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Thomas
03.09.2014, 19:15
Ein Brotgelehrter ist kein Bäcker

Worte zur Metapher


Diese Tatsache ist recht hilfreich, wenn man versucht zu verstehen, was Poesie wesentlich ausmacht. Bei zusammengesetzten Worten spezifiziert im Deutschen das vorangestellte Bestimmungswort das nachfolgende Grundwort. Eine Hundehütte, ist also eine Hütte für Hunde, ein Mathematiklehrer ist ein Lehrer für Mathematik, ein Brotgelehrter ist ein Gelehrter für Backwaren, insbesondere Brot – müsste man eigentlich denken, man tut es aber nicht. Da offensichtlich nicht das gemeint ist, was die normale sprachliche Regel erwarten lässt, beginnt unser Geist zu spielen und trägt die beiden Begriffe "anderswo hin", er bildet eine Metapher und stellt dabei die Begriffe "Brot" und "Gelehrter" in einen völlig neuen, logisch nicht exakt begründbaren Zusammenhang. Der Gelehrte ist nun plötzlich nicht jemand, der die Kenntnis des Brotbackens hat, sondern jemand, der seine Kenntnis zum Broterwerb nutzt, und es ist im Grunde nebensächlich, was das für eine Kenntnis ist – zufällig könnte es sogar das Wissen über Brot backen sein.

Friedrich Schiller stellt dieser Metapher des Brotgelehrten den "philosophischen Kopf" gegenüber, ebenfalls eine Metapher, denn der sichtbare "Kopf" steht als Bild für den unsichtbaren Charakter eines Menschentypus, der sein Wissenssystem immer wieder unbefriedigt einreißt, um "zu immer neuen und schöneren Gedankenformen zu schreiten", wie Schiller ausführt.

Wenn wir erwachsen werden, lernen wir, in logischen Begriffen zu denken, was sehr sinnvoll ist, um unser Wissen zu ordnen und replizierbar parat zu halten. Es ist jedoch nicht das logische Schlussfolgern, sondern das Denken in Metaphern, mit dem wir wirklich Neues erkennen, benennen und uns aneignen. Dieses metaphorische Denken und synthetische Erkennen ist immer mit Gefühlen verbunden und niemals so nüchtern wie das logische Schließen. Und es geschieht im Großen und Ganzen unbewusst, was nicht immer zu unserem Vorteil sein muss. Der menschliche Geist hat nämlich einen immer wachsamen Dämon im Ausguck, der das logische Ruderwerk in Gang setzt, um in sichere Gewässer zu gelangen, lange bevor peinliche oder unangenehme Dinge überhaupt fragwürdig werden können. Damit werden unmerklich Situationen vermieden, welche uns veranlassen könnten, die ach so geliebten Gewohnheiten zu ändern oder unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen. Den "philosophischen Kopf" hingegen lockt dieser Dämon genau in die unsicheren Gewässer, welche ihm bisher unbekannte Inseln und Schätze zu offenbaren versprechen.

Hans Blumenberg hat seit 1957 die Bedeutung der Metaphorik für die Begriffsbildung in der Philosophie untersucht und schon vor ihm hat Kurt Riezler in einem 1936 veröffentlichten Aufsatz die Bedeutung der Metapher in der Philosophie anhand der Werke von Platon aufgezeigt. Darauf aufbauend sieht Bernhard H.F. Taureck sogar die Notwendigkeit, eine "kritische Ikonologie der Philosophie" auf der Basis der Metaphorik zu erstellen. Das Interessante daran ist, dass gerade die Philosophie, welche als Wissenschaft so streng auf die Begründung durch logische Begriffe Wert legt, die Bedeutung der Metapher für das Denken erkannt hat und sich bemüht, dieses Thema zu erfassen, welches scheinbar allein ins Reich der Poesie gehört und von der Philosophie gemieden wurde, weil Metaphern angeblich die reinen Begriffe trüben und verwirren. Ist die Angst der Philosophen davor, dass Metaphern die Begriffe trüben, gerechtfertigt? Ich denke nein, denn sie trüben nur dann, wenn es sich um falsche oder schlechte Metaphern handelt. Begriffe bieten ja auch keine Sicherheit vor solchen "Trübungen", denn oft sind diese unklar, verworren oder sogar falsch.

