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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Dichtertreffen und danach


Chavali
16.10.2015, 20:15
Einstmals trafen sich die Dichter
hier und dort beim kühlen Wein,
schauten sich in die Gesichter,
geschworen Treue Stein und Bein.

Aßen von dem süßen Kuchen,
lachten und versprachen sich
Wiedersehen zu versuchen.
Es folgte ein Gedankenstrich.

Heimlich fanden sich die Grüppchen,
einer stach den andern aus,
köchelten ihr eignes Süppchen:
zum gegenseitigen Applaus.

Ehrlichkeit sucht man vergebens,
in die Augen schaut man nicht,
nur der Anerkennung Strebens -
deswegen lobt man Gegenlicht.

Bleiben uns nur diese Worte,
wenn wir einmal nicht mehr sind;
schreiten durch die dunkle Pforte,
so rein und wortlos wie ein Kind.

ginTon
16.10.2015, 20:37
Hi chavilein...

interessantes Gedicht mit sehr nachdenklichem Inhalt. Selbst die von allen so
hoch gelobten Dichter, mit ihren leicht dahinschwingenden Idealen etc.pp
beugen sich irgendwann einer Gruppendynamik.

Eine Frage vorab, die letzte Zeile jeder Strophe wurde schon mit Absicht
jambisch geschrieben? Also wie so eine Art Nachhall o.ä...Ich frage, weil ich
persönlich schon einige Änderungen an dem Werk vornehmen würde und
sollte diese Zeile so von dir gedacht worden sein, könnte man diese auch
als Waise abgrenzen o.ä. Ich frage aber vorher, damit die Vorschläge auch
iwie schlüssig der Vorlage folgen.

liebe Grüße gin

falscher Denker
16.10.2015, 20:44
Einstmals trafen sich die Dichter
hier und dort beim kühlen Wein,
schauten sich in die Gesichter,
geschworen Treue Stein und Bein.

Ein Bestreben das eine Gruppe zusammen bringt, im Stand und in der Bewegung. Zumindest auf den ersten Blick.

E
Aßen von dem süßen Kuchen,
lachten und versprachen sich
Wiedersehen zu versuchen.
Es folgte ein Gedankenstrich.

Sorglos, den es funktioniert, die ersten Worte sind geschrieben, bleiben so stehen, das Gesagte wirkte vereint. Doch haben wir Menschen diese Eigenheit, eben ein Bestreben und Grübeln, von gesund bis ungesund, von der gewünschten Norm bis zum unteren Durchschnitt. Eben bewegte Verschiedenheit.

E
Heimlich fanden sich die Grüppchen,
einer stach den andern aus,
köchelten ihr eignes Süppchen:
zum gegenseitigen Applaus.

Worte wurden zum Stellungsaufbau. Rang und Name wurden gelobt und Leistung bewundernd gezeigt. Die Worte, so unschuldig sie auch im Einzelnen sind, können Zutaten sein für ungeahnte Schärfe.


E
Ehrlichkeit sucht man vergebens,
in die Augen schaut man nicht,
nur der Anerkennung Strebens -
deswegen lobt man Gegenlicht.

Wenn Licht auf Licht trifft wird es hell und die Schatten verschwinden. Doch sind sie dann nur ungesehen. Kritik wird mit Lob verwischt, die Augen als Fenster, schwer zu schließen bis ins Innerste, werden gemieden. Aus gut gemeintem wird es plötzlich irgendwie unsauber.

E
Bleiben uns nur diese Worte,
wenn wir einmal nicht mehr sind;
schreiten durch die dunkle Pforte,
so rein und wortlos wie ein Kind.

Das ehrlichste an einen Werk ist das Werk selbst und nicht deren Autor/in.
Ein Werk steht immer erst einmal alleine mit seiner Geburt, dem Grund des Schreibens. Manches wird durch erklären unsauber, wenn nicht ehrlich gemeint. Wenn man sich messen muss, statt innezuhalten. Am Ende bleibt das Werk. Wie es immer da stand. Am Anfang. Mit Zauber gespickt.
Für den einen schön, den anderen unsauber, inhaltlich klar oder ausbaubar, eben je nach Mitredner, Leser und Kenner. Das macht Worte lebendig, angreifbar





f.D.

Chavali
19.10.2015, 23:33
Hi ginnie,Eine Frage vorab, die letzte Zeile jeder Strophe wurde schon mit Absicht
jambisch geschrieben?ja, das war Absicht, ich mag diesen Rhythmuswechsel, der Lebendigkeit in ein gleichföriges Metrum bringt.Ich frage, weil ich
persönlich schon einige Änderungen an dem Werk vornehmen würde das kannst du gerne machen, schaun mer mal, was dabei herauskommt :o

Hallo Denkerlein,

schön, dich mal wieder zu treffen :)
Du hast eine interessante Interpretation geliefert! Gefällt mir.


Danke euch beiden!
Liebe Grüße,
Chavali