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a.c.larin
17.12.2009, 07:56
Alle Jahre wieder schleicht sie in Windeseile und schier lautlos an uns heran: jene Zeit der Herstellung und des Verzehrs traditionellen Backwerks in vielerlei Gestalt.
Vor Weihnachten muss es im Haus nach etwas duften – andernfalls
läuft etwas fehl – zumindest für meine Nase, und die hab ich schon, seit ich ein Kind war.
Ich meine, da gibt es gewisse Erinnerungen, die genau knapp oberhalb der Nasenwurzel bei mir eingespeichert sind und die die Assoziationskette „Weihachten“ hervorrufen.
Auch wenn die Halbwertszeit besagter Kunstwerke mitunter kaum den Advent übersteht – so gut kann man Kekse gar nicht verstecken! –lohnt es doch, die alten Traditionen hochzuhalten, eben wegen jener schon genannten Assoziationsketten, deren anheimelnde Wirkung nicht zu unterschätzen ist für das mitwinterliche Wohlbefinden.
Weihnachten – wer hätte da nicht so die eine oder andere nette und berührende Erinnerung bei sich vorgefunden…? Weihnachten ..!.
Also – her mit dem Kochbuch und – was backen wir denn heute?

Traditionellerweise kenne ich persönlich zwei Sorten Kekse,
die mir am weihnachtlichsten anmuten: Lebkuchen und Vanillekipferln. Also, ohne die geht es ja schon gar nicht!
Dann schon lieber keinen Baum heuer – kann man eh nicht essen und nadeln könnte er ja schließlich auch – aber Vanillekipferln, Vanillekipferln, das Herzstück der Andacht und Besinnlichkeit im Advent….
Man könnte zwar meinen, ich wäre bloß verfrssen, aber meistens bringe ich nach dem Weihnachtskarpfen oder der Weihnachtsgans eh kaum noch Gebäck unter – nach drei Wochen Advent gibt es ein gewisses Sättigungsgefühl, aber, was sein muss, muss sein: Vanillekipferln müssen gebacken werden!
Sonst "stimmt" Weihnachten nicht!

Ich bin interessanterweise nicht der einzige in unserer Familie, für den bestimmte Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu sein haben. Auch mein Mann ist überzeugter Vanillekipferlianer, allerdings die mehr militärisch genormte, technisch mir in jeder Hinsicht überlegene Variante.
Und das geht so:
„Bäckst du Weihnachtskekse?“, fragte er, freudig erregt, als er des Abends die Wohnungstür öffnete und sich ihm ein sanftwarmer Wohlgeruch bereits gebackener Köstlichkeiten entgegenschlängelte.
„Darf man kosten?“ ergänzte er noch, mir ein Küsschen auf die Wange drückend und gleichzeitig nach den noch auf dem Backblech liegenden Keksen angelnd, was zwei von ihnen nicht überlebten.

„Ja ,“ antwortete ich, „Ich muss jetzt nur noch die Vanillekipferln backen, dann bin ich für heute fertig.“
„Ah, gut, “ murmelte er, mit zwei Keksbröseln an der Unterlippe,
„aber mach sie nicht wieder so riesig wie im letzten Jahr, das war’n ja
richtige Bumerangs, so was kann man ja gar nicht essen. Meine Mutter hat sie immer so schön zierlich und klein gemacht, “ ergänzte er noch, während er sich den Mantel und die Winterstiefel auszog.

Ich wollte ihm schon, leicht verärgert und in Verteidigung des von mir geformten Backgutes, eine Entgegnung hinterher schleudern, da aber besann ich mich dann doch des Weihnachtsfriedens, seufzte nur und meinte einlenkend: „Ja, dann hilf mir halt beim Kipferlmachen und zeig mir, wie es richtig geht.!“
Der Männer Wille ist ihr Himmelreich!
Und außerdem: Welche Ehefrau ist schon jemals über den Schatten ihrer Schwiegermutter gesprungen. Na? Na eben!

So also kam es, dass wir wenig später beide in der Küche standen und vor uns hinwerkten – man soll ja gemeinsame Interessen pflegen in der Ehe. Die Obsorge über die Gestalt der heurigen Vanillekipferln hatten wir also nun beide, das heißt er, mein Mann hatte sie, und ich hatte ihn! In der Küche.

