ein Hügel außerhalb Jerusalems. Hier wurde Jesus gekreuzigt. Der Hügel ist benannt nach seiner kopfähnlichen Form. Der alte aramäische Name ist Golgatha. Das bedeutet Haupt oder Schädel. Dies ist die deutsche Bezeichnung.

Das kannst du sicherlich nicht meinen, da du von mehreren schreibst.
Du meinst sicherlich einfach ein Grab eines Geisteswissenschaftlers bzw. eines Philosophen, oder?

Jeder Philosoph gab seiner Sicht einen Namen (oder er wurde namentlich mit einer Philosopie identifiziert), übrig blieb nichts außer bedrucktem Papier (Gutenberg sei gelobt!).


Das ist, wenn ich das so sagen darf, falsch. Du bist hier der Meinung, dass alle geistigen Errungenschaften der Philosophen im Sande verliefen.Das kann man an vielen Beispielen widerlegen. Das einfachste Beispiel ist wohl der Kommunismus. Diesen hätte es ja ohne Marx und Engels garnicht gegeben. Und den hätte es auch ohne die ganzen anderen Philosophen garnicht gegeben, denn wie du schon richtig sagst, bauten und bauen die Philosophen auf dem Fundament der anderen auf. Bei Engels und Marx war das Fundament vorallem Ludwig Feuerbach und Hegel. Somit hat jeder einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft gehabt und hat sie nich heute.

Keine wirklich schlüssige Erkenntnis, geschweige denn Weisheit.


Die Weisheit zu finden verlangt denke ich keiner, aber schlüssige Erkenntnisse gab es zur genüge. Um bei Marx und Engels zu bleiben, die haben die Methode der Dialektik entwickelt, damit war der Idealismus überholt, ich denke schon das man solche Errgungenschaften als schlüssige Erkenntnisse bezeichnen kann.

Ob Gott wirklich grollte? Ich bezweifle es.
Da universell gesehen die Erde nicht mehr als ein Atom (eines Flohdreckes) ist, sollte man weder die Philosophen noch mich allzu ernst nehmen

Ernst nehmen sollte man nie etwas, nur wichtig. ;)

Liebe Grüße
Der Kleine Prinz*

Leier
13.02.2009, 23:03
Lieber Prinz,

um mal Marx und Engels zu nennen:
sie waren keine Philosophen.
Sie sahen sich - falls ich nicht irre - als Weltverbesserer im praktischen Sinn.
Aber ich bin jetzt nicht mehr so auf der Höhe, daß ich Dir noch qualifiziert antworten kann.
Laß es mich auf später verschieben.
Ich nehme es ernst und wichtig.

Lieben Gruß
bis später
von
cyparis

Chavali
14.02.2009, 08:40
Liebe cypi, lieber Prinz,

mit Interesse habe ich euren Dialog verfolgt.
Sollte dein Text, cypi, einen religiösen Inhalt haben - wovon ich ausgehe - dann kann ich nicht wirklich etwas dazu sagen.
Ich empfinde nur, dass das hier mit Philosophen und Philosophenerkenntnis zu tun haben muss,
das man ohne Vorkenntnis nicht entschlüsseln kann.
Nun kannst du fragen, warum schreibst du denn überhaupt hier, dann antworte ich:
Weil mich auch solche Texte interessieren, wenn ich auch nicht alles verstehe.
Auf jeden Fall bin ich beeindruckt.


Lieben Gruß,
katzi

Leier
15.02.2009, 09:01
Liebe Supikatzi,

in der Philosophie und mit den Philosophen kenne ich mich überhaupt nicht aus.
Ich hab mir eine eigene Feld-Wald-Wiesen-Philosophie gebastelt, mit der ich gut zurechtkomme. Ich mach mir ja auch meine Gedanken.
Nein, mit Religion hat es eigentlich nichts zu tun, höchstens mit dem vagen Glauben an einen Schöpfer(geist).

Aber ich freue mich, daß ich Dich habe beeindrucken können.

Lieben Sonntagsgruß
von
cyparis

Alive
22.02.2009, 09:17
Gern gestehe ich jedem Umgang den persönlichen Ausdruck zu.

Was mich (nur persönlich) betrifft, empfinde ich diese altdichterische Wortwahl als aufgewärmt.
Die Theatralik kommt zwar somit bestens rüber,
doch ist für mein Empfinden die Zeit auf anderer Ebene.

Mein Denken ist:
Literatur wahrnehmen und verarbeiten.
Eigene Gedanken jedoch zeitgemäß umzusetzen.

Nicht nur das wirklich Nette
kommt aus der Schädelstätte.

