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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Endlose Nacht


Leier
15.05.2009, 23:26
-

Sehnsucht raubt mir all den Schlaf,
der gestern süßen Traum noch brachte.
Ach, wär die Nacht doch schon vorbei!
Was nützt es, daß ich kühl und brav
die Augen schließ: das kaum Erdachte
macht aus der Dunkelheit sich frei
und brennt auf meinen Lidern!

Kann nicht schon heller Morgen sein,
der hehres Antlitz näher rückt in's Riesengroße,
dem Auge wieder bietend blauen Blick?
Mond! Eile doch mit Deinem Schein!
Himmel! Gib aus Deinem Schoße
der Frühe Brand dem Tag zurück,
daß - endlich! - Blicke sich erwidern!

Ach, wie trostlos ist die endlos lange Nacht!
Wie stehn die Stunden endlos still.
Du, Zeit, hast spöttisch mich verlacht,
nun geh vorbei, da ich es will!
Am Morgen magst Du wieder stillestehn
für zwei erflehte süße Stunden,
und danach schnell Dich weiterdrehn;
dann eile Dich, den Tag zu runden,
dann bringe rasch den nächsten Morgen:
in ihm ist jetzt sein Lächeln noch verborgen...

a.c.larin
16.05.2009, 08:13
liebe cyparis,

Ach, was quält der Geist oft Stunden,
drängt, und hat nicht Schlaf gefunden!
Und der Kopf , vom Denken schwer,
rollt im Bette hin und her.

Böse Träume, Nachtgedanken,
wabern, wuchern ohne Schranken!
Hinter sorgenvoller Stirn
lechzt nach Ruh das müde Hirn.

Doch wie anders warn die Nächte
mit dem männlichen Geschlechte,
in Gesellschaft wach geblieben,
um zu scherzen, kosen, lieben!

Keine Stunde war vergeudet,
von den Schwestern auch beneidet
um die Liebe und ihr Glück.
Gern denk ich daran zurück!

Wenn ich also schlaflos liege,
ich darin zur Ruh mich wiege:
Liebster, schenk den Traum als Kuss!
Und jetzt schlaf ich. Punkt. Aus. Schluss!

Dana
17.05.2009, 19:27
Liebe Cypi,
mag es dich (dein lyr.Ich natürlich) noch so quälen, es liest sich wie das Lied einer Nachtigall. Ich mag Liebesleid lesen.
Tiefe Sehnsucht singt und betet. Die Verse tragen traurige und romantische Bilder.
Am beeindruckendsten sind diese Zeilen:

Am Morgen magst Du wieder stillestehn
für zwei erflehte süße Stunden,
und danach schnell Dich weiterdrehn;
dann eile Dich, den Tag zu runden,
dann bringe rasch den nächsten Morgen:
in ihm ist jetzt sein Lächeln noch verborgen...

Die zwei süßen Stunden bleiben in der Erinnerung lebendig.

Liebe Grüße
Dana

Leier
24.05.2009, 17:02
Liebe Dana,


mir auch. Unvergeßlich, unvergessen!
Hab Dank!
Schön, daß Du die romantische Traurigkeit erkannt hast.


Lieben Gruß
von
cyparis

ReinART
24.05.2009, 18:40
Liebe Cyparis
eigentlich bräuchte ich immer nur noch schreiben: traumhaft sicher und gefühlvoll in Szene gesetzt. Mehr fällt mir bald nicht ein:o
Ach, wie lästig wird die trostlos lange Nacht.
Hier habe ich ein kleines Problemchen, weil für mich die trostlo lange Nacht nicht lästig ist, sonder fast unerträglich.
Deshalb könntest m. E. einfach schreiben:

Ach, wie trostlos wird die (durchwachte), lange Nacht.

Lieben Gruß
reinhard

Leier
24.05.2009, 20:46
Lieber ReinArt,

Du treuer Leser meiner Gedichte!
Hab Dank für Dein Lob (das in jeder Fassung Musik in meinen Ohren ist),
hab Dank auch für den Kommentar und die Anregung.
Ich werde die bewußte Zeile ändern - in Deinem Sinne.

Ganz lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
24.05.2009, 21:22
liebe cyparis,
hast du meinen kommi gar nicht gesehen? schluchz! :(

larin

Leier
24.05.2009, 21:32
Oh Schreck, laß nach!
L a r i n !