Generalstabsmäßig, zielstrebig, durchdacht und genau kalkulierend,
begutachtete er den Teig und meinte dann skeptisch: “Hast du den Teig im Kühlschrank gehabt?“ „Klar doch,“ antwortete ich selbstbewusst,
„so stand das doch im Rezept! Oder war das etwa das andere ?“
Ich hatte an diesem Tag auch Linzeraugen gebacken. Egal, kein Mensch kann sich schließlich alles merken!
„Der Teig ist zu kalt, “ stellte er mit strenger Miene fest und zerbröselte dabei eine Teigwulst zwischen Daumen und Mittelfinger,
„Möglicherweise stimmt ja auch die Konsistenz nicht.“

„Ich habe es nach dem Rezept deiner Mutter gemacht,“ zischte ich zwischen gepressten Lippen hervor, „diese Konsistenz muss stimmen!“
„Dann brauche ich wärmere Hände, “ antwortete er heiter gelassen und drehte auch schon am Warmwasserhahn, „und ein bisschen mehr Kneten wird bestimmt auch nicht schaden.“
Also knetete er, erst mit Kraft dann mit Hingabe, dann mit Fingerspitzengefühl.
Ich beneidete insgeheim den Kipferlteig um die ihm angediehene Aufmerksamkeit und wünschte mir für später eine ähnliche Behandlung, sah aber gleichzeitig meinem Mann sehr aufmerksam zu, jeder Zoll eine gelehrige, wissbegierige Schülerin, zumindest dem Anschein nach.

„So,“ sagte er, zufrieden mit sich und der Welt, „Jetzt ist der Teig ein Teig.“ Ich fragte mich im Stillen, was der Teig vorher gewesen war, zog es aber aus strategischen Gründen vor, mich besser nicht danach zu erkundigen. Hätte ja sein können, dass es dann für irgendeinen von uns beiden nicht gut ausgegangen wäre!
Leise vor sich hinsummend begann meine bessere Hälfte mit dem Formen der Vanillekipferln. Er schnitt sich mit dem Messer eine Teigwulst aus der großen Kugel, rollte sie ein wenig in die Länge und teilte sie wiederum in mehrere, kleinere Stücke.
„Man darf hier nicht zuviel Teig auf einmal nehmen, “ erklärte er mir dabei in rücksichtsvollem Ton, „und drück sie auch nicht so fest in der Mitte, sonst zerbröseln sie.“
Ich rollte und drückte also nur wenig, mit dem Ergebnis, dass ich zwei dickere Enden zustande brachte und eine etwas dünnere Mitte.
„Was ist das?“ fragte mein Mann und verwies das Produkt meines Bemühens in den Bereich Experimentalphysik. Vor ihm lagen bereits drei exakt geformte, kleine Kipferln auf dem Brett, die , in der Mitte dicker, die Enden spitz zulaufend und einen korrektem Neigungswinkel bildend, fast boshaft zu mir herübergrinsten. Ich steckte mir meinen missratenen Teigbatzen sofort in den Mund und begann von neuem, die erläuternden Worte meines Schatzes nicht außer acht zu lassend: “Du musst die Spitzen besser zueinander drehen, sonst werden die Kipferln beim Backen wieder gerade. Und drück sie nicht so fest auf das Blech.“

