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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nostalgie


Leier
25.04.2009, 19:48
.


Dort! Gelb ein Feld voll Löwenzahn!
Am Bach seh ich die Butterblume sprießen?
Es ist das Scharbockskraut, es blüht hinan.
Die welken Kuckucksblumen grüßen,
sind blass nur noch und müd.
Wie ein so voller Mond doch schied
Erscheinen vom Verfließen!

Die Kirsche streute längst das Weiß,
das ihr gegeben, in den Saum
der fast noch unbetretnen Wege.
Schau! Auch die Apfelblüte spürt Geheiß:
Gelebt hat sie noch kaum. Doch träge
sinkt auch sie wie Traum.

In Frühlings Blühen, im Verlocken
seh meine Jugend ich ganz kurz erwachen...
Ich hör ein Kinderlachen, sehe Blütenflocken,
im Osten sich das Morgenrot entfachen...

Schau jetzt in Abendrot
und fühle mich entsetzlich tot.




.
ad hoc 25.04.09

a.c.larin
25.04.2009, 21:08
liebe cyparis,
ein gelungenes gedicht traurigen inhaltes!
man spürt das aufleben und die verlangsamung mit jedem atemzug...
der aufbau ist interessant: 7 zeilen- 6-4- 2 ( mit 8 zeilen zu beginn wäre die reihe allerdings noch mathmatischer).

einige variationen ( zur wohlwollenden überprüfung vorgelegt):

Die welken Kuckucksblumen grüßen,
sind blass nur noch und müd. (längere zeile!)

Schau: Auch die Apfelblüte........ (längere zeile)

In Frühlings Blühen , im Verlocken
spür ich Erinn'rung Jugendzeit entfachen....(anderer reim)

wie gesagt: sehr schön, sehr traurig am schluss...
gerne gelesen
larin

Leier
25.04.2009, 22:26
Liebe larin,

Du Kennerische!
Die meisten Deiner Anregungen habe ich stante pede umgesetzt.
Da dies ein wirklich von Empfindung sofort in Verse umgesetztes Gedicht ist, hat es selbstverständlich "Lücken" und Unvollkommenheiten (bitteres hahaha!).

Die Zeile mit der "Jugend" ist noch nicht so, wie ich sie gern hätte.
Unmißverständlich und eindeutig sollte sie sein..
Was tut's??
Ich konnte meiner Empfindung Ausdruck verleihen.

Hab Dank für die Anregungen und das Lob!


Lieben Gruß
von
cyparis

Archimedes
25.04.2009, 23:29
Liebe cyparis, sehr deprimierend der Schluss. Gibt es da keine Lösung, kein Neuanfang, wie der nächste Morgen? Das Glück des Augenblicks ist diese Heiterkeit, die stärkt die Seele, richtet dich bald wieder auf.

Kleiner Vorschlag:
"das Morgenrot im Ost entfachen"
und muss es nicht "schau jetzt ins Abendrot"heißen?

Lieben Gruß Archimedes ...dessen Kreise trostlos und ohne Ende scheinen

Leier
25.04.2009, 23:55
Lieber Archimedes,

( ich hatte Dich vermißt!),

hab Dank für Dein aufmerksames Lesen!

Ich seh das Morgenrot im Ost erwachen...

Das "entfachen" verbinde ich intuitiv immer mit einem Objekt ... ich entfache ein Feuer, ich entfache Zweifel im Herzen .. ich entfache einen Glauben... etc.

Beim Morgenrot (im Osten steht die Sonne auf...) war mir das "Erwachen" schlicht und einfach stimmig.

Das mit dem

"...in Abendrot" ist ein wenig kniffliger.
"In's" Abendrot wäre für mich temporär, d.h. auf heute bezogen. Ich wollte es aber allgemeiner als Metapher für das Endgültige, das Ende verstanden wissen. Ob das so als finesse erkannt wird?
Der Mittelweg wäre ein "zum". Aber auch nicht perfekt.


pardon:
irgendwie sind mir die Zeilen durcheinander geraten.
Du wirst sie kreisend gewiß ordnen!

Hab lieben Gruß
von
cyparis

Archimedes
26.04.2009, 00:22
Liebe cyparis, ich hatte das "entfachen" vorgeschlagen, weil du das "erwachen" zwei Zeilen vorher schon einmal verwandt hast.

Gruß Archimedes ...bei dem die kreisrunde Sonne das Morgenrot entfacht

Leier
26.04.2009, 00:30
Oh, Archimedes ...

verzeih!
Ich blindes Huhn sah das Korn nicht. Oder nicht den Wald vor lauter Bäumen..
Hab Dank!
Ich habe sofort geändert.
(Peinlich! Das mir! ..)

Nachmitternächtlich greisende Grüße
von
cyparis

a.c.larin
26.04.2009, 06:40
liebe cyparis,
wunderbar - die vierte strophe ist jetzt perfekt - dort störte mich der gleiche reim am meisten, weil er offensichtlich war.
ja, das mit der emotion ist so : man muss gleich dranbleiben , wenn man sie hat, sie ist ja so flüchtig, gewissermaßen ein schnappschuss in die eigene seele. das geht dann manchmal zu lasten der technischen perfektion.
aber was solls? andernfalls wäre ja der schnappschuss gar nicht zu bekommen gewesen!
abgesehn davon: wenn wir immer nur perfekt wären, wären wir als weggefährten schlichtweg unerträglich! die kleinen unzulänglichkeiten machen uns doch menschlich und geben unseren weggefährten die möglichkeit, sich hilfreich zu erweisen, wodurch kommunkikation , kontakt und freundschaft entsteht...
also:
es lebe der kleine faux pas!

larin

Leier
26.04.2009, 18:24
Liebe larin,

Du sprichst mir aus der Seele!
Perfektionismus gut und schön - aber auf die Dauer nicht doch langweilig?
Ich finde es immer so schön, wenn ich in ein Gedicht eintauchen kann und hie und da doch noch eine Anregung geben kann - schon der Rückmeldungen wegen.

