Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zweifel lebenslang
Sind die Fotos denn verlogen,
die im Glanze farbig sind?
Zeigen sie am Himmelsbogen
einen Engel als mein Kind?
Täuschen sie mir Frieden vor,
den es so doch niemals gab?
Trifft ein falscher Ton mein Ohr,
ist der Stein ein Felsengrab?
Wird das Laub der Weidenbäume
braun, bevor es grün erblüht?
Sagen mir all meine Träume,
dass man sich zu viel bemüht?
Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Niemand kann es mir verübeln,
diese Zweifel lebenslang...
Eisenvorhang
27.04.2017, 21:10
Hallo Chavali
Sehr bewegende Zeilen, die jeder empfindsame Mensch kennen sollte.
Sehr hingebend und ehrlich geschrieben.
Als kleine Übung für mich selbst!
Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Wer will mir es denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang...
Hier stimmt die Metrik nicht so ganz.
Dein Gedicht ist im Trochäus und mit vier Hebungen geschrieben.
Wer will mir es denn verübeln,
xXxXxxXx
diese Zweifel lebenslang
XxXxXxX
"Wer" ist unbetont!
[Ich bitte um Berichtigung, falls ich falsch liege]
Lösungsvorschlag:
Keiner kann es mir verübeln,
diese Zweifel lebenslang...
Allergernst gelesen!
vlg
EV
Hi chavilein...
ein interessantes und gefühlvolles Gedicht, mit der passenden Tiefe
geschrieben. Dies mag zum einen am Metrum, andererseits auch am
Inhalt liegen.
in der ersten Strophe kristallisiert sich schon heraus, dass es in dem
Gedicht um Erinnerungen geht, schöne sogar, die durch das farbige
Foto bildhaft beschrieben werden,
irgendetwas verdunkelt sich jedoch und die Farbe des Gedichtes ver-
ändert sich, was die zunehmenden Zweifel unterstreicht...
gerne gelesen. :) liebe Grüße ginnie
PS: eine Frage noch zum Metrum, da mich dies selbst brennend interessiert.
Meines Erachtens fügen sich einsilbige Wörter ins Metrum mit ein und die er-
wähnte Zeile im Vorkommentar wäre somit eigentlich korrekt, oder sehe ich
dies falsch?
Eisenvorhang
28.04.2017, 00:01
Wahrlich ein interessanter Gedanke.
Wäre dem so, wäre ich enttäuscht von den metrischen Gesetzen.
Ich dachte bisher, meinem natürlichen Sprachgefühl geschuldet, dass einsilbige Wörter vokalgebunden betont[primärklang] werden.
Beispiel, zwei Hauptvokale:
"Wer will" - das "i" wird höher als das "e" gesprochen, was mit der Zunge beim Aussprechen zusammenhängt. Demnach wäre das Wort mit dem "i" eine Hebung und das Wort mit "e" eine Senkung. Sagt jedenfalls meine Logik und mein Gefühl für Sprache.
"beliebig" be[unbetont] lie [B]big[unbetont] xXx.
Jetzt invertiere ich die Vokale
"bile(e)big" XxX
Klingt total bescheuert und nicht natürlich und würde den Sinn der Sprache an den Teufel verkaufen.
Die Zeile von Chavali im Trochäischen Maß erzwungen zu sprechen...
Ne - da stimmt was nicht. Und falls das doch richtig ist, stimmt was mit mir nicht.
Trotzdem wäre eine Aufklärung hier super.
Würde mich freuen! Hätte gerne Gewissheit.
koko, falder, fee, felix, mondmann, eky? Weiß das jemand von Euch?
vlg
ev
Mondmann
28.04.2017, 10:32
Str.:1, Ver.:1 Schluss mit die-sem tri-sten Grü-beln!
Str.:1, Ver.:2 Leg die Bil-der in den Schrank!
Str.:1, Ver.:3 Wer will mir es denn ver-ü-beln,
Str.:1, Ver.:4 die-se Zwei-fel le-bens-lang...
