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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die alte Jungfer


Erich Kykal
24.04.2009, 15:57
Die langen, überschlanken Hände ruhn
im Schoß, als suchten sie den scheuen Augen
ein Halt zu sein in jenen Augenblicken,
da andere um sie Gefühle zücken,
beständig prüfend, ob sie weiter taugen
für alles das, was sie einander tun.

Sie ist gestählt an einer innren Stille,
die jenseits solcher Pfänderspiele steht,
als wären in ihr nicht Verletzlichkeit
und Weisheit wechselseitig aufgereiht
an diesem Nerv, der durch ihr Leben geht
wie ein zu lang daran geprüfter Wille.

Sie weiß den Zweifeln, wenn sie niederregnen,
die hohe Stirn zu bieten für das Eine,
das sie nicht hingab, und hingebungsvoll
trägt sie es tränenwund durch Weh und Wohl,
als wäre nur dies Opfer, dieses reine,
imstande, ihre Gegenwart zu segnen.

ReinART
24.04.2009, 17:10
Hallo Erich
wieder ein fein gesponnener Kykal.
Hast die Facetten der alten Frau gut bedacht und bedichtet.
Mir gefällt der Titel sowie die erste Zeile nicht.
Ich werde bei der ersten Zeile an ein schönes junges Mädchen, mit langen schlanken Fingern erinnert!
Dir würde, wenn Du wolltest, was Du sicherlich nicht willst :D, ein besserer Satz als:
Mit einer Haut wie Leder ihre alten Hände ruhn
oder
die alten, schlanken? Hände ruhn
oder
wie dürre, alte Äste;) ihre Hände ruhn
oder so.... einfallen.
Lieben Gruß und fahr vorsichtig
Reinhard

Erich Kykal
24.04.2009, 17:16
Hi, ReinART!

Tja, eine sog. "alte Jungfer" muss nicht zwangsläufig alt im numerischen Sinne sein. Es gibt durchaus jüngere "alte" Jungfern. Frauen, die - aus welchen Gründen auch immer - beschlossen haben, ohne Sex durch's Leben zu gehn.
Seien dies Nonnen, als Kinder Missbrauchte, rigoros religiös Erzogene oder Indoktrinierte, Komplexhaufen und Gehemmte aller Art und, und, und...
Es soll auch männliche geben...
Ich wollte nur ein Gefühl für die Lebenseinstellung, das Credo geben, das diese Geschlagenen aufrecht hält.

LG, eKy

ReinART
24.04.2009, 17:20
...mh alte Jungfer spricht aber eine andere Sprache.
Auch Atribute wie Weisheit und der Nerv, der durch ihr Leben geht,lässt für mich eher eine alte Frau erwarten.
Nun gut. Ist Dein Gedicht;)
LG
Reinhard

Erich Kykal
24.04.2009, 18:13
Hast ja recht! Beim Schreiben stand mir eher eine gereifte "Madam" vor Augen, der man am spitzen Kinn ansieht, dass sie einen Großteil ihres emotionalen Daseins aus jener Welt geschwiegen hat, die ihr gerade noch erträglich erscheint. Lange schlanke Hände sind bei mir nicht zwingend ein Attribut für Jugend. Belassen wir es dabei.

LG, eKy

a.c.larin
24.04.2009, 18:52
lieber erich, lieber reinARt,
wie wär's - um euren "Streit" zu beenden - mit : knöchern schlanken Händen, das wirkt auch schmal, aber nicht mehr ganz so erotisch....


lieber erich,
vielleicht ist die alleinstehende dame ja weder zu streng erzogen, noch lust-oder phantasielos - vielleicht hatte sich nur einfach der richtige nie gefunden oder sich jählings verschüsst ? ( soll alles schon vorgekommen sein, auch bei ganz "normalen" frauen...)
hast du gut nachempfunden, dieses innerlich-sich-an etwas-halten- müssen, da , wo emotionales öffnen versagt geblieben ist...

liebe grüße
larin

Erich Kykal
24.04.2009, 19:01
Hi, larin!

Die langen, schanken Hände ruhn...

Ich weiß nicht, wie man diese Gleichlautreimform nennt, aber dein Vorschlag, so gewitzt er auch ist, würde diese Symmetrie stören.

Ich möchte es ehrlich gesagt nicht ändern. Lange, schlanke Hände sind für mich nicht altersgebunden, eher ein Attribut der Askese, Selbstbeherrschung oder -verleugnung.

LG, eKy

Leier
25.04.2009, 09:25
Lieber Erich Kykal -

das ist wieder ein sehr "reines" Gedicht - Du weißt sicher, wer vor meinen Augen aufsteht!
Die hast recht damit, daß eine "alte Jungfer" nicht unbedingt an Jahren alt sein muß.
In meinen Ohren wirkt der Ausdruck leicht abschätzig, aber das mag subjektiv sein

Wie wäre es mit "zarten, schlanken Händen"?
"Gefühle zücken" ist in meinen Augen arg daneben. Ich dachte immer, man zückt Messer oder andre Waffen. Hier war wohl der Reim Dein Meister.
Insgesamt stimme ich Dir zu: Wer sich sozusagen aufbewahrt, bewahrt sich wirklich große Reinheit und dieses Gut nimmt an Wert zu. Auch wenn es zu einem gewissen inneren Stolz und Hochmut führen mag.