Ich sammle glühende Kohlen auf mein Haupt!

Und dazu noch ein so gutes Gedicht!
Bite als eigenständiges einstellen!
Ich danke dir für Dein lyrisches Mitgefühl, Dein feines!


Beschämten Gruß
von
cyparis

a.c.larin
24.05.2009, 21:41
liebe cyparis,
mein kommentar war hier der erste,
seit damals ich vor neugier berste:
wie kamen meine worte an:
wann schreibt sie wieder ? wann? wann? wann?
endlos die TAGE auch vergehn,
dann aber ..... MIST! hat's nicht gesehn......

JA, SO KANN'S GEHN ....!

( das gibt mir doch gleich wieder gelegenheit für neue reime :D )

das mit den glühenden kohlen würde ich lassen - schadet nur der frisur!

liebe grüße
larin

Leier
24.05.2009, 21:45
Liebe larin,

Du bist eine absolute Ausnahmeerscheinung für mich.
Du sprudelst nur so über von Gedichten - kannst Du noch ungereimt denken?
Fruchtbarkeit par excellence!
Beneidenswert, aber meine

neidlosen Grüße
sind Dir gewiß!

cyparis

a.c.larin
24.05.2009, 21:53
liebe cyparis,
danke für die blumen - im augenblick fällt mir grad selber kein thema ein, da sind mir die gereimten kommentare schon ein vergnügen!
muss mich auch ein wenig ablenken, weils meinem mütterlein derzeit nicht so gut geht. beim dichten kreig ich energie, ganz erstaunlich für mich selber...

liebe grüße
larin

ruhelos
26.05.2009, 12:10
hallo cyparis,

auch mir gefällt deine flehentliche Bitte an die Nacht doch endlich zu enden, damit das lyr. ich den oder die Geliebte wiedersehen kann. Die Sehnsucht des lyr. ich tritt deutlich hervor. Du hast sie in ansprechende romantische Bilder gepackt. Gern gelesen.

Viele Grüße
ruhelos

Leier
29.05.2009, 07:12
Liebe larin,

ja, bei mir kommt auch so eine Art "Schub", wenn mir ein Gedicht gelungen erscheint.

Liebe ruhelos,

hab Dank für Deine lobenden Worte! Einer Romantikerin wie mir gehen sie runter wie Öl.


Liebe Grüße
von
cyparis

oliver64
29.05.2009, 12:24
Hallo cyparis,

du legst hier ein in altertümelnder Sprache gehaltenes Gedicht vor, welches in jambischen Versen mit alternierenden Hebungen und Kadenzen fast durchgängig kreuzgereimt die Leiden einer durchwachten Nacht schildert, in der das lyrische Ich kaum abwarten kann, das geliebte lyrische Du wiederzusehen.

Solche barock anmutende Schwülstigkeit kann einem gefallen, muss aber nicht. Mit kontemporärer Dichtkunst hat sie bei allen Zugeständnissen der und an die Postmoderne aber sicher nichts zu tun. Zu abgeschmackt wirkt ein solches Vokabular mit süßen Träumen, hehren Antlitzen und süßen Stunden. Heutzutage hat so ein Bombast eher faden Beigeschmack und wirkt wie aus dem Handbuch eines Uraltgigolos und/oder Heiratsschwindlers. „Eile, Mond!“, und „Gib, Himmel!“ und „Geh, Zeit!“ oder „Eile, Zeit!“, das sind auch so Aufforderungen, die aktuell eher etwas durchgeknallt, als romantisch wirken. Es ist für mich keine Frage, dass du hier ganz gekonnt einen Stil nachempfindest, warum solche Fingerübungen jedoch veröffentlicht werden müssen, ist mir ein Rätsel.

