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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : stummfilm


wolo von thurland
02.09.2015, 20:44
das lied des vogels im baum erreicht dich nicht.
der wind pfeift ungehört ums haus herum.
ein hund im garten reißt das maul auf, stumm.
kein laut steigt von der straße, lediglich licht.

ein auto schleicht auf samtpfoten vorbei.
vom radio kommt nur zischeln. ist es an?
auf dämpfern schwebt ein lastwagengespann
zur stadt hinaus.
........................nur innerlich ist: schrei!

ein schrei! aus lauter ungehörten lauten,
bewegten lippen und aus aufgestauten
geräuschen, deren quelle nirgendwo quillt.

wenn immer sich die worte der vertrauten
gesichter im ohr überschlagen, dass es schrillt,
reißt dieser schrei! sich los, der alle(s) überbrüllt.


zum vergleichen, weil hier so kompetente kritiker folgereich am werk waren, die ursprüngliche fassung:
das singen aus dem baum erreicht dich nicht.
der wind pfeift ohne ton ums haus herum.
ein hund im garten reißt das maul auf, stumm.
kein laut steigt von der straße, nur ein licht.

ein auto schleicht auf samtpfoten vorbei.
vom radio kommt ein zischeln. ist es an?
auf dämpfern schwebt ein lastwagengespann
zur stadt hinaus.
nur innerlich ist: schrei!

ein schrei! aus lauter ungehörten lauten,
bewegten lippen und aus aufgestauten
geräuschen, deren quelle nirgends quillt.

wenn sich im ohr die worte der vertrauten
gesichter überschlagen, dass es schrillt,
reißt dieser schrei! sich los, der alle(s) überbrüllt.

Agneta
04.09.2015, 20:50
wow, das ist ja mal ein Sonett, Wolo. Packend, faszinierend verzweifelt .
Starke Bilder, bin begeistert.
Tipp: schau doch noch mal auf die Samtpfoten
/ - - betont , unbetont, unbetont
z.B. "ein Auto schleicht sich pfotensamt vorbei"
Klasse, echt, klasse, das Teil! Sowas habe ich lange nicht gelesen.:Blume::Blume:
LG von Agneta

wolo von thurland
05.09.2015, 11:40
hallo agneta

nun, wo du deine freude daran mitteilst, finde ich auf einmal auch, ich hätte mir hier einige mühe gegeben. danke also.

nun aber ein aber:
leider trennt uns hier bereits wieder unsere verschiedene auffassung von vers und versmass.

ein auto schleicht auf samtpfoten vorbei.
diese iambus-zeile hat genau zwei betonte stellen. das ist ein guter wert für einen vers mit 10 silben. ebenso die zahl von nur zwei einsilbigen wörtern in dieeser zeile.
nach der zweiten betonung kommt eine im wort vollkommen unbetonte endsilbe (-ten) auf eine "hebung" des iambus zu liegen. dies sehe ich nicht als fehler, sondern als vernünftige gestalterische möglichkeit. noch gestützt dadurch, dass ja eigentlich im wechsel die vorangehende "senkung" des iambus mit einer betonten, schweren, langen silbe gefüllt ist (pfo-ten), also eigentlich ein abtausch erfolgt (auch nicht zu unterschätzen: die folgende silbe "vor").
ich finde, man sollte solche rhythmik/metrik-probleme nicht nach irgendeiner "verslehre" anschauen, sondern den einzelfall auf seine innere logik prüfen.

danke, dass du mir gelegenheit gabst, mich für meinen vers hier in den kampf zu werfen. wahrscheinlich wird es nicht lange dauern, bis ich woanders kleinlaut zugebe, dass du recht hast.