Aber das wissen wir ja längst...


Profankritik?
Vielleicht.
Meine Intention liegt im Vergleich.

Alive

Leier
22.02.2009, 11:52
Lieber Alive,


fein hast Du es ausgedrückt.
Aber ich wärme lieber die altdichterische Wortwahl auf als altbackene Brötchen.
Dein "zeitgemäß" ist nicht mein "zeitgemäß", weil mein Stil auch dann noch apres-garde sein wird, wenn ich mich mit Krämpfen um einen neuen bemüht habe (n werde).
Deine Kritik ist keinesfalls profan, wenn ich das Wort mit "alltäglich" übersetze.
Sie ist aufs Feinste ehrlich und geradeaus - das mag ich!

Lieben Sonntagsgruß
von
cyparis

Erich Kykal
24.02.2009, 07:44
Hi, cypi!

Wow! Was immer du am meiner Arbeit zu loben findest, DU brauchst dich sprachlich nicht dahinter zu stellen!
Ein sehr gekonntes Meisterwerk aus deiner Feder! Beide Str. sind von verbaler Eleganz, formal wie inhaltlich zielsicher ausformuliert!
Der Conclusio kann ich mich leider aus Gründen meines "subjektiv gesunden Menschenverstandes" nicht anschließen - ich glaube nicht an "höhere Wesen", und sollten sie existieren, sehe ich nicht ein, warum ich sie anbeten sollte, nur weil sie "größer" sein sollen als ich - was immer das heißen soll...
Aber kümmere dich nicht um den Argumentekanon eines alten Spötters! Dein Gedicht ist wunderbar!

LG, eKy

PS: Schon gelesen? "Das Leben der Wunder" in dieser Sparte?

Lena
24.02.2009, 08:42
Liebe Cyparis

Hab mich im "Netz und Büchern rumgetrieben.
Und sah alsbald die Lösung auf der Hand.
Gern lasse ich Gedanken wieder fliegen,
geb sie zurück, und sage Vielen Dank.

Deine Sprache erscheint mir wie immer sehr gewaltig und ausdrucksstark.

Jetzt, nachdem ich die Kommentare gelesen habe, will ich noch ein bisschen auf Spurensuche gehen.

Es war mir wie immer ein Vergnügen in deinem Faden zu verweilen.

Liebe Grüße in deinen Tag wünscht dir

Lena :)

Leier
25.02.2009, 16:05
Liebe Lena,

hab herzlichen Dank für Deinen positiven Kommentar.
Ich freu mich immer, wenn ich "Lena" sehe, dann weiß ich, daß es mir nicht an den Kragen geht.


Lieben Gruß
von
cyparis

Dana
25.02.2009, 20:56
Liebe Cypi,
alles, was der Mensch denkt und erdenkt, bleibt neuen Erkenntnissen unterworfen, unterstellt.
So verstehe ich dein sprachlich gewaltiges Gedicht und reihe mich in diese Betrachtung gern ein.
Viel Großes und Eingehendes ist gedacht und geschrieben worden.
Zu deinem Gedicht griff ich nach einem Buch, das mich schon vor langer Zeit sehr mitgenommen und durcheinander gebracht hat:
"Die philosophische Hintertreppe" von Wilhelm Weischedel. Darin werden in Kurzfassung 34 große Philosophen im Alltag und Denken beschrieben und zitiert.

"Sich mokieren über die Philosophie, das heißt wahrhaft zu philosophieren" (Pascal)

Kurz vor'm Sterben sagte Thomas von Aquino: "Ich kann nicht mehr; von dem, was ich gesehen habe, erscheint mir alles, was ich geschrieben habe, wie Spreu."

Und einer sagte, (ich finde es auf die Schnelle nicht):
"Um nach der Wahrheit und nach dem Ziel zu suchen, müssten wir doch zuerst wissen, was die Wahrheit und wo das Ziel ist."

Für mich ist alles ungeheuer spannend. Um es auszuhalten, akzeptiere ich, dass wir zwar großartig denken dürfen und vielleicht auch können - aber uns stets bescheiden sollten, nichts zu wissen. (Wer war das?;))

Ich habe dein Gedicht nicht übersehen. Du siehst, was es mir angetan hat, danke.

Liebe Grüße
Dana

Leier
25.02.2009, 21:20
Liebe Dana,

das war Sokrates (ouda eideän eidäs - oder so ähnlich)=
Ich weiß, daß ich nichts weiß.

Wie ich auch. Deswegen auch mein Widerspruch gegen Prinz, denn Weisheit ist immer noch nicht endgültig definiert.

Lieben Gruß
von
cyparis