Str.:1, Ver.:1 Silben: 8 Betonung: XxXxXxXx Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:2 Silben: 7 Betonung: XxXxXxX Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:3 Silben: 8 Betonung: XxXxXxXx Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:4 Silben: 7 Betonung: XxXxXxX Versfuß: Trochäus
Reimschema(Strophe): abac
****************
Große Hilfe!
Internet - Kostenlose Metrik-Analyse mit 99 % Richtigkeit!
- gedichte-lernen.de/analyse ("Lyrik ... Enter the Metrix!)
- metricalizer.de
Hallo Chavali,
ein interessanter Text, wo es um Selbsterkennung geht, die schmerzlich sein könnte. Zweifel ist wie eine nagende Ratte.
Ich fände schöner, würden hier Zeile 1 und 3 ebenfalls unbetont enden.
Täuschen sie mir Frieden vor,
Täuschen sie mir gar den Frieden
vor, den es so niemals gab.
den es so doch niemals gab?
Trifft ein falscher Ton mein Ohr,
Nur ein Ohr? Das andre schon taub? Auf Frieden müsste was mit beschieden?
ist der Stein ein Felsengrab?
LG M.
Eisenvorhang
28.04.2017, 11:13
Hm, komisch.
Für mich wird der Vers nur trochäisch, wenn ich ihn erzwungen skandiert spreche. Wieso bleibe ich an dem Vers derart hängen im Rhythmus, wieso wirkt der so falsch?
Aber ein Programm muss es ja wissen, auf welchen nebulösen Regeln es auch basieren möge. Weswegen ich der "metrix" auch nicht vertrauen werde.
Ich benutze gern meinen eigenen Verstand, weil ich es verstehen will.
Trotzdem Danke MM
vlg
Kokochanel
28.04.2017, 11:27
Liebe Chavali,
ein Gedicht, das nachhallt, eine Mutter, die ihrem Kind Zweifel entgegenbringt. Das ist schwierig und da keinerlei Gründe dafür angegeben sind, ist es zunächst einmal als Fakt einfach so.
Schnell könnten hier von Lesern Kritiken kommen, die unschön sind, denn es ist mutig, solch eine Sichtweise zu bekunden. Schließlich MUSS eine Mutter ihr Kind doch lieben und so annehmen wie es ist.
Ob sie das muss, steht mir nicht zu zu entscheiden. es mag solche Fälle geben. Man kann jeder Mutter nur wünschen, dass sie nie in einen solchen Konflikt kommt.:Blume:
Ein Kind im Bild von früher als Engel.Manchmal mögen sich Kinder nicht so entwickeln wie sich Mütter das wünschen. Was z.B. wenn sie zum Mörder werden, zum Terroristen? Das fällt mir dazu ein.
Ein gewichtiges Thema also, das ich gut umgesetzt hier im Gedicht finde.Denn ich spüre sowohl die Anfeindung von außen heraus wie auch die Hilflosigkeit der Mutter. Immerhin lehnt sie nicht ab, sie zweielt nur. Ein lebenslanger Kampf gegen sich selbst.
Zu der bemängelten Metrik:
Sicherlich ist es immer vorteilhaft, wenn die Verben betont sind, sodass Missverständnisse in Zeilen, die sowohl tröchäisch wie auch jambisch gelesen werden könnten, ausbleiben.
Letztlich ergibt sich bei Jambus und Trochäus aber durch den Gedichtfluss klar, wie es gelesen werden soll.
Ich würde die monierte Zeile also nicht als Fehltritt sehen.
Klarer würde es so:
Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Wer will sie mir denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang...
LG von Koko
Eisenvorhang
28.04.2017, 12:06
Hallo Koko
ich dächte bisher, dass Wörter, die aufgrund ihrer Konstruktion, vor allem durch Vokale, von Natur aus gesenkt oder gehoben gesprochen werden und darauf die Regeln basieren. Was irgendwie auch sinnstiftend wäre.