Einmal mehr großartig!

Submissest:
cyparis

Erich Kykal
28.04.2009, 10:01
Durchaus nicht, cypi!

Das mit dem "Gefühle zücken" ist bewußt so gewählt, da in Beziehungen Gefühle oft als Waffen missbraucht werden. Da wird mit Abhängigkeiten emotionaler oder materieller Natur geschachert, da wird um Mitleid und Verständnis gebuhlt, mit oft zum Teil rücksichtslosen Mitteln, für die sich macher Macchiavellist schämen würde! Wenn Zuneigung in Geiselhaft genommen wird, um Partner zu manipulieren und zu eigenen Gunsten zu beugen, nennen manche dies "Kompromiss", obwohl sie selbst die größten Nutznießer sind.
Das entspricht durchaus meiner Vorstellung von Waffengebrauch!
Die "alte Jungfer" enthält sich dieses "Schlachtfelds".

LG, eKy

Leier
28.04.2009, 10:06
Lieber Erich Kykal,


diese Deutung kam mir nicht in den Sinn, aber wenn du mir das so gut erläuterst....
So gesehen sind alte Jungfern zu beneiden.

LG
cyparis

Erich Kykal
29.04.2009, 12:43
Alles im Leben hat seinen Preis!
Spielst du mit im großen Spiel der Gefühle, kannst du verletzt werden, entziehst du dich, bleibst du allein. Ich bin letzterer Typ.

LG, eKy

a.c.larin
29.04.2009, 14:02
lieber erich,
es gibt noch eine weitere variante: man entscheidet sich für die mittelhalbgroßen gefühle und entwickelt dafür ein handling......
(motto: auch hausmannskost macht satt)

liebe grüße
von der häuslichen kampffront
larin

Leier
29.04.2009, 14:07
oha!


ich sah das Gedicht im Grunde "entkörperlicht", will sagen als Sublimierungsbeschreibung.
Wenn larin recht hat, streiche ich das Gedicht aus meiner "Lieblingsliste".
Dann mißfallen mir auch die "langen" Finger.

Geschockt:
cyparis

Erich Kykal
01.05.2009, 14:50
Nana, immer nur ganz oder gar nicht, wie?

Das Gedicht ist, was es ist, und ich freue mich, wenn andere mehr darin sehen als ich - das zeigt, dass ich sozusagen über mich hinausgewachsen bin, als ich es schrieb. Viel läuft auch im Unbewußten ab, das man vor sich selbst nie zugeben würde: Ein Gutteil dieser alten Jungfer ist, wie mir mittlerweile klar ist, autobiographischen Charakters, im übertragenen Sinne natürlich.
Meine Finger sind zwar weder lang noch schmal, aber das "Sublimierte", das dir so gut gefiel, ist durchaus Teil meiner persönlichen Problematik.
Ich hatte beim Dichten vielleicht ein anderes Gesicht, eine fremde Person vor Augen, aber ich habe ihr sozusagen meine eigene Charakteristik umgehängt, ohne es bewußt zu registrieren, zumindest vorerst...vielleicht, um in meinem verkorksten Leben so etwas wie stille Größe oder Würde entdecken zu können, in die ich mich dann hätte hüllen können, um so den schneidenden Winden der ehrlichen Selbstreflektion Paroli zu bieten!
Streiche es also bitte nicht von deiner Liste, denn dieses Gedicht beschreibt mein Wesen besser und ehrlicher, als mir selbst lieb sein kann!

LG, eKy

Dana
01.05.2009, 21:30
Lieber eKy,
ganz sicher hätte ich anders interpretiert, wäre ich die erste Leserin gewesen - oder doch nicht?
Hier ist der gesamte Faden spannend und Text und Bilder gehen unter die Haut.
Ich versuche die alte Jungfer in ihrer Eigenart aber auch in ihrer Einzigartigkeit zu sehen, was übrigens jeder Mensch ist.
Ich löse mich vom Vorurteil, in der alten Jungfer etwas Negatives, gar Abstoßendes zu sehen. Sie muss nicht zwangsläufig "verschrumpelte" Hände haben und "scheuklappenmäßig" zicken.
Unter diesen Aspekten erscheint mir eine lebenskluge Frau, die die Stärke besitzt, in Stille die Stirn zu bieten. Sie weiß um Oberflächlichkeiten und Vorurteile und schützt ihre Gegenwart - welch weise und tiefgründige Entscheidung.

Wie du es lyrisch umgesetzt hast, ist wieder nur ergreifend und einzigartig gut.