Wenn die Metapher für die Philosophie von Bedeutung ist, wie viel wichtiger ist sie für die Poesie! Zwar reicht die Metapher allein nicht aus, um einen Text zu einem Werk der Poesie zu machen, sonst wären ja alle Politiker, die von "Friedeseinsätzen" oder "Rettungsfonds" reden, Poeten. Es handelt sich hierbei jedoch um schlechte, völlig unpoetische Metaphern, die zum Zweck der Lüge und Verdummung eingesetzt werden. Die gute Metapher hingegen ist ein ganz wesentliches Kriterium, wahrscheinlich sogar sagen DAS Kriterium, der Poesie. Der wahre Poet verwendet Metaphern nämlich, um das Unsagbare zu sagen, um etwas Neues, etwas hinter dem Erfahrungshorizont Liegendes, anzudeuten und zu benennen. Deswegen muss die Metapher des Poeten wahrhaftig sein, und vor allem muss es sich um eine wirklich Metapher handeln und nicht nur um ein Symbol oder Gleichnis.

Was unterscheidet nun die Metapher vom Symbol und vom Gleichnis oder von der Analogie? Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Metapher eine neue Synthese schafft und deshalb nicht auflösbar ist. Sie ist viel mehr als nur ein neues Bild oder ein erklärender Vergleich, sondern sie verbindet verschiedene Erfahrungen und Bilder auf eine solche Weise, dass ein Unerfahrbares, Transzendentes, und somit eine Gestalt, eine neue Idee vermittelt wird. Ähnlich wie beim Fremdwort – wir empfinden z.B. Frisör heute nicht mehr als Fremdwort – wird im Lauf der Zeit diese neue "Idee" dann so bekannt, dass die Metapher gar nicht mehr gesehen wird. Das gilt zum Beispiel auch für das Wort "Idee" selbst.

Platon benutzte das damalige Wort "anschauen" (idéa) metaphorisch, um das auszudrücken, was gerade nicht direkt geschaut werden kann, sondern vielmehr hinter den verschiedenen sichtbaren Ausführungen (z.B. eines Bettgestells, welches der Handwerker baut) gleich bleibt und somit als nicht direkt sichtbare Gestalt das Gestalten (z.B. des Handwerkers) lenkt. Heute ist die einst metaphorische "idéa" zu dem Begriff "Idee" geworden, den wir so sicher besitzen, dass wir seine metaphorische Herkunft gar nicht mehr spüren.

Die wahre Poesie macht durch diesen metaphorischen Prozess das Unsagbare sagbar, aber natürlich nur dann, wenn es sich um wirklich Unsagbares handelt und nicht nur ein Gleichnis, welches bloß etwas auf neue Weise beschreibt oder gar mystifiziert.

Um diesen Punkt zu verdeutlichen, möchte ich Hannah Arendt (aus "Denken ohne Geländer / Texte und Briefe" ) zitieren. Sie schreibt: "Der Entdecker dieses ursprünglich dichterischen Mittels [der Metapher] war Homer, dessen zwei Gedichte [Ilias und Odyssee] voll von allen möglichen metaphorischen Ausdrücken sind. Ich wähle… die Stelle aus der Ilias, wo der Dichter die herzzerreißende Wirkung von Angst und Kummer auf die Menschen mit dem gleichzeitigen Angriff von Winden aus verschiedenen Richtungen auf das Wasser des Meeres vergleicht. Denk dir diese Stürme, die du gut kennst, so scheint der Dichter zu sagen, und du weißt etwas von Kummer und Angst. Bezeichnenderweise gilt die Umkehrung nicht. Wie lange auch jemand an Kummer und Angst denken mag, er erfährt nie etwas über die Winde und das Meer."

Und dann erklärt Hannah Arendt, dass es genau diese "Nichtumkehrbarkeit" ist, welche die wirkliche Metapher von "jenem mathematischen Symbol" unterscheidet, welches Aristoteles fälschlicherweise als Metapher definiert. Sie schreibt: "Eine Metapher kann noch so gut eine 'vollkommene Ähnlichkeit' der Beziehung zwischen zwei 'ganz unähnlichen Dingen' getroffen haben, so dass sie, da A offensichtlich nicht dasselbe ist wie C und B nicht dasselbe wie D, anscheinend durch die Formel B:A = D:C vollkommen ausgedrückt wird – doch diese Aristotelische Gleichung ist umkehrbar: Wenn B:A = D:C, so folgt C = A:B. Bei der mathematischen Formulierung geht die eigentliche Funktion der Metapher verloren, nämlich dass sie den Geist auf die Sinnenwelt zurücklenkt, um die nichtsinnlichen Erfahrungen des Geistes zu erhellen, für die es in keiner Sprache Worte gibt."

Auf der Grundlagen dieser Erklärung Hannah Ahrendts erkennt man, dass der Unterschied von Metapher und Symbol (welches Aristoteles fälschlich "Metapher" nannte) darin liegt, dass dem Symbol die synthetische Kraft des schöpferischen fehlt, welche eine wirkliche Metapher auszeichnet. Deshalb lässt sich eine wirkliche Metapher auch nie logisch auflösen und erklären, sondern sie führt beim Erklärungsversuch immer wieder zu neuen Metaphern. Gleichnis und Symbol lassen sich hingegen erklären, da sie genau in der von Aristoteles beschriebenen Weise logisch ersetzbar sind.