Das es jetzt Wörter gibt, die sowohl als auch jambisch oder trochäisch gesprochen werden können (warum können sie das?), hat was Willkürliches und Ungeordnetes, was ich nicht verstehe und mir auch nicht einleuchtet.
Die wunderschönen Zeilen von Chavali trugen mich sanft und sehr rhythmisch durch das Geflecht und dann kam jener Vers, der mich vollkommen rausgedrängt hat. Es war wie mit 200kmh frontal gegen eine Wand.
Ich kann "Wer" einfach nicht betont lesen, vorallem, wenn darauf "wie" mit "es" und "denn" folgt.
Hmpf. Ich ging davon aus, es langsam verstanden zu haben.
Jetzt habe ich nur noch ???.
Danke für die Aufklärung.
vlg
EV
Mondmann
28.04.2017, 13:16
Na ja,
wenn du wütend vor dem Mondmann fragen würdest
Wer will mir es denn verübeln?
:eek:
wäre dann nicht eher das "wer" betont, durch erregte Stimmhebung? Um dem WER (nicht dem will)
Gewicht zu geben!
Die Programme sind ja nur eine Hilfestellung.
LG M.
Kokochanel
28.04.2017, 13:17
Hi EV,
Über die Metrik kann man viel Unsinn lesen. Viele Dichtende beherrschen sie nicht. Sind sich aber total sicher, dass sie es können! Stöhn.
Die Metrik folgt entgegen allen Behauptungen der natürlichen Wortbetonung und darf dabei nicht verzerrt oder gestreckt werden. ( (ach,das liest sich glatt). Mit Vokalen hat das nichts zu tun. Vokale kommen bei der Dichtung bei phonetischem Gleichklang ins Spiel. das ist ein Thema für gehobene Dichtkunst. Hat aber nichts mit Metrik zu tun.
Die natürlich Wortbetonung kann man in jedem der 5 bekannten Metriksystem einbauen, also jedes Wort kann man auch in jedes System setzen.
Ein schöner Junge sang ein Lied ( Jambus).
Junge, sing ein schönes Lied! (Trochäus).
Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Daktylus).
Jene Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Anapäst).
Die Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Amphibrachis).
Manche sehen ihn auch als Anapäst mit Vortakt, wird gerne in Limericks verwendet.
So, jetzt haste wat zu kauen:D
Was bei meinem selbst erdachten Beispiel auffällt ist, dass die Wörter in ihren natürlichen Betonungen immer gleich betont sind. Probier es mal aus und lies es mal. Man ordnet sie nur in die Systeme ein.
Metrikmaschinen kenne ich nicht, finde sie aber ebenso blöd wie Reimmaschinen. Entweder man lernt sein Handwerk oder man lässt es eben.
Lyri ist nämlich zunächst einmal Handwerk...
LG von Koko
Eisenvorhang
28.04.2017, 14:02
Hi Koko
Danke für die Erklärung - das Meiste wusste ich schon, nur klingt der Vers
"Wer will mir es denn verübeln"
eben nicht natürlich metrisch. Also für mich.
Wenn ich einen Trochäus bilde:
"Jemand hat die Gans gestohlen,
XxXxXxXx
gleich muss ich den Arsch versohlen."
XxXxXxXx
Wäre das wie, wenn jetzt jemand dazu sagen würde:
"Junge, dass ist eindeutig ein Jambus". Haeh? :D
Verdrehtes Weltenbild.
Übrigens das Programm von MM gibt die Verse wie folgt aus:
xXxxXxXx
XXxxXxXx
Ich glaube aber, dass liegt an der von ginTon erwähnten Einsilbigkeit und der starken Gemeinsprachlichkeit des Verses von Chavali.
Was Du zu Vokalen sagst, finde ich schade. Denn die Aussprache der Vokale, und deren Primärklang, ist von Natur aus gehoben oder gesenkt. Das "i" hat die höchste Hebung, das "e" die zweit höchste und das "a" die tiefste.