Liebe Grüße
Dana

Lena
02.05.2009, 20:00
Die langen, schlanken Hände ruhn
im Schoß, als suchten sie den scheuen Augen
ein Halt zu sein in Augenblicken,
da andere um sie herum Gefühle zücken,
sich prüfend, ob sie weiter taugen
für das, was sie einander tun.



Ach Erich, seufz..

Über die langen schlanken Hände wurde hier schon gesprochen. Ich glaube, altersbedingt sind Hände selten lang und schlank.

Aber, das muss auch so, garnicht gesehen werden. Lang und schlank kann auch für etwas ganz anderes stehen.

Im ersten Moment sagte mir mein Bauchgefühl, das sie sich damit die Augen zuhalten könne, um nicht sehen zu müssen.

Ich würde so empfinden, und wahrscheinlich auch so handeln.

Aber diese Strophe soll hier nicht alleine besprochen werden. Dein Gedicht, ist für mich wieder einmal wunderschön, ja fast ein wenig Geheimnissvoll geschrieben.

Ich spüre ein Gefühl von Gelassenheit, und inneren Zufriedenheit.

Wahrlich etwas besonderes.

Liebe Grüße in dein Wochenende wünscht dir

Lena :)

Erich Kykal
04.05.2009, 18:25
@ Dana

Danke für diese Sichtweise. Mit zunehmendem Alter und Bauchumfang sehe ich mich immer lieber in genau dieser Pose!:D:rolleyes:;)
Wie bin ich doch weise!:cool::cool::cool:
Scherz beiseite, du hast prinzipiell natürlich recht mit deinem Argument. Junge und lebenskraftgesteuerte Menschen werden allerdings damit ihre Probleme haben (Sollen sie doch, ich hab das hinter mir....). Weisheit ist eben eine direkte Folge der Lebenserfahrung, und dazu muss man eben - wie es der Name verheißt - ausreichend lange gelebt haben.

@ Lena

Es gibt so asketisch wirkende ältere Damen, die das Leptosome zum Lebensinhalt erhoben zu haben scheinen: Groß, dünn, sehnig, mit hohlen Wangen und brennenden Augen, meist schlicht zurückgekämmten Haaren mit Knoten, einer Adlernase oder dem nächstähnlichen Substitut, schmalen Lippen und gravitationslastigen Mundwinkeln. Es sind jene Damen, die "zu Tische sitzen", als hätten sie einen Besenstiel verschluckt, wie Spyri's Fräulein Rottenmaier oder Terry Pratchett's Oma Wetterwachs. Diese Ladies haben durchaus lange, schmale Hände, alterschlank eben, fast mumienmäßig. So eine Fregatte stand mir ursprünglich vor Augen, als dieses Gedicht entstand. Dann entdeckte ich, wie auch ihr, mehr darin. Parallelen zu meinem eigenen Sein, zu philosophischeren Sichtweisen, usw...
Interessant, dass dieser Thread soviel davon widerspiegelt.

Danke für eure Beiträge! LG, eKy

Lena
06.05.2009, 12:14
[QUOTE=Erich Kykal;13039@ Lena

Es gibt so asketisch wirkende ältere Damen, die das Leptosome zum Lebensinhalt erhoben zu haben scheinen: Groß, dünn, sehnig, mit hohlen Wangen und brennenden Augen, meist schlicht zurückgekämmten Haaren mit Knoten, einer Adlernase oder dem nächstähnlichen Substitut, schmalen Lippen und gravitationslastigen Mundwinkeln. Es sind jene Damen, die "zu Tische sitzen", als hätten sie einen Besenstiel verschluckt, wie Spyri's Fräulein Rottenmaier oder Terry Pratchett's Oma Wetterwachs. Diese Ladies haben durchaus lange, schmale Hände, alterschlank eben, fast mumienmäßig. So eine Fregatte stand mir ursprünglich vor Augen, als dieses Gedicht entstand. Dann entdeckte ich, wie auch ihr, mehr darin. Parallelen zu meinem eigenen Sein, zu philosophischeren Sichtweisen, usw...
Interessant, dass dieser Thread soviel davon widerspiegelt.
Danke für eure Beiträge! LG, eKy[/QUOTE]


Ich btte dies nicht als Spam zu betrachten, den die Antwort die Erich mir gab möchte ich gerne beantworten da es ja zu seinem Gedicht gehört.

Lieber Erich

Du hast mir hier ein Frauenbild in Erinnerung gerufen, was ich schon fast vergessen hatte. Du hast völlig Recht. Solche älteren oder alten Frauen sind mir von ihrer Erscheinung auch bekannt. Sehr sogar. Und deshalb sind die langen schlanken Finger völlig passend.

Bei dem Wort "Fregatte" muss ich beim Lesen immer noch lachen.

Also, danke das du mich wieder erinnert hast.

Lena :)

Erich Kykal
19.05.2009, 13:21
Man sagte auch: Schabracke und Schürhaken. Ganz im Gegensatz zur "molligen" Version, der sog. Wuchtbrumme oder Walküre.