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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ganz leise


a.c.larin
07.11.2009, 22:48
Ganz leise neigen sich die Stunden
des Tages dämmernd hin zur Nacht.
Das Jahr geht in die letzten Runden,
vielleicht von einem Stern bewacht.

Ganz leise welken letzte Blätter
braungelb und traurig dort am Strauch.
Im grau verhangnen Nebelwetter
verblühn nun Friedhofsblumen auch.

Verlassen in den dunklen Wäldern
schweigt Vogelsang für lange Zeit,
und über leergefegten Feldern
pfeift nur der Wind sein Lied, wenn's schneit.

In Stille ruht, der Nacht ergeben,
Verlangen, Aufruhr, Lärm und Streit.
Doch wohin ging mein eignes Leben
ganz leise, leise, mit der Zeit?

Quicksilver
08.11.2009, 14:34
Hallo larin,

eine nachdenkliche Stimmung erschaffst du hier. Viel zu bemängeln habe ich hier nicht, sondern nur eine kleine inhaltlich/technische Anmerkung:

verblühn selbst Friedhofsblumen auch.

Ich finde diesen Vers sprachlich recht ungeschickt. Zum Einen klingt er arg umgangssprachlich und zum Anderen bedarf es nicht des "auchs" um genau das auszudrücken, was du ausdrücken möchtest. Das "selbst" reicht bereits und so empfinde ich es an dieser Stelle zu offensichtlich als in den Reim gezwängt.

Mir gefallen die leisen Wiederholungen und die Stimmung an sich.

Grüße
von
Quicksilver

a.c.larin
08.11.2009, 15:17
hallo quicksilver,

wo du recht hast, hast du recht - ganz zufrieden bin ich mit dieser stelle auch nicht!
habs ein wenig angeändert. hoffe, "nun" ists besser!

lg, larin

Leier
08.11.2009, 16:10
Liebe larin,

sehr schön.
Aber in der letzten Strophe stimmt was nicht.
In der Stille können Streit, Aufruhr, Lärm und Verlangen nicht ruhen, oder? Die lassen sich durch Stille nicht beruhigen.
Tröstlich wär das ja.

Die beiden letzten Zeilen sind eine Quintessenz aller Philosophie!



Bewundernden Gruß
von
cyparis

Klatschmohn
08.11.2009, 16:48
Hallo Larin,

Dein Gedicht passt sehr gut zu der Jahreszeit. Du beschreibst Stimmungen, die wohl vielen Menschen zu schaffen machen, grade wenn die Wolken so trübe hängen und es so noch viel dunkler ist, als es sein müsste.
Ich verstehe Deinen letzten Vers anders als Cyparis; durch die Stille (nicht Ruhe) werden Stimmen im Inneren laut, die aufbegehren und einen Gefühlsrumor verursachen können. Die Frage nach dem eigenen Ich, dem Sinn und Zweck werden laut........
Ich finde, Du hast all dies treffend beschrieben.

Liebe Grüße,
Klatschmohn

a.c.larin
08.11.2009, 17:30
liebe cyparis, liebe klatschmohn,

mir war gestern sehr novembrig zumute (kein wunder, es nieselte den ganzen tag und wurde auch kaum heller als dämmrig), nichts konnte mich aufmöbeln.
einzig dies gedicht war mir ventil und versöhnte mich mit mir selber und dem novembertag.

ich denke schon, dass in der stille manches an unrast zum schweigen kommt: es wird schlicht und einfach kaltgestellt, auf eis gelegt.
sogar ganze kriegszüge kamen auf solche art und weise schon zum erliegen.
(was dann im frühling darauf passiert, ist aber wieder eine andere geschichte...)

ja, die zeit versickert wirklich rasch, doch dass ich ein wenig davon mit euch teilen kann, versüßt mir das davonfließen!

habt dank für euer geneigtes ohr!
larin

Archimedes
10.11.2009, 12:47
Liebe Larin, da ist dir eine Perle geglückt, ich bin begeistert. Habe aber noch kleine Anmerkungen:
Ganz leise neigen sich die Stunden
des Tages dämmernd hin zur Nacht.
Das Jahr geht in die letzten Runden,
vielleicht von einem Stern bewacht.Hier stört mich das "vielleicht" sprachlich. Ich würde "einsam von einem Stern bewacht." schreiben, auch wenn die Zeile nicht mehr auftaktig ist.
Ganz leise welken letzte Blätter
braungelb und traurig dort am Strauch.
Im grau verhangen Nebelwetter
verblühn nun Friedhofsblumen auch.Hier hast du wohl ein "n" zu wenig. Muss es nicht "Im grau verhangnen Nebelwetter" heißen?
Verlassen wirds. In dunklen Wäldern
schweigt Vogelsang für lange Zeit,
und über leergefegten Feldern
pfeift nur der Wind sein Lied, wenns schneit.Das "Verlassen wirds." hängt so in der Luft, es ist auch unklar, wer oder was verlaasen wird. Ich würde schreiben. "Verlassen in den dunklen Wäldern".
In Stille ruht, der Nacht ergeben,
Verlangen, Aufruhr, Lärm und Steit.
Doch wohin ging mein eignes Leben,
ganz leise, leise, mit der Zeit? Da du in der zweiten Zeile schon eine Aufzählung hast, wirkt für mich die erste sehr abgehackt. Ich würde schreiben."Nun ruht, der stillen Nacht ergeben,"

Ich habe mich sehr gern mit deinem hervorragenden Gedicht beschäftigt.
Gruß Archimedes ...der mit dem Tages/Jahreskreis

Gekräuselt leicht, auf weiter Fläche
der See sich spiegelt, gold vom Schein
der Wolken, die des Tages Schwäche
glutrot verkünden überm Hain.

