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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Denke


Leier
03.01.2010, 15:01
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Denke!


Den Hammer hab ich mir gerichtet.
Den Schreiber greife ich von hinten an.
(Nur wenig ist in meinem Faß geschlichtet).
Mich hält ein dumpfer Hunger fest im Bann.

Ich bin der gute Mann von nebenan.
Ich will auch keinen leiden sehn.
Es ist, daß ich nicht anders kann,
zuviel Hunger war mir einst geschehn.

Zähne hab ich zur Genüge:
So etlich Hundert mögens sein.
Daß ich Gewicht genaustens wiege:
D e r Unterschied muß doch gewogen sein.

Häutig mach ich mir die Senkel.
Dazu brauchts ganz besondere Geduld.
Es dient dazu nur Oberschenkel.
Ich eß so gern. Das ist nicht meine Schuld.


Bin ich zu dumpf?
Auch ich bin Gottes Kind.
Ich bin zu gierig und zu stumpf.
Nur manchmal zuckts in mir:"Sünd!".

Ich laß Euch meinen alten, groben Leib.
Vors Volk will ich nicht treten,
Komm Euch zuvor. Häng hie mit meinen Gräten.
Damit ich nie mehr hungrig bleib.


.

(Hunger ohne sexuelle facon)

Seeräuber-Jenny
05.01.2010, 11:54
Ahoi Leier,

ein rätselhaftes, ein schauriges Gedicht!

Ich würde es so interpretieren, dass du versuchst, die Handlungen eines Täters plausibel zu machen. Etwa ein Kannibale? :eek: Und das Volk - ruft es: "Stecht das Schwein ab"? Und der Täter kommt der Lynchjustiz mit seinem Suizid zuvor?

Vielleicht liege ich mit meiner Deutung auch komplett daneben.

Jedenfalls bekomme ich bei der Lektüre eine Gänsehaut.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

Leier
05.01.2010, 12:09
Liebe Seeräuber-Jenny -


ja, "Papa Denke" war ein völlig unauffälliger Mann.
Allzeit hilfsbereit und bei den Nachbarn dieserhalb sehr beliebt.
Arbeitslos. Ohne irgendwelche Einkünfte, die seine Existenz gesichert hätten, und immer kurz vor dem Verhungern.

Bis er auf die Idee kam, durchreisenden Wanderburschen ein kostenloses Nachtlager anzubieten. Ihnen (zuerst) die Habseligkeiten zu entwenden.
Danach:
Er wurde aus Not, nicht aus Sadismus, zum Kannibalen.
Seinen Opfern hat er nicht in die Augen sehen können.

Erhängt hat er sich m.E., weil er seine grausigen Taten nicht ausgebreitet sehen wollte (also aus einem ethischen Restempfinden heraus) oder weil er dem Fallbeil zuvorkommen wollte.
Ein tragischer Fall, der einmal mehr zeigt, daß Not zum Schrecklichsten zwingen kann, sofern auch ein archaisches Grundempfinden erhalten blieb.

Lieben Gruß
(s e h r vegetarisch!!)

von
cyparis