gruss
wolo

Agneta
05.09.2015, 14:51
Lieber Wolo,
du hast mich speziell zu Kritik an deinen Werken aufgefordert und ich weiß nun nicht genau, was ich dir antworten soll.
Dieses Werk ist so gut, dass man die Stelle ausmerzen sollte.
Vielleicht lässt du mich ein paar Worte zur Metrik verlieren. Sie hat weder mit Logik noch mit langen oder kurzen Silben zu tun.
Es geht um betonte und unbetonte Silben.:)
Diese folgen der natürlichen Wortbetonung der deutschen Sprache und Samtpfoten wird nun mal nicht /-/ sondern / - - betont.
/ betont, - unbetont.
Samtespfoten wäre dann wieder /-/-.
Dieses Versmaß ist nicht beliebig, sondern die alten Griechen legten 4 Versmaße fest, die wir als Reimdichter einzuhalten haben. Aus stilistischen Gründen können diese untereinander gewechselt werden, aber nie in sich selbst.
Wer so gut schreibt wie du, .. naja, ich meine immer, dass es dann schade ist...
Ein Holpler kann jedem passieren.:D

Ich bitte dies nicht als Besserwisserei zu verstehen, sondern einfach nur als Hilfestellung. Es kursieren jede Menge metrisch falsche Werke im Netz und jeder behauptet, dass er er recht hat. Mir geht es nicht um recht haben, sondern um ein schönes Werk, das Lob verdient und einen kleinen Schnitzer hat.
Selbst bei Wiki stehen falsche Infos, Es geht bei der Metrik nicht um Silbenzählen, sondern um betonte Silben zählen.
So kommen z.B. auch viele falschen Limericks zustande, weil die Menschen solche falschen Informationen lesen und für richtig halten.

Wenn du es so stehen lassen möchtest, habe ich damit kein Problem. es ist dein Werk.:Blume::Blume:
LG von Agneta

wolo von thurland
05.09.2015, 16:36
hallo agneta
bevor hier missverständnisse entstehen:
deine kritik ist mir willkommen wie der jährliche fünfminutenregen der wüste!

aber bitte, ein missverständnis ist schon entstanden: ich will nicht silben zählen, sondern anzahl der betonungen in einem vers mit der anzahl seiner silben vergleichen.

im übrigen kann es durchaus sein, dass ich selber mal einen an sich guten vers eines kollegen nicht akzeptiert habe, weil ich ihm (nach meiner heutigen meinung zu unrecht) einen "holperer" ankreidete.

ich habe "alte griechen" zum teil im original gelesen. eine "verslehre"war nicht darunter. wenn du konsequent wärst mit deiner theorie von den betonten silben, dann müsstest du bereits in zeile 1 und zeile 4 meines textes stolpern, denn die partikeln "aus/von" liegen dort auf einer hebung des iambus, obwohl sie keineswegs betont sind. eigentlich gilt dies auch für das unbetonte "nicht" am ende von zeile 1. warum fallen diese stellen nicht auf?
auch die stelle "innerlich ist schrei" würde nach deiner theorie absolut nicht gehen. findest du nicht?
es gibt noch einige weitere solche stellen. wie denkst du zum beispiel über "laswagengespann"?

ich finde es interessant, über solches zu diskutieren und disputieren. darum bitte ich: schnapp jetzt nicht ein, sondern kritisiere so oft und so hart, wie du magst. an anderer stelle könnte ich durchaus klein beigeben. aber auch wenn ich aus eigener sicht entgegne, ist hoffentlich was wert, oder?

schönen abend
wolo

Agneta
05.09.2015, 17:49
??????????????????
Einzelsilben kann man betont und unbetont einsetzen, lieber Wolo- das nicht ist also hier betont, weil das reicht betont ist und wenn man das NICHT betonen will. Darin besteht eben die Kunst der Metrik und das Spiel der Lyrik- Dichter, die Silben je nach Metrikschema gekonnt einzusetzen. - Obwohl das Nicht hier in der Tat schwach wirkt...

Beispiel:

das Singen aus dem Baum erreicht dich nicht 5 hebiger Jambus ( wenn man "nicht" betonen will!)