Inhaltlich wird die Sache auch eher breit getreten. Warum ist in Strophe 1 das heute Erdachte so negativ, brennt auf den Lidern, während das Gestrige süße Träume brachte? Weil es heute ein konkretes Objekt der Begierde gibt, welches so sehnsüchtig vermisst wird, dass es dem lyrI den Schlaf raubt. Wie sollte sie dann aber die Augen überhaupt kühl und brav schließen können? Nun gut, vielleicht macht mich die Sprache ungnädiger, als ich sein sollte. Springen wir also in Strophe 2: Dem Stoßseufzer des lyrI folgt eine umgangssprachliche Entgleisung, die zudem im Zusammenhang mit einem „hehren Antlitz“ ein unfreiwillig komisches Bild zeichnet: „in’s Riesengroße“. Die Partizipialkonstruktion des folgenden dritten Verses ist dann nur noch grausam. Und nicht alles, was blau ist, ist auch gleich romantisch. Der blaue Blick wirkt hier eher alkoholgeschwängert, so zusammengezwungen wirken hier Syntax und (Stab)reim. Die Anrufung von Mond und Himmel hatte ich schon, die grammatikalische Konstruktion des sechsten Verses geht dann spätestens gar nicht mehr: Der unangenehm poetisierte Genitiv mag ja noch veraltetem Geschmack gefallen, aber dem Dativ geht gar nicht, bzw. nur, wenn dann ersatzweise vorher Akkusativ gewählt würde: Ohne Akkusativ geht es jedenfalls nicht. ;)

Der Beginn der dritten Strophe ist so schlecht nicht gemacht, auch wenn daran Andere vielleicht mäkelten. Dieses trostlos-endlos-endlos ist ja bewusst gesetzt und verfehlt seine Wirkung auch nicht. Der Umstand, dass du diese Strophe in ein etwas anderes Reimschema setztest, verdeutlicht die wachsende Ungeduld. Gleichzeitig machtest du sie länger als die beiden vorangegangenen, auch das halte ich für einen geschickten Kniff. Vers 4 ist mir allerdings zu platt, zu kindisch, entspricht nicht dem bis dahin gebrauchten Pathos. Ohnehin drehen sich die letzten Verse für meinen Geschmack zu sehr im Kreis, das danach-dann-dann hat hier eher kontraproduktive Auswirkung, weil das Gedicht vollends in die Profanität abrutscht: ist der heiß ersehnte Morgen endlich erreicht, dann schnell wieder zum nächsten und zum nächsten und so fort. Hier findet keine Erfüllung statt! Der Leser wüsste doch gerne, was da so heiß ersehnt und angeschmachtet wird. Nur für ein Lächeln habe ich diese drei Strophen doch wohl nicht durchlitten! :D

Fazit: Pathos und Patina können mir persönlich nicht imponieren, da lese ich lieber die Originale (und amüsiere mich natürlich auch bei dem Einen oder Anderen). Das Handwerk beherrscht du grundsätzlich, aber da gibt es Viele. Der Inhalt ist profan, warum sollte das jetzt beeindruckender sein, als die vielen pubertätspickeligen Herz-Schmerz-Gedichte? Die sind wenigstens aktuell und authentisch und nicht nur 300 Jahre später nachempfunden.

Vielleicht hältst du mich für ungnädig. Ich bin es vielleicht auch, weil ich immer fürchte, dass jüngere Semester so etwas lesen (und dann auch noch die folgenden Lobhudeleien), ihr Vorurteil über die vermeintliche Abgeschmacktheit gebundener Lyrik bestätigt sehen, sich abwenden und bestenfalls wieder ihre grausamen Ungereimtheiten verfassen, schlechtestenfalls Lyrik für tot befinden. Ich sagte an anderer Stelle einmal: Lyrik ist nicht tot, sie riecht nur seltsam. Das tut sie hier leider auch: leicht moderig. ;)

Nichts für ungut und beste Grüße
Oliver

Leier
29.05.2009, 13:00
Hei, Oliver!

Vorerst für diesen Erguß vielen lieben Dank!
Wie grausig, daß ich gerade jetzt zum Blumeneinkauf muß.
Dieserhalb muß ich mir meine Antwort für später aufheben.
Aber ich wollte nicht unhöflich erscheinen.