Eine Ausnahme bildet "ei". Meines Wissen nach.
Wonach sich ja auch die Betonung der Wörter beim Duden richtet.
Auf die Metrik übertragen, würde das mehr als Sinn machen.
Nun gut, ich lasse es sein. Danke für die Hilfe
vlg
EV
Kokochanel
28.04.2017, 14:17
naja, das finde ich jetzt ja amüsant. Wenn du das Meiste schon vorher wusstest, wieso schriebst du dann:
"ich dächte bisher, dass Wörter, die aufgrund ihrer Konstruktion, vor allem durch Vokale, von Natur aus gesenkt oder gehoben gesprochen werden und darauf die Regeln basieren. Was irgendwie auch sinnstiftend wäre.".
Möglicherweise trifft sich ein tiefer/heller Vokal systematisch mit einer Senkung oder Hebung nach deinem Beschreibung. Ob das jedoch wissenschaftlich nachweisbar ist, das wäre eine Frage für die Feldforschung der Linguisten.
Ob es erforscht ist , weiß ich leider nicht.
Dennoch richten sich danch definitiv nicht die Metrikregeln aus.
Die Zeile, an der du dich stößt , ist nicht grundsätzlich metrisch falsch, aber etwas ungelenkt. Vielmehr ist es die Wörteranordnung, die stört.
""Wer will mir es denn verübeln" , genau das es hinter dem mir.
Darum hatte ich vorgeschlagen, dass es vor das mir zu ziehen und es dann noch besser durch "sie" zu ersetzen, wei sich das dann direkt auf die Zweifel bezieht, die nachfolgen.
Nicht, weil es metrisch falsch ist, sondern weil es sprachlich galanter wäre.
Das hast du wohl überlesen.:) odr hört sich das dann auch für dich metrisch falsch an????????
Wer will sie mir denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang".
So, dies war meine letzte Metrikdiskussion. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nie wieder! Weil es so furchtbar nervtötend ist...:Aua:)
LG von Koko
Eisenvorhang
28.04.2017, 15:04
"Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nie wieder! Weil es so furchtbar nervtötend ist"
Damit hast Du mir aber einen großen Gefallen getan, weil ich im Grunde keinen kenne, außer die Foren hier, mit dem ich über sowas sprechen kann.
Ich will das alles lernen und Du hast mir enorm weitergeholfen.
vlg
ev
Hallo meine Lieben!
Ich weiß gar nicht, wo und bei wem ich anfangen soll :)
Erst einmal vielen herzlichen Dank für die interessante Diskussion und für das Gefallen,
das mein Text ausgelöst hat.
Zunächst komme ich auf die vakante Zeile zu sprechen - Strophe 4, Zeile 3:
Wer will mir es denn verübeln
Meine Lesart ist XxXxXxXx
genauso wie die anderen Zeilen der Strophe:
Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Wer will mir es denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang...
XxXxXxXx
XxXxXxX
XxXxXxXx
XxXxXxX
Dass man Zeile 3 auch anders betonen kann (jambisch) - darauf wär ich nie gekommen
und das hört sich in meinen Ohren seltsam an.
Allerdings ist der Vorschlag von EV Keiner kann es mir verübeln auch nicht übel ;)
wie auch Niemand kann es mir verübeln, das mir genau so gut gefällt.
Vielleicht ändere ich dementsprechend.
Was ihr über die Metrik und ihre Handhabung geschrieben habt, finde ich äußerst aufschlussreich.
Man sieht wieder mal, wie schwer die deutsche Sprache ist - und wie vielseitig und schön :)
Was den Inhalt meines Textes betrifft, lässt er sicher verschiedene Interpretrationen zu.
Ich möchte darauf nicht weiter eingehen.
Nur noch so viel:
Ich habe mich sehr sehr gefreut über euer Interesse! Vielen herzlichen Dank nochmals an
ginnie, Eisenvorhang, Koko und Mondmann.
Liebe Grüße :Blume:
Chavali
vBulletin® v3.8.6, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.