Singen aus dem Baum erreicht dich nicht- 5 hebiger Trochäus

oh, das Singen des Baumes erreichte dich nicht mehr , als... 4 heb. Anapäst
Gott ließ die Lüfte des Abends verwehen und...- 4 hebiger Daktylus oder 3 heb, Anapäst mit Vortakt



stimmt Lastwagengespann fällt auch darunter wie Samtpfoten
/ -- Lastwagen.
hatte ich übersehen.
nur innerlich ist Schrei ist korrekt.
Ich kann darüber keinen Disput führen, weil es nicht "meine Meinung ist", sondern es Regeln der Linguistik sind, die ich nicht gemacht habe. Man kann sie anerkennen oder eben nicht.
Ich will mich ja hier nicht als Oberlehrer aufspielen.
Es war nur ein Hinweis und solche Debatten zu führen, nimmt mir den Spaß am Forum und es fehlt mir die Zeit. :Blume:
Also lassen wir es einfach. Ich kann damit gut leben.
LG von Agneta

wolo von thurland
06.09.2015, 08:07
Liebe Agneta
"Regeln der Linguistik"?
Das ist für mich in diesem Zusammenhang ein befremdlicher Begriff.
Nun, es tut mir Leid, wenn ich dich hier vergraule.
Ich habe mich sehr über eine neue Leserin gefreut, welche erst noch Gefallen an meinen Texten findet.
Nur eins noch: Warum ist nach deinen Regeln "nur innerlich ist Schrei" korrekt? Bitte erkläre mir das doch noch aus deiner Sicht, bevor du mir die Freundschaft kündigst.
Danke!
wolo

Bodo Neumann
06.09.2015, 11:19
Hallo Wolo,

dein Stummfilm gefällt mir richtig richtig gut, obwohl mich Sonette (du weißt es vielleicht) häufig nicht ansprechen. Deshalb habe ich mich gefragt, warum gerade dieses mich erreicht. Hier das Ergebnis meiner kleinen Analyse:

Zuerst gefällt mir die Metapher des Stummfilms für die Darstellung des Gemütszustandes des LI - das ist ein sehr passendes Bild. Das ist dir meiner Meinung nach in S1 noch besser gelungen als in S2. Hier tauchen Hintergrundgeräusche auf (zischeln, Dämpfer), die das Bild der absoluten Stille aus S1 etwas aufweichen. Mag sein, dass das beabsichtigt ist. Auch gefällt mir das Bild eines Autos auf Samtpfoten nicht ganz so. Irgendwie sehe ich den Wagen dabei vorbeischreiten...
Die Ruhe wird formal unterstützt durch Aussagen, die jeweils am Versende abgeschlossen sind.

Ganz stark finde ich den letzten Vers des 2. Quartetts. Der plötzliche Schrei, zusätzlich verstärkt durch die optische Absetzung in die nächste Zeile, erzeugt Spannung. Danach gelingt es dir, durch stakkatoartige Wortwahl und versübergreifende Aussagen (im Gegensatz zu den ruhigen Quartetten) ein verzweifeltes Tempo aufzunehmen. Gerade dieser harte Übergang hat es mir angetan, eben weil hier die Form den Inhalt so wunderbar unterstützt. Es entsteht kein Geleier, keine Langeweile - es reißt mich wirklich mit. Das könnte ich mir auch als Songtext sehr gut vorstellen.

Agnetas "metrische Einwände" kann ich nachvollziehen. Lastwagen, Samtpfoten - das gleiche hatten wir ja schon bei den Erdmännchen diskutiert. Gut vorgetragen, d.h. die letzte Silbe möglichst schwach betont, kann es durchaus funktionieren. Aber zunächst stolpert man einfach drüber. Aber ich möchte das Thema hier nicht aufwärmen. Das hast du alles mit Agneta schon besprochen.