Der Wald mit buntgescheckter Au,
bedeckt durch herbstlich fallend Pracht,
sich langsam bettet nun in Grau,
wohl wissend, dass bald kommt die Nacht.

Ein Sternlein lugt schon keck hervor,
es gibt uns Kunde von der Zeit.
Bald leuchtet es im Himmelschor,
wenn’s dunkelt, zur Vergänglichkeit.

a.c.larin
23.11.2009, 15:32
hallo archimedes,

ganz leise, leise hast du einen kommentar eingestellt - und ich habs noch gar nicht bemerkt!
einige deiner anregungen habe ich übernommen , vom "vielleicht" mag ich mich wegen des auftaktes aber noch nicht trennen, auch die vierte strophe lasse ich so, wies ist ( der beistrich in zeile eins kommt in deiner version ja auch nicht weg).
danke fürs mitdenk n, mitschwingen!

dein wunderschönes antwortgedicht
solltest du aber unbedingt noch einmal extra einstellen!

liebe grüße,
larin

Erich Kykal
25.11.2009, 18:25
Ganz leise neigen sich die Stunden
des Tages dämmernd hin zur Nacht.
Das Jahr geht in die letzten Runden,
vielleicht von einem Stern bewacht.

Ganz leise welken letzte Blätter
braungelb und traurig dort am Strauch.
Im grau verhangnen Nebelwetter
verblühn nun Friedhofsblumen auch.

Verlassen in den dunklen Wäldern
schweigt Vogelsang für lange Zeit,
und über leergepflügten Feldern Passt so besser zu Z4.
wird alles Hoffen eingeschneit. Zeile war zu lang.(Alternativen: alles Fühlen, Sehnen, Freuen, usw...) .

In Stille ruht, der Nacht ergeben,
Verlangen, Aufruhr, Lärm und Streit. Tippfehler!
Doch wohin ging mein eignes Leben Kein Komma hier!
ganz leise, leise mit der Zeit? Ein Komma zuviel.

Hi, larin!

Wieder so ein absolutes Schmuckstückchen von dir! Was für eine seidenweiche Sprachfindung, soviel Takt und Melodie in deinen Worten -
bis auf die von mir angemahnten Stellen. Da solltest du zumindest noch mal drübergrübeln.
Insgesamt gernst gelesen und kommentiert! Extraklasse!

LG, eKy

a.c.larin
25.11.2009, 19:43
hallo eky,

komma und tippfehler hab ich beseitigt - den rest lass ich aber so wie er ist.
begründung: ich möchte gerne den wind über die felder ziehen lassen -und der pflügt nicht, der fegt ( zum beispiel die blätter davon, oder er heult auch und veranstaltet ein pfeifkonzert im schneesturm)
abgesehen davon höre ich das ganze fast wie einen liedtext in meinem kopf - hast du schon einmal versucht, ein "pfl" zu singen? das nuschelt! schlichtes f singt sich besser....

dass die vierte zeile zu lang ist, glaube ich nicht. habs nachgezählt: acht silben - da wie dort.
die hoffnung möchte ich , ehrlich gesagt, auch nicht einschneien lassen - ein bissel muss sich "larin" schon von "kykal" unterscheiden! ;)

danke für deine ausführliche beschäftigung mit meinem und deine anerkennenden worte!
larin

Erich Kykal
25.11.2009, 19:55
Hi, larin!

Das Problem ist hinterher die letzte Strophe: Da heißt es: "In STILLE ruht, der Nacht ergeben..." Wie verträgt sich das mit leerfegendem Sturm zuvor? Da beißen sich die Kopfbilder!

Wenn du's schon so stehenläßt, dann bitte: "wenn's" mit Apostroph. Ich hab die Dinger auch nicht gern, aber DA gehört nun leider wirklich einer hin!

Dennoch: Mir erscheint diese Zeile so zu vollgepackt, auch wenn der Takt stimmt. Macht sich auch im Schriftbild nicht so schön, diese Überlänge...Können dich auch die angebotenen Alternativen nicht reizen? Vielleicht findest du etwas dir Entsprechenderes...?
So, genug gesudert!;):D

LG, eKy

a.c.larin
25.11.2009, 20:11
hallo eky,

na für mich ist das halt so: trotz sturm draußen ists im inneren ruhig - hältst du das für so unmöglich?

und , ja: die zeile ist optisch betrachtet länger - aber nur wegen der optik schon den klang verändern....?
perfektion als das maß aller dinge? das lässt mich schaudern....

ich lass den schnörkel dran - und bekenne mich aufrichtig zu meiner macke.
lg, larin