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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nach Troja – daktylischer Hexameter


Walther
15.07.2010, 22:45
Nach Troja


Nach Troja so stand mir der Sinn / als wären da Seelen zu retten
Es müssen sich Zeiten verketten / Odysseus der Held starb dahin
Drum trage mich Sprache zum Ort / wo Griechen die Welten besangen
Es heißt es gäb Verse zu fangen / die klängen selbst stumm immerfort
Ich rufe die Wolkenäonen / und weihe mich selbst ihrem Wehn
Die Grenzen des Wissens zu sehn / will ich alle Winde bewohnen
Die Stadt und ihr Erdkreis zerstört / in Tiefen des Denkens vergraben
Die Schätze leichthändig zu haben / die Augen sind gerne betört
Sind Weise vergangen und tot / ihr Werk aber nur noch ein Ahnen
Vergebliches Warnen und Mahnen / der Tagschatten färbt sich schon rot
Als läge in Troja der Sinn / und wären auch Seelen zu retten
So müssen sich Verse verketten / und Streben im Sterben entfliehn

Lord Skarak
17.07.2010, 16:25
Zunächst schreibe ich die Verse der Einfachheit halber in ihrer durch die Schrägstriche und Reime suggerierten Gliederung:

Nach Troja so stand mir der Sinn
als wären da Seelen zu retten
Es müssen sich Zeiten verketten
Odysseus der Held starb dahin

Drum trage mich Sprache zum Ort
wo Griechen die Welten besangen
Es heißt es gäb Verse zu fangen
die klängen selbst stumm immerfort

Ich rufe die Wolkenäonen
und weihe mich selbst ihrem Wehn
Die Grenzen des Wissens zu sehn
will ich alle Winde bewohnen

Die Stadt und ihr Erdkreis zerstört
in Tiefen des Denkens vergraben
Die Schätze leichthändig zu haben
die Augen sind gerne betört

Sind Weise vergangen und tot
ihr Werk aber nur noch ein Ahnen
Vergebliches Warnen und Mahnen
der Tagschatten färbt sich schon rot

Als läge in Troja der Sinn
und wären auch Seelen zu retten
So müssen sich Verse verketten
und Streben im Sterben entfliehn

Du hast hier ein interessantes technisches Konzept ausgearbeitet. Eine Art hybrides Versmaß. Es ist eine interessante Idee, die Zäsur, welche in der Mitte des Hexameters steht, als Sockel für einen Endreim zu gebrauchen. Allerdings wird Dir klar Sein, dass es sich bei keinem Deiner Grundverse tatsächlich um einen Hexameter handelt. Sie beginnen bei Dir ausschließlich unbetont und haben teilweise männliche Kadenzen. Das fällt natürlich stark aus dem Konzept, sodass ich anfangs überlegte, ob Du vielleicht das hexametrische Versmaß spiegelverkehrt angewandt hast. Allerdings war das ja auch nicht möglich, da diese Verse durchaus auch weibliche Kadenzen besitzen.
Ansonsten ist aber ein gut einheitliches Versmaß zu erkennen, insbesondere in der von mir gegliederten Form dürfte das Ersichtlich werden. Eine Abweichung findet sich dann in der "Strophe 3", wo die beiden inneren Verse betont enden. In allen anderen ist es umgekehrt. Auch wird sich vielleicht mancher Betrachter daran stören, dass bei

will ich alle Winde bewohnen

um das Versmaß einzuhalten "ich" (ein Einsilber) betont werden müsste und des Weiteren "alle" auf beiden Silben unbetont stände, was eigentlich eher unüblich ist bei deutscher Metrik. So habe ich in Foren aber schon so manchen Dichter ihre Hexameter schreiben sehen. Ich denke es liegt daran, dass sich in solchen speziellen Fällen das Sprachgefühl und der Lesefluß nicht sonderlich "verletzt" fühlen, wodurch der Dichter diese Unfeinheit vielleicht selbst nicht bemerkt wenn er schreibt, weil er sehr in diesem trabenden, daktylischen Rhythmus denkt. Dasselbe gilt für "ihr Werk aber nur noch ein Ahnen", genauer "ihr Werk aber".