Gruß Bodo

wolo von thurland
06.09.2015, 11:44
hallo bodo

danke für deinen interessanten beitrag, der weitere aspekte eröffnet.

zunächst eine entgegnung:
"dämpfer" hat entegegen deiner meinung mehr mit stille zu tun, als du denkst: schalldämpfer, stoßdämpfer!
aus "zischeln" habe ich nach deinem kommentar "nur zischeln" gemacht.
nehmen wir an, dass es sich hier um einen menschen mit beeinträchtigtem gehör handelt, ist auch logisch, dass die geräusche im zimmer noch wahrnehmbar sind, während die geräusche vor dem fenster (modernem, gut schliessendem, dreifach-verglastem fesnter) nicht durchkommen.

dann ein grosses dankeschön für deinen blick auf formale details, der mir besonders gut tat.

und zuletzt eine bitte, ein aufruf an mögliche weiter leser des textes und der debatte hier:
ich behaupte, dass agneta und bodo unter anderem genau der (in meinen augen korrekte, in ihren augen fehlerhafte) umgang mit dem metrum hier den text schmackhaft macht. (ich zitiere schon wieder georges brassens, der vehement vertrat, die menschen würden seine lyrik mögen, weil sie zuerst seine musik mögen.)
wenn bodo und agneta die metrik-debatte als unfruchtbar abschliessen möchten, so halte ich dafür, dass dies ein objkekt wäre, anhand dessen man sie führen könnte/müsste. also freut mich jede weitere wortmeldung.

gruss
wolo

Agneta
06.09.2015, 13:07
Lieber Wolo,
ich habe nicht vor, dir die Freundschaft zu kündigen und ich fühle mich auch nicht vergrault, nur weil du die Metrik nicht akzeptieren möchtest.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass du mit deiner Einstellung nicht alleine stehst und bereits mehrfach betont, dass ich mir derlei Kritik eigentlich abgewöhnt habe. Ich habe es NUR gemacht, weil du mich persönlich um Kritik gebeten hast.:D
Deine Werke gefallen mir und das wird vermutlich auch in Zukunft so sein. ich gehöre nicht zu denen, die insistieren und respektiere deine Vorbehalte, auch, wenn ich sie nicht teile.
ich habe dir oben vorgeschrieben, wie sich die Metrik darstellt, in diesem Schema solltest du die Zeile, die du anmahnst, selbst eingliedern können. ich möchte mich dazu nicht mehr einlassen. ich bitte um Verständnis und möchte das Thema Metrik hiermit beenden.
Gerne werde ich weiterhin deine Werke lesen. Denn sie haben unglaubliches Potential.
LG von Agneta:Blume:

Claudi
10.09.2015, 07:29
Hallo Wolo,

zur metrischen Debatte:


ein auto schleicht auf samt-pfoten vorbei.
vom radio kommt nur zischeln. ist es an?
auf dämpfern schwebt ein last-wagengespann
zur stadt hinaus.
........................nur innerlich ist: schrei!


wenn sich im ohr die worte der vertrauten
gesichter überschlagen, dass es schrillt,
reißt dieser schrei! sich los, der alle(s) überbrüllt.


In den beiden rhythmisch markantesten Strophen habe ich mal meine Lesart markiert. Aber auch die beiden anderen müssen nicht stupide jambisch runtergeleiert werden. Ist es das, was Du sagen wolltest? Jedenfalls sprichst Du nicht wirklich "samtpfoten", oder? Das würde mich sehr wundern.

Die Klammer bei alle(s) würde ich unbedingt entfernen! Damit verwässerst Du beide Aussagen. Entscheide Dich lieber für eine.

LG Claudi

wolo von thurland
16.09.2015, 12:01
hallo claudi, bodo, agneta

Wenn selbst claudi aus „innerlich“ ein „innerlich“ macht, kriege ich es mit der Angst zu tun, dass ich nur Quatsch denke, der für andere unverständlich und objektiv damit falsch sei.

Samtpfoten und Lastwagen und innerlich sind doch von der Betonung her ganz klar und eindeutig Xxx-Daktylen.
Ich habe mich inzwischen gefragt, ob ich Bodo und Agneta falsch verstanden habe. Falls sie von mir wissen wollten, ob ich diese Wörter „iambisch“ zusätzlich auf der dritten, der Endsilbe betone, ist selbstverständlich meine Antwort ein klares „Nein“. (Ein weiterer diskutabler Fall ist "aufgestauter", das man nich wriklich als zweifachen iambus bezeichnen kann.)