Ich seufzte, formte eine kleine Wurst, drückte die beiden Spitzen besser zueinander, wobei ich dem Kipferl das Rückgrat brach und gab anschließend das Produkt nicht aufs Blech, sondern gleich wieder zurück in die Ausgangsposition. Wie machte er das nur?
Mittlerweile hatte er schon zwei Reihen Kipferln fertig und begann damit das Backblech zu belegen.
Ich ließ nicht locker – denn schließlich habe auch ich meinen Hausfrauenstolz und so etwas wie eine Küchenehre zu verteidigen und formte ein neues Kipferl, diesmal unter Aufbietung aller Konzentration und Hingabe, deren ich noch fähig war.
Das Ergebnis sah wirklich gut aus und zerbröselte ausnahmsweise nicht gleich auf dem Brett, nur, als ich es auf das Backblech zu seinen teigigen Brüdern legte, konnte man eines klar erkennen: Es erfüllte die Einwanderungsbestimmungen für Vanillekipferln noch nicht einmal im Mindesten!
Ich war bei meiner Maxima / Minima -Berechnung der beiden Achsschenkel vielleicht zu sehr nach dem pythagoräischen Lehrsatz vorgegangen, hatte eventuell die Eulersche Gerade nicht mit einkalkuliert oder die Berührungsbedingungen der Kipfelzipfel durch falsche Interpolation der Grenzwerte in ihrer Funktion beeinträchtigt, wodurch die Kongruenzsätze verschiedener Axiome kaum eine Affinität zum Begriff „Vanillekipferl“ entwickeln konnten……keine Ahnung, was da passiert war, diese ganze Kurvendiskussion war jedenfalls ein einziger Jammer, und entnervt gab ich auf und fügte mich geschlagen, aber um eine Erkenntnis reicher, in mein unabänderliches Schicksal…….
Seitdem bäckt in unserem Haus nur noch mein Mann die Vanillekipferln und er tut das gerne und gut und mit großer Leidenschaft, regelmäßig, exakt und genau.
Es ist ihm ein Leichtes, ich weiß auch nicht, wie er das macht.
Aber ich verzeihe es ihm.
Schließlich und endlich hat er mich ja auch so gut hingekriegt…..

Klatschmohn
17.12.2009, 17:01
Liebe Larin,
witzig zu lesen Dein Ausflug in die Weihnachtsbäckerei. Schön beim Lesen habe ich alles gerochen.
Ich habe auch einen Vanillekipferlabhänigen in unserer Familie. Die Eltern meines Mannes fühlten sich als Östereicher. Nach zwei missglückten Versuchen habe ich dann allerdings aufgegeben und mein Mann hat es nicht, wie Deiner, in die eigenen Hände genommen.
Ich persönlich mag sie nicht, wahrscheinlich aus Trotz, genausowenig wie das Wort Fisolen, oder Kren. Auch Marillenknödel mag ich extra nicht, allerdings habe ich letztere auch noch nie gegessen. Überhaupt kann ich auch keine Kartoffelknödel machen, weder roh noch gekocht, es sei denn aus der Fertigtüte.
Oh jetzt habe ich meinen miesen Charakter entblößt, aber so ist es halt.
Bin wohl ganz schon bockig (schäm:p).
Nett geschrieben und kurzweilig zu lesen, Deine Geschichte.
Krümelige Grüße,
Klatschmohn

a.c.larin
19.12.2009, 18:43
liebe klatschmohn,
solltest du einmal nach wien kommen und mich besuchen, dann koche ich für dich marillenknödel, erdäpfelknödel , germknödel - und was du sonst noch an runden speisen (angeblich) " nur aus der tüte" zaubern kannst!
mach dir nichts draus: mir gelingt auch nicht alles!
erst gestern wollte ich "schneebusserl" backen - aber es wurden nur "schneematschbusserl" draus .:(
gegessen wird aber trotzdem alles werden , denn: schmecken tun die dinger ja!

so, und jetzt muss ich noch schnell ein bisschen schokoglasur wärmen.....

zurückgekrümelt,
larin

Leier
19.12.2009, 18:51
Liebe larin,


seit Tagen versuche ich, das Zwei-Personen-Theaterstück
"Vanillikipferl" zu finden - ohne Erfolg.
Deine Geschichte ist das liebliche Gegenteil, gemütlich, weanarisch, mit a bissel Schmäh, ober doach om Roand...
grad richtig für die Plätzchenzeit.


Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
19.12.2009, 18:56
liebe leier,

kannst du mir "doach om roand" übersetzen?
diese phrase ist mir nicht geläufig...:confused:

lg, larin

Leier
19.12.2009, 19:06
Oh Schreck,


das war so ne Eigenleistungsentgleisung, sollte bedeuten

"doch am Rande".

Kannste mir verzeihen?
Ich hatte Helmut Lohner im sog. Ohr....
er mochte so sein extempore bei den Theateraufführungen...


Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
20.12.2009, 08:12
liebe leier,
ich dachte es mir: du hast " eingewienert"! :D

also, ich würde es so sagen: "doch aum raund" - an welchem rand bewegt sich also jetzt meine geschichte?
(wohl am rande der genießbarkeit, wenn mir die kekse zu braun werden? :p )

heute werde ich noch mal backen...

unverdrossen, larin