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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hoffmannstroppe statt Amphetamin


Carlino
30.04.2009, 12:22
Hoffmannstroppe statt Amphetamin

Herr Heinrich ist in Frankfurt noch immer wohlbekannt.
Der Kerl, der hier vor Zeiten den Struwwelbub erfand.
Er selbst ist längst erkaltet, sein Buch, es wirkt und lebt.
Es scheint noch nicht veraltet, dass man nach Bravheit strebt!

Am Anfang steht ein Bube, so haarig und so wild.
Der steht da wie ein Schluri, er führt nichts Guts im Schild!
Es folgt der wüste Friedrich, der quält die Tiere krass.
Am End vom Hund gebissen, vergeht ihm jeder Spaß.

Das zündelnde Paulinchen, es brennt bald lichterloh.
Der Niklas tunkt die Buben. Macht das den Mohren froh?
Vom Has gejagt der Jäger, sein Weib schreit laut: o wei!
Zum Daumenlutscher Konrad der Schneider eilt herbei.

Ganz suppenscheu ist Kasper, er stirbt so fürchterlich.
Trotz Eltern zappelt Philipp und liegt bald unterm Tisch.
Selbst Hans und Robert kriegen voll Tragik ihren Lohn:
Der eine fällt ins Wasser, der andre fliegt davon.

Herr Heinrich aber bleibet uns allen wohlbekannt.
Der Kerl, der hier vor Zeiten den Struwwelbub erfand.
Will er die Kinder schrecken? So fragt man sich zu recht.
Doch mancher liest´s auch anders, und findet´s gar nicht schlecht!

Er selbst war solch ein Knabe, ganz zappelig und stur.
Verschrieb er als Psychiater sich selber diese Kur?

Zum 200. Geburtstag Heinrich Hoffmanns

Medusa
01.05.2009, 22:20
Lieber Carlino,

fast schon in Vergessenheit geraten, der Struwwelpeter. Schön, dass Du ihn wieder ausgegraben hast.
Prima auch, dass Du die andere Möglickeit des Lesens angesprochen hast. Meinen Söhnen hat das Vorlesen gewiss nicht geschadet - de Troppe auch nich!

Kurz gefasst und im ganz reinen Hexameter stellst Du den Hoffmann glatt in den Schatten!

Sehr, sehr gerne gelesen!
Herzliche Grüße,
Medusa.

Alive
01.05.2009, 22:30
Hallo Carlino.

Für mich ist das ein sehr wichtiges Thema, stehe aber in meiner Beurteilung in krassem Gegensatz zu Medusa.
Was der uns, seinerzeit Kindern, mit diesem Wahnwitz angetan hat ist unverzeihlich.
Wir mussten 'Vorurteile' lernen. Mohren, etc.
Welch eine Schande.

Du hast das Problem zwar im letzten Abschnitt für den Autoren geklärt ( im Nachhinein), leider lassen sich die Wunden in den Seelen der betroffenen 'Vorgelesenen' nicht durch Worte heilen.


Danke sehr für Deine Verse.

Wertvoll !

Alive

Leier
03.05.2009, 20:44
Oh, Carlino!

Ein Denkmal für Heulalius von Heulenburg!
Wie schön! Das in eine Kurzfassung zu kleiden: Kompliment!
Als Kind bekam ich auch hin und wieder Hoffmannstropfen, weil ich seinerzeit schon unter niedrigem Blutdruck litt.
Von Amphetaminen war damals noch keine Rede.

Lieben Gruß
von
cyparis


@Alive:

ich möchte nur mal sehen, wie schnell Du Deinen Mund öffnest, wenn Dein Karlinchen mit Streichhölzern oder Feuerzeugen spielt.
Wenn Dein - wie heißt er noch - aus Begeisterung in den Rhein plumpst ..
wenn Du Zappelphillip bei welcher Gelegenheit auch nach hinten kippst...

D a s soll von Hoffmanns Struwwelpeter Angst erzeugt haben?
Nää, gell, nüch?
Es waren in gar nicht üble Verse gekleidete Ratschläge!
Übrigens:
Die Mohren (Mauren) hat er evtl. (vorausschauend) als Islamisten erkannt.

Völlig unrassistiche Grüße
von
cyparis

Chavali
05.05.2009, 11:55
Hallo Carlino,

deine Idee finde ich gut, die Umsetzung teilweise, die Erklärung erleuchtend.

Im Grunde gebe ich Alive recht:
Ein Angstmachbuch! Wie auch die Märchen zum allergrößten Teil vom Grimm usw.
Das weiß man (wissen wir) aber erst heute, da man durch diverse Erkenntnisse schlau geworden ist :D
Damals haben wir die Geschichten verschlungen und wunderten uns, warum wir (oder unsere Kinder)
Angst im Wald und auf dunklen Kellertreppen hatten....


Lieben Gruß,
Chavali

Dana
05.05.2009, 19:22
Lieber carlino,
die Umsetzung ist klasse und alles "Schreckliche" ist verdichtet.
Das Buch gehörte auch bei uns zur "Kinderlektüre" und bis Dato hat kaum jemand dagegen "angemotzt".
Später erfuhr ich von meinem Sohn, welche Gedanken er sich gemacht hat und er tat mir im Nachhinein leid.
Er sah die "Leichtigkeit" und "Fröhlichkeit" der vorlesenden Eltern und "Tanten" und staunte. Ins geheim, so sagte er, war er froh, dass er uns zu Eltern hatte. Die anderen hat er sich wie im Buche ausgemalt.

Liebe Grüße
Dana