Ich finde (und bei gewissen eurer grossen deutschen Dichter finde ich mMn eine Bestätigung), dass ein „Fünfheber“ nicht zwangsläufig 5 Betonungsschwerpunkte hat.
Aber!!! Ich will damit nicht jenen Gedichten das Wort reden, welche Sätze und Ausdrücke ohne Rücksicht auf die Sprachmelodie in ein metrum pressen. Oft verbunden mit Inversionen, Füllwörtern und Häufungen einsilbiger Wörter. Solches gibt es sicher auch von mir. Aber im vorliegenden Fall bin ich immer noch der Meinung, dass es so stehen bleiben nicht darf, sondern muss.

claudis Bemerkung zu „alle(s)“ nehme ich auf. Kann aber nicht wirklich gleichziehen. Wenn ich so weit bin, dass dieser Schrei kommt, dann werden Personen zu Sachen und „alles“ zum persönlcichen Feind.

Ich nehme mir nun noch heraus, meinen Text hier selber "metrisch" zu untersuchen. Hoffe, man verzeiht es mir, falls es nicht auf Interesse stösst.

das singen aus dem baum erreicht dich nicht.
der wind pfeift ohne ton ums haus herum.
ein hund im garten reißt das maul auf, stumm.
kein laut steigt von der straße, nur ein licht.

ein auto schleicht auf samtpfoten vorbei.
vom radio kommt nur zischeln. ist es an?
auf dämpfern schwebt ein lastwagengespann
zur stadt hinaus.
........................nur innerlich ist: schrei!

ein schrei! aus lauter ungehörten lauten,
bewegten lippen und aus aufgestauten
geräuschen, deren quelle nirgends quillt.

wenn sich im ohr die worte der vertrauten
gesichter überschlagen, dass es schrillt,
reißt dieser schrei! sich los, der alle(s) überbrüllt.

Wenn ich das vorlesen, vortragen täte, würde mein mittel-alemannischer Bergler-Singsang für den Zuhörer das Ganze wie ein Bockspringen oder eine Blaskapelle beim Umzug klinge lassen. Aber das kann nur für bestimmte Gedichte das Ziel sein, nicht für alle.

Hoffe, dass sich irgendwer angesprochen fühlte, das zu lesen und grüsse diese(n)
wolo

Claudi
16.09.2015, 15:04
Hi Wolo,

ach soooo! :Aua Wir reden ja komplett aneinander vorbei.
Wenn selbst claudi aus „innerlich“ ein „innerlich“ macht, kriege ich es mit der Angst zu tun, dass ich nur Quatsch denke, der für andere unverständlich und objektiv damit falsch sei.

Ich war bei "jambisch" und habe (selbstredend) auch die (formalen) Nebenbetonungen mit eingetragen. Das ist so üblich, auch wenn man diese Silben nicht wirklich betont. ;)


Samtpfoten und Lastwagen und innerlich sind doch von der Betonung her ganz klar und eindeutig Xxx-Daktylen.

"Innerlich" schon. Die anderen beiden nur mit viel Wohlwollen. Hast Du gesehen, was ich aus Deinen Samtpfoten gemacht habe? :p

LG Claudi

Agneta
16.09.2015, 16:17
Ich denke ja,wir reden irgendwie aneinander offenbar vorbei, ich denke, das kommt daher, was ich aus deinem Antwortkommi herauslese.Du gehst scheinbar, lieber Wolo, von einer falschen Prämisse aus.
So sieht es real aus, irgendwie denkst du anders:

Die Sprachmelodie ist die Metrik- das ist dasselbe!

und ein Fünfheber hat immer 5 Betonungssilben, Sonst wäre es ja keiner!
Pentameter.

Ein Sechser-Hexameter hat 6. Drum heißt er ja so.

Wenn du dies bei den alten Dichtern nicht wiederfindest, dann wendest du die Metrik höchst wahlrscheinlich falsch an.