Das mit dem Schnappschuß stimmt hier absolut und solche kostbaren Momente versuche ich dann fast mit aller Gewalt festzuhalten.
Nichts hindert daran, später noch ein wenig zu feilen. Wozu hat man liebe und aufmerksam lesende Mitdichter?

Hab Dank
von
cyparis

a.c.larin
26.04.2009, 18:33
hahaha cyparis,

fast mit aller gewalt - das find ich ja eine überaus niedliche wortschöpfung!
ich versuche grade, mir vorzustellen, wie das ein schauspieler auf der bühne spielen würde, wenn da in der regieanweisung stünde: fast mit aller gewalt....
(otto schenk wäre da sicher eine tolle besetzung in dieser zerrissenheit)

kichernd
larin

Leier
26.04.2009, 18:53
hahaha!

Das spielen wir jetzt mal durch:
Otto Schenk ist das Feld voll Löwenzahn und Helmuth Lohner versucht fast mit aller Gewalt, die Pusteblumen festzuhalten ...
kreisch! Grööööhl!


cyparis

Dana
26.04.2009, 18:58
Liebe Cypi,
ich las deine Zeilen anfangs mit einem zustimmenden Lächeln. Der Frühling, der so schnell vergeht, überhaupt die gesamte Vergänglichkeit. Trotz der leichten Wehmut hoffte ich auf den zweiten oder gar dritten Frühling;) - und wurde fast erschlagen:

Schau jetzt in Abendrot
und fühle mich entsetzlich tot.

Dann habe ich es verinnerlicht.
Ja, dieser Frühling wird eines Tags:confused: kommen.

Dein Gedicht gefällt mir in seiner Schönheit und Wehmut.
Da es nichts mehr zu kritteln gibt, darf ich es, trotz der kleinen Trauer, loben.

Liebe Grüße
Dana

a.c.larin
26.04.2009, 19:02
huhuuhahahhah!

und jetzt BITTE noch der vermerk im drehbuch: WARUM muss lohner die pustblumen fast mit aller gewalt festhalten???
was könnte (angeblich) schreckliches passieren?
oh nestroy, nestroy- du bist zu früh gestorben, was hättest DU daraus machen können!
(ich sehe wüste szenen vor meinen inneren auge ablaufen, und das publikum lachweint bis zur erschöpfung...)

wieher
larin

Dana
26.04.2009, 19:10
Was geht denn hier ab?:D

Kommt doch noch der 2. Frühling?

Wunderbar, so soll es sein.:)

Liebe Grüße
Dana

Leier
27.04.2009, 20:25
Liebe Dana,

zuallererst danke ich Dir für Deinen Kommentar.
Du bist aber einem (innerlichen?) Trugschluß erlegen:

Das Abendrot steht für "Tod". Ansonsten wäre es ja nicht entsetzlich und könnte auf neuen Frühling hinweisen.
Werden und Vergehen wollte ich festhalten.


Was in nachfolgenden Kommentaren/Antworten auftauchte:
Mit Entsetzen Scherz getrieben à la Nestroy.


Lieben und sanften Gruß
von
cyparis

a.c.larin
27.04.2009, 21:15
liebe cyparis,
und das ist schon auch wieder kunst, wenn man einer an sich schlimmen sache ein lachen abgewinnen kann.....
wie hätte nestroy vermutlich einen seiner protagonisten sprechen lassen?

"auslachen muss man ihn, den sensenmichel..."

liebe grüße
larin

Leier
27.04.2009, 21:19
Liebe larin,

da er die Pusteblumen - Löwenzahnkinder aus dem gelben Feld! - lediglich literarisch einfangen konnte, sagte er:

"Wenn alle Stricke reißen, häng ich mich auf".

In meinen Augen genial!!!
Wie Hahnenfuß - oder doch Kirschblüte?

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
27.04.2009, 21:28
liebe cyparis,
diesem nestroy kann doch wirklich keiner das wasser lassen!

hab sehr gelacht!

larin

ruhelos
30.04.2009, 14:01
hallo cyparis,

welch ein melanchonisches Frühlingsgedicht. Du läßt vor den Augen des Lesers die Natur erblühen und im nächsten Atemzug beschreibst du, das Zerfallen der Blüten zu Staub. Dann vergleicht das lyr. ich die kurze Blütezeit mit seiner Jugend. Es trauert ihr nach. Diese schöne Zeit des "Erblühens" verging genauso schnell wie die Blütenpracht im Frühling. Die letzten beiden Zeilen sind geradezu tragisch und beängstigend. Das lyr. ich versinkt regelrecht in einer Depression. Ich habe dieses meanchoniche Naturgedicht gern gelesen.

Viele Grüße
ruhelos

Leier
03.05.2009, 18:49
Liebe ruhelos,

Du hast so gut erfaßt, was ich mit dem Gedicht ausdrücken wollte:
Die Wehmut darüber, daß vom einzigen Hab und Gut (Leben), das man hat, immer weniger bleibt.
Und doch bleiben die wundervollen Erinnerungen an die Kindheit erhalten, sehr tröstlich und süß.

Hab Dank für Deinen Kommentar!

Lieben Gruß
von
cyparis