Lieben Gruß für's Erste
von
cyparis

Hans Beislschmidt
29.05.2009, 14:42
Hey Cyparis,

du solltest in der Tat deinen barocken Aufbau entschwulsten und Anleihen an die Neuzeitlyrik und ihre fleischgewordenen Surrogate nehmen. Insbesondere S2 könnte etwas peppigen Forumsjargon gebrauchen. Ohne Akk/Gen/Dat überzustrapazieren würde sich S2 geradezu anbieten um die Durststrecke bis zum Final Countdown zu versüßen. Wie klänge das - Cypi mal ganz neuzeitlich und entstaubt?


hey du Schwein, wo soll der Morgen sein
ausgebeulte Hose, näher rückt der Riesengroße
lass sie über Klingen springen deinen blauen Blick
doof mit vollem Rohr folge dem Major und Schein
Himmel geh am Arsch vorbei, schick doch deine Soße
in den Brand vom Schoße und dem Tag zurück


klingt doch gleich viel witziger und die Kiddies werden es dir danken.

Grunzi gruss vom Hans

Helene Harding
29.05.2009, 15:24
@Beisl
sichscheckiggelachthatbudi > Beisl > "Der mit dem Wort tanzt".

Liebe cyparis, wie du siehst, gehen die Meinungen hier, und wie erquickend, ganz weit auseinander.
Da ich deine Sprachintentionen derweil kenne, finde ich dieses Werk deinem Anspruch gemäß sehr gelungen.
Und hier noch meinerseits eine ins Blaue zielende Botschaft: Wer keine üblen Gewohnheiten hat, hat wahrscheinlich auch keine Persönlichkeit. (William Faulkner).

alles liebe von budina

Leier
29.05.2009, 23:08
Na - @ alle Betroffenen:

ich rolls mal von UNTEN auf:

liebe budina, wie recht Du hast. Das blaue Blaue hat ja Faulkner gut gekannt. Von daher finde ich Deinen Kommentar herrlich intellektuell. Knicks und tiefen Dank!
(Falls ich Dich nicht mißverstanden habe!)


Lieber Beisl,

barock (???) fühlende alte Dichter/innen ändern ihren Stil nicht mehr.
sie sind und bleiben (auch äußerlich) barock.
Deine Hosen-Chosen-Bloßenbeschauen reißen nicht einmal uralte moderne Gedichte(r) aus all der Unter-Wäsche.
Staub bleibt Staub - auch in heute gekauften Stoffen.
Schwulst und Schwurbel findest Du auch in manch "modernen" Tagebuchgedichten nebst rosarotgefärbten Schnullrichen.

Fleischgewordene Surrogate virtuell? Ja, darauf springe ich böckchenartig an. Dir zuliebe.
Oder auch nicht.
Lieber nicht - hahahaha!
Unzerbeulten Fasanengruß!

@o liver...

joijoi -

um ein Dir nicht zusagendes Gedicht zu kommentieren, hast Du Dir so viel Zeit genommen.
Hast Dich ja richtig ins Zeug gelegt.
Reschpeckt!
Mein Stil sagt Dir nicht zu. Es ist nun einmal (oder zweimal) meiner.
Da achte ich halt nicht so auf die Partizipialkonstruktion( dolles Wort!). Oder all die metrischen Mängel. Oder Deine Schnullriche.
Du hättest nichts durchleiden müssen, wenn Deine Maus per Klick funktioniert hätte.
Ich fühle mich fast wie beinahe durch den Türspalt sozusagen am Boden zerstört und krauche nur noch durch den Text. Oder dieTextilien?
Na - Fazit:
(Leicht schillernd)
Weh mir! Der Stiefel war vergiftet!

Dank Allen, die nochmals kommentiert haben.
Auch den Lobhudlern !

Amüsierte Grüße
von
cyparis

a.c.larin
30.05.2009, 08:15
liebe cyparis,
dein humor ist beachtlich - gefällt mir wirklich sehr gut!
da sag ich doch gleich mal: lieber altmodisch lustig als neumodisch
arrogant! ;)

liebe grüße
larin

Leier
30.05.2009, 13:01
Liebe larin,

hab Dank!
Ich bin - von welcher Seite Du es auch sehen magst - immer altmodisch.
Den sogenannten Altvorderen zugeneigter als den Modernen.
Gefühle ändern sich nicht - nur ihre Beschreibung ändert sich.

Bei

"Ratzfatzdorn steckt horn
mässig (!) in mein Hirn
wie Nagel - Ivan -
was macht Dorn
in Wien?"

kann ich mir wenigstens noch das Burgtheater vorstellen ...
Aber bei manchen Gedichten hier finde ich überhaupt keinen Bezug zum Inhalt.
JESSAS!

Küß dHand!
Und "Servus"

von
cyparis