Es gibt allerdings klassiche Dichtformen, die bewusst diese Metrik brechen, z.B. das Distichon ( Elegien). Hier steht dann die Zwangsform des Genre der Metrik entgegen, z. B im sogenannten Bruch.
Weiter möchte ich mich dazu aber nicht einlassen, denn ich hatte das Werk ja bereits einmal metrisch beziffert.


Zu Claudi :

ein Auto schleicht auf Samt-Pfoten vorbei.
Hier haben wir gar keine Metrik , sorry. danützt es auh nix, wenn man Samt und Pfoten mit Binmdestirch schreibt.
vorne Jambus, dann ein Bruch mit 2 betonten Silben , dann inkl. dieser betonten Silbe ein Anapäst mit Vortakt oder ein Daktylus. Sowas gibt es nicht in einer Zeile.
Es sei denn, ein Dichter würde es durchgängig anwenden aus stilistischen Gründen.
Wir finden dies durchgängig im Erlkönig z.B.
Dies ist hier aber nicht der Fall. es ist eben leider nur falsch.

Reimgedichte haben eine bestimmte Metrik. So ist und war es in der Lyrik vorgesehen. Selbst Prosagedichte machen sich erheblich besser, wenn man Metrik einfließen lässt. Sonst hat man nämlich kein Gedicht, sondern nur einen Text, der wie ein Gedicht gesetzt ist.
Ob man das will oder nicht will,muss jeder selber entscheiden.

Sich abzuarbeiten an Dichtenden, die die Metrik nicht beherrschen und dennoch auf ihr Recht pochen, habe ich mir abgewöhnt.Metrik wird nicht umsonst in Schlen gelehrt, es ist nicht so einfach wie es aussieht.
Dazu kommen falsche Aussagen im Netz.
ich denke, es ist eine grundsätzliche Entscheidung. Will ich als Dichtender Metrik beherrschen und anwenden oder will ich es nicht?

Die Metrik selber ist nicht zu biegen. Sie steht fest und das schon sehr lange...GGG




LG von Agneta

Claudi
16.09.2015, 21:43
Hallo Agneta,

wieso sagst Du das mir? Wolo hat das Gedicht doch geschrieben? Ich habe lediglich markiert, wie ich es lese. Kein Grund, offene Türen einzurennen. :D

LG Claudi

Agneta
16.09.2015, 22:39
ich meinte es nicht böse, entschuldige...
:Blume:von Agneta

wolo von thurland
23.09.2015, 10:33
Hallo Claudi
In der (hoch)deutschen Rede, denke ich, sind die Betonungen auch bei Samtpfote und Lastwagen eindeutig, sogar bei Lastkraftwagen oder Lastkraftwagenfahrer wäre dem so.
Korrigiere mich,wenn ich das (als "Süddeutscher") falsch sehe.
Aber dieser Punkt schafft doch keine Differenz zwischen unserer Auffassung von der Funktion der Metrik? Sehe ich jedenfalls so.

Hallo Agneta
deine Argumente, deine ganze Argumentation werden mir immer wie unverständlicher und führen mMn von der Problematik weg.
Ich meine dies nicht böse, aber kann mir auf dieser Ebene keine vernünftige Diskussion vorstellen.
Statt einer Entgegnung werde ich mir mal anschauen, wie sehr du selber deiner Versmathematik folgst. Vielleicht finden wir uns dort wieder.

euch beiden einen schönen tag
wolo

Chavali
23.09.2015, 17:14
Hallo wolo,

ein starkes Stück Lyrik, in der Tat, gefällt mir!

Ich bin nicht so der Rhythmus-Erläuterer und -zerpflücker und -begründer.
Ich spüre einfach nur, dass pfotensamt sich besser liest und besser spricht und man
nicht stolpert beim Lesen.

Das nur kurz als mein Statement dazu, kannst ja eine Strichliste machen,
wer für Samtpfoten (ich liiiiebe Samtpfoten, hab selber zwei:o) oder pfotensamt ist.