Inhaltlich ein sehr... abstrakter, vielleicht sogar surrealistischer Text. Es werden Zeiten und Verse zu Ketten, Verse sind auch "fangbar", Winde werden bewohnt, es gibt "Wolkenäonen". Hm. Ich muss jetzt aber los. Mit dem Inhalt setze ich mich, sofern es kein anderer eingehend tut, in meinem nächsten Kommentar auseinander (oder in einem Anhang den ich dann diesem hier hinzufüge).

Auf den ersten Blick macht es den Eindruck, vielleicht in der Kategorie Experimentelles besser aufgehoben zu sein, obwohl ich mir bei dem Rhythmus der im Lesen entsteht auch sehr gut eine Form von gleichförmigem "Mantra summen" vorstellen kann, wozu sowohl die kryptische Bildsprache wie auch die Kategorie "Spirituelles" gut passten.

Liebe Grüße,
Skarak

Blaugold
17.07.2010, 16:58
Hallo Walher

Auch ich sehe in deinem Text keinen daktylischen Hexameter. Deine Verse haben haben zwar jeweils sechs Betonungen, ok, doch beginnt ein Hexameter (und ebenso ein Daktylus) nicht betont, also Xxx, und endet weiblich ?
In gewisser Weise allerdings schon hexametrisch, wenn man die klassischen Vorgaben variiert. Und das hast du wohl gemacht.

der jeweils ungerade (1,3,5, usw.) Vers jeder Strophe sind
(x)XxxXxxX/xXxxXxxXx und dementsprechend bis auf die unbetonten Auftakte daktylisch/hexametrisch.

Ich anerkenne die große Muse, die du vermutlich für solchen Zeilen aufgebracht hast, denn formal, abseits vom klassischen Hexameter, sind sie durchaus gelungen. Inhaltlich finde ich nicht so recht ein Verständnis. Ich gestehe, dass mir dazu wahrscheinlich aber auch grundsätzliches Wissen über Troja fehlt, so dass ich deine gewählten Bezüge schwerlich herstellen kann.


Blaugold

Walther
20.07.2010, 18:02
Hallo, werter Lord! :)

Wie man dem Web http://de.wikipedia.org/wiki/Hexameter entnehmen kann, ist mein Versmaß eine etwas geänderte Version des Hexameters, den ich alexandrinisch abgeschmeckt, mit Binnenreim gewürzt und einem gschlamperten Auftakt versehen habe:

xXxxXxxX(x)/xXxxXxxX(x) (Walther Version)
XxxXxxXxxXxxXxxXx (korrekte, katelektische Version)
xXxXxX/xXxXxX(x) (jambischer Alexandriner)

Ich war vielleicht mit der Einordnung etwas vorschnell. Jedenfalls gefiel mir das Ergebnis dieser gezielten "Schlamperei". Man könnte das natürlich auch in "Experimentelles" packen. Aber hier schien mehr Publikum zu sein. :D

Danke für Deinen lieben Eintrag und Deine Nachsicht mit der Formvariante. Auch danke ich für Deine innovative Umgestaltung. Sie raubt dem Text aber einen Teil des Spaßes, ihn geschrieben zu haben (und auch ein wenig (Vor-)Lesevergnügen).

LG W.

Lb. Blaugold,

Du siehst, daß mir die "Schwäche" des Versmaßes, nämlich, daß es nicht ganz "korrekt" ist, klar und deutlich war und ist. Nun greife ich gerne einmal in die Schatulle der Klassik und hole etwas raus, was ich hernach ein wenig "ramponiere". Das wird nicht etwas, diesmal schien es aber vom Rhythmus her interessant genug, es zu "veröffentlichen".

Zum Inhalt: Das ist eine meine Collagen, in die ich Teile auf der Odyssee aber durchaus auch aus anderen Quellen zusammengefügt habe. Angesprochen sind durchaus moderne Phänomene, wenn man sich auf die Bilder und ihre Assoziationen einläßt. Nun muß die Absicht des Dichters nicht auf die Projektionsfläche beim Leser passen. An und für sich sollten die Bilder sich auch ohne exakte Kenntnis der Odyssee erschließen können. Wenn nicht, trägt allein der etwas spinnerte Autor dafür die Schuld.

Danke und Gruß W.