Ganz schlecht ist es, wenn das Symbol sogar nur dazu verwendet wird, um zu verwirren, zu interessieren oder zu verschleiern. Dann handelt es sich streng genommen nicht um Poesie, jedenfalls nicht um gute Poesie. Gute Poesie ist hingegen gerade an der Wahrhaftigkeit ihrer Metaphern zu erkennen.

Natürlich ist die Metapher nicht alles, was zur Poesie gehört, die sprachlichen Mittel und Formen müssen hinzukommen. Wer jedoch einmal dem metaphorischen Geist auf die Spur gekommen ist, der wird diese Qualität nicht mehr missen wollen. Und wenn die Metapher fehlt oder falsch ist, wird ihm selbst der mit höchster Eloquenz geformte Text nur wie das Klappern mit Töpfen klingen, aus denen nie eine rechte Mahlzeit kommt. Er wird auch die Poesie nicht in den Worten suchen, welche nur richtig "auszuloten" sind, denn Worte sind sperrig und spannend, und es erfordert für den Dichter eine Anstrengung, wenn er sie zur Metapher fügt.

Dieser Text will zur tieferen Beschäftigung mit der Metapher anregen. Vielleicht verspürt der eine oder der andere Leser Lust, den gesamten Aufsatz von Hannah Arendt zu lesen, den ich zitiert habe, vielleicht führt ihn das dann zu Kurt Riezlers "Das Homerische Gleichnis und der Anfang der Philosophie" [Die Antike Zeitschrift für Kunst des klassischen Altertums, Band 12, 1936, Seiten 253-271. Veröffentlicht in "Um die Begriffswelt der Vorsokratiker" Herausgeber Hans-Georg Gadamer, 1968.], worin er erfahren kann, wie Homer und Shakespeare Metaphern einsetzten, um Entwicklungsmöglichkeiten des Kunstwerks im Kopf des Hörers anzudeuten. Interessant ist auch der Artikel "The Chinese Written Charakter as a Medium for Poetry" von Ernest Fenollosa, der von Ezra Pound veröffentlicht wurde, weil man darin einen Eindruck erhält, wie sich metaphorische Ausdrücke aus Bilderfolgen entwickeln können, und vieles mehr…

Die ganz wesentliche Frage, was eine wahre und gute Metapher von einer falschen oder schlechten Metapher unterscheidet, bin ich noch gar nicht eingegangen, weil dazu sehr viel mehr Worte nötig sind, als dieser Appetitanreger vertragen hätte. Aber jeder, der die Bedeutung der Metapher für die Poesie erkannt hat, wird diese Frage untersuchen wollen.

Völlig missverstanden würde dieser Text, wenn nun jemand meint, er müsse nun mit dem Metapher-Rasenmäher die schönen Gänseblümchen und kleinen Wortspielereien aus dem Garten der Poesie ausmerzen. Der Zaubergarten der Poesie ist kein geschenktes Paradies, er wurde seit Jahrhunderten und Jahrtausenden von Poeten kultiviert und gepflegt. Er ist vielfältig und reich an immer neuen Blumen und natürlich ziehen sich durch ihn auch die Trampelpfade der Brotgelehrten, aber es wird immer genügend philosophische Köpfe geben, die ihn mit immer neuen und schöneren Gedankenformen bereichern werden.