Der Mehrheit Stimme gilt dann :D


LG Chavali

Claudi
23.09.2015, 17:54
Hallo Wolo,

wenn Du mich fragst, ob Dein Gedicht metrisch sauber ist, kriegst Du ein klares Nein. Mir scheint allerdings, Dir geht es vor allem um die Betonung im Vortrag? Rein metrisch gesehen sind dies keine durchgehend "sauberen Jamben", aber ich ahne irgendwie, dass gerade das vielleicht gar nicht Deine Absicht war? D.h. wenn Du gewollt hättest, wäre Dir statt "Lastwagengespann" auch ein "Sattelschlepperzug" eingefallen? Der hätte jedenfalls metrisch genau reingepasst.

Zur "wortgetreuen" Nachbildung des Metrums hatten Fridolin und Thomas hier (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=13336&highlight=platen) in den Beiträgen #4, #5 und #6 schon mal Grundlegendes gesagt. Vielleicht bringt uns das im Gespräch weiter? Ich bin jedenfalls nicht abgeneigt, bei Interesse weiter mit Dir zu diskutieren. Könnte nur sein, dass es manchmal etwas dauert, bis ich Zeit zum Antworten finde.

LG Claudi

Marzipania
23.09.2015, 18:38
Hallo Wola,
mir gefällt dein Sonett in fast jeder Hinsicht.
Die "Samtpfoten" bringen mich allerdings ebenfalls aus dem Rhythmus, wobei es mir persönlich absolut wurst ist, ob das Metrum "sauber" durchgeführt worden ist oder eher nicht.
Fakt ist, dass es hier einer Eingangssilbe bedarf, die einen starken Vokal beinhaltet - wie eben jener bereits vorgeschlagene "Pfotensamt."
Ich verstehe auch nicht, warum du dich so dagegen wehrst. - Schade um das ansonsten klangschöne Gedicht! ;)

MR.

wolo von thurland
24.09.2015, 07:26
werte damen (und herren)

ich gebe klein bei, indem ich berücksichtige, was ich selber schon oft bei andern anführte:
man sollte nicht rhythmische schnörkel einbauen, wenn man, wie ich zuerst hier, schon am anfang den leser in den marschtrott des deutschen "links, zwei, drei, vier-Iambus" gewiegt hat. nun habe ich veruscht, diesen trott noch mehr aufzuweichen. (für mich ist es immer noch ein fünfhebiger iambus. für andere mag es schon vers libre sein, was es nicht ist.)

aber: ich gebe auf gar keinen fall meine "schwebenden" und "schleichenden" verse in strophe 2 auf. und ich verabscheue stilblüten wie "pfotensamt", bei denen sich auge, ohr und magen übersäuern.

ich bitte um verständnis und würde mich freuen, wenn der text nach erfolgter änderung (s.o.) immer noch euer gefallen fände.

danke für die hilfe und gruss
wolo

@claudi
gerne werde ich den link studieren.
aber einen einwand habe ich jetzt schon: was heisst denn "metrisch sauber"? mit solchem begriff sind wir bereits wieder mitten in der nebelbank.

Claudi
26.09.2015, 04:53
Hi Wolo,

aber einen einwand habe ich jetzt schon: was heisst denn "metrisch sauber"? mit solchem begriff sind wir bereits wieder mitten in der nebelbank.
hm ja, recht nebulös, mein Wischiwaschi. Nehmen wir doch einfach Deine Definition:

marschtrott des deutschen "links, zwei, drei, vier-Iambus"
wenn Dir das lieber ist. :p


aber: ich gebe auf gar keinen fall meine "schwebenden" und "schleichenden" verse in strophe 2 auf
Nein, auf keinen Fall! Das wäre ein Jammer! Die kleinen rhythmischen Schlenker lesen sich für mich gut und sind m.E. ein ausgezeichnetes Stilmittel, einen Eindruck von der (leicht verzerrten) Geräuschkulisse zu vermitteln, die der Protagonist wahrnimmt. Deinen Trick, bereits V1 etwas freier zu füllen, finde ich schlau.


für mich ist es immer noch ein fünfhebiger iambus. für andere mag es schon vers libre sein, was es nicht ist.
Wie wäre es mit "leicht variierter fünfhebiger Jambus"? Da würde ich mitgehen. Im übrigen bin ich ganz bei Bodo, und die rhythmischen Variationen sind für mich das Salz in der Suppe.

Schönes Gedicht! Ich bin sehr angetan. :)

LG Claudi

Marzipania
26.09.2015, 07:34
Na ja, ichsaachmaso,

Sonette sind nun einmal metrisch gebunden. Und zwar nicht deswegen, weil der Deutsche (an sich) zum Marschieren neigt - was ihm bei dieser romanischen Gattung auch nicht viel nützen würde - sondern weil es dem Wohlklang dient.
Sonette bedürfen fester und verlässlicher Strukturen, um der Herausforderung ihres dialektischen Anspruchs gerecht zu werden.
Etwas anderes ist es, wenn einem Sonett auf Anhieb entnommen werden kann, dass seine "freiere" Auslegung Sinn macht, wie es beispielsweise bei Rilke der Fall war:

Atmen, du unsichtbares Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauchter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.

...
Sonette an Orpheus

Aus deinem Gedicht, geschätzter Wolo, geht dieser Wille zur freien Form aber nicht hervor. Auch nicht in der neuesten Version, die m. E. zwar deutlich besser, aber klanglich immer noch nicht einleuchtend ist.

Du mischst die tradierte Form mit zwei, drei freieren Einsprengseln. Das wirkt auf mich streckenweise unbeholfen, verbesserungswürdig (mal abgesehen davon, dass Pfotensamt hundertmal origineller klingt als Samtpfoten ...:rolleyes: ) - Gleichwohl ist dein Sonett besser, als vieles, was es in den Foren so zu schauen gibt. :Herz:

An deiner Stelle würde ich mich zunächst ans Tradierte halten und danach, wenn du das wirklich beherrscht, zu den Varianten übergehen. - Das sage ich dir nicht aus Klugscheißerei, sondern aus Erfahrung. - Ich selber habe meine "steile lyrische Karriere" :D:rolleyes: nämlich mit dem vers libre begonnen. Deshalb benötigte ich später übermäßig viel Zeit, einen akzeptablen Rhythmus zu finden.

Trotzdem lese ich dich gern, sonst klebte ich nicht schon wieder an deinem Faden. Die Entwicklung der Dichtenden ist und bleibt für mich eine überaus spannende Sache.

Freundliche Grüße
RM

wolo von thurland
28.09.2015, 10:00
Hallo zusammen
Ich danke sehr für die neuerliche Beschäftigung mit meinen Problemen. Da sind nun noch ein paar sachliche Argumente dazugekommen, ich kann meine Lehren daraus ziehen, wenn ich nicht lieber weiterhin unbekpmmert und unbeholfen drauf los reimwurstle.
Aber eine "steile lyrische Karriere" hätte natürlich auch ihren Reiz...:)
Bis ein ander Mal
wolo

ergänzung an claudi:
ich bin dem link gefolgt. die diskussion fand ich interessant. aber das da von goethe:

So ist's mit aller Dichtung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

ist m.e. ein fürchterlicher missgriff des grossen meisters. das hätte er nicht so schreiben dürfen. naja, vielleicht war das damals erlaubt. damals schaute ja alles nach paris und deutsch war zweitrangig. aber heute? bitte nein.

Claudi
29.09.2015, 08:38
Hi Wolo,

Du meinst inhaltlich? Oder wo ist da nach Deinem Geschmack der Missgriff? Mich reißen die Verse auch nicht vom Hocker. Aber es ging ja ums Metrum.

LG Claudi

wolo von thurland
29.09.2015, 11:47
vom inhalt gar nicht zu reden. aber da bin ich viel toleranter.
nein, ich finde, man darf als grosser dichter die sprache nicht in dieses marschkorsett zwängen. es sei denn, man wolle zum inhalt passend was militärisch-zackiges gestalten.
diese sechs zeilen kann man nicht mal mit grösster rezitatorischer anstrengung zum leben erwecken.
lgw