AAAAAZ
15.09.2014, 09:53
Hallo Ralf alias Thomas,

schön, den Begriff der Metapher so schön erklärt zu bekommen, und das alles fast ganz ohne Metapher.
Mit einem Sprachdidakten unterhielt ich mich unlängst über die Frage, welche Sprache aus seiner Sicht am besten geeignet sei für Wissenschaft und Kommunikation im Hinblick auf Genauigkeit. Er hielt sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht alle für gleichwertig, und das, obwohl eine englische Gebrauchsanweisung um ein Drittel kürzer ist, und ein Shop im Wortbild nicht das auszudrücken vermag wie ein Lebensmittelgeschäft. Obwohl einem Eskimo scheinbar differenziertere Ausdrucksweisen für den Aggregatzustandes des Schnees zur Verfügung stehen. Differenzierter betrachtete der Sprachdidakt hingegen die Sprache in der Poesie. Ob nun Sprache das Denken wiederspiegelt, oder ob es die mit ihr verbundenen Bilder sind, wäre eine eigne Betrachtung wert. Metapher erzeugen jedoch Bilder.
In der Aufklärung im Sinne von Aristoteles werden die Metaebenen vermieden, um der Klarheit zu dienen. Ähnlich einem Haiku wird der puristischen Bilderstellung und Auffassung des Rezipienten die größere Bedeutung beigemessen, um seinem unvoreingenommenen Blick und seiner eigenen Subjektivität den größten Raum zu bieten. Die Anatomie bedient sich bei der Beschreibung des Ohrs zwar eines Amboss, einer Schnecke und eines Paukenröhrechens, bleibt aber immer im direkten Vergleich. Die Metapher ist hier fehl am Platze. Die Bild- Verarbeitung mit Hilfe von Metaphern ist eben eine ganz andere.
Andersherum lassen sich aber indirekte Beweise und logisches Denken wie in der Mathematik nicht ohne ,, Nebendenkblasen" erstellen. Selbst Religionen müssten sich in ihrer gesamten Ausprägung wie eine große Metapher begreifen, im kläglichen Versuch das Leben zu ordnen und zu erklären. Was ist Kunst? Wenn es denn keine Metapher fürs Auge sein will, oder Musik?
Du hast den Begriff nicht so weit gefasst, und Metapher im Sinne einer sprachlichen Ingredienz verstanden, welche wie Knospen in unseren Köpfen aufgehen und ein Feuerwerk entstehen lassen kann.
Der Unterton kann mit der Metapher direkt mitgeliefert werden. Die Moral kann z.B. darin eingepackt werden, ohne den Zeigefinger des Schreibers zu zeigen. Metaphern sind daher auch Stilmittel der nicht- Eindeutigen. Sie sind die Mittel der Feiglinge, die sich nicht in den Raum stellen, und Tacheles sprechen können. Juristisch kaum anfechtbar, und trotzdem wird ihre Botschaft mit gesendet, subkutan quasi.
Metaphern sind Blendwerk, die zu einer guten Show dazugehören. Jeder weiß, dass sie Verstärker sind, und viele lassen sich von ihnen in die gewünschte Bahn und in ihren Bann ziehen. So erst kann Kunst genossen werden, man muss sich nur drauf einlassen und sich fallen lassen. Ein Verstärken, Verschönern, Kaschieren, Verklären und Verzaubern der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Und im Rahmen der Kunst natürlich ein wahrer Kunstgriff.
Metaphern haben etwas mit dem ursprünglich Erklärten zu tun, schaffen aber gleichzeitig eine neue Bedeutungsebene und eine neue Welt.
Wertfrei betrachtet können solche Metaphern einem tierisch auf den Senkel gehen, oder sie mögen Ausdruck höherer Weine sein. Am besten ist immer noch, wenn der andere kapiert, was ihm sein Gegenüber gerade sagen wollte.
Das alles sei ergänzend angemerkt. Ich halte es für gut, solche selbstverständlichen Stilmittel ab und zu auch mal in den Mittelpunkt zu rücken. Lieben Gruß,
AZ

Thomas
18.09.2014, 06:49
Liebe AZ,

es freut mich, dass wenigstens einer mein Monster gelesen hat und sogar darauf antwortet. Viele Dank.

Die Bedeutung der Metapher für die Philosophie habe ich eigentlich nur zur Bekräftigung meiner Aussage hinzugefügt, aber da du so explizit den Aristoteles hervorhebst, muss ich nun doch ausdrücklich sagen, dass seine Definition von Metapher (meiner Meinung nach) falsch ist und auch die Aussage, das Metaphern vermieden werden müssen irrig ist. Schöpferisches Denken braucht Metaphern, rein logisches Schließen (was mit Denken nichts zu tun hat und von Maschinen geleistet werden kann) kann darauf verzichten. Deswegen haben große Mathematiker z.B. vom "komponieren" von Hypothese gesprochen, weil der mathematische Beweis erst im Nachhinein die widerspruchslose Vereinbarkeit der Idee mit den Axiomen zeigt, die Logik erzeugt die jedoch Idee nicht.

Aber mir geht es in dem Aufsatz vor allem um die Bedeutung der Metapher für die Poesie.

Liebe Grüße
Thomas

AAAAAZ
20.09.2014, 07:32
Hallo Thomas,

auch wenn du die Betrachtung von Metaphern auf die Poesie beschränken willst, so beschränkt sich die Poesie nicht auf die Betrachtung ihrer selbst, und schmort im eigenen Saft. Gedicht will doch gerade Außenwelt spiegeln und neue Welten schaffen. Poesie betrachtet die Dinge inkl. Menschen mit seinen Metaebenen, Religionen, Philosophie, etc.. Von daher ist die Betrachtung und die Bedeutung von Metaphern für mich zumindest nicht auf die kleine kunstfertige funktionelle und technische Erstellungsebene eines Gedichtes einschränkbar. Deshalb hatte ich die Überlegungen von Hannah Arendt in der Erwähnung von Aristoteles und Mathematik aufgegriffen. In der Quintessenz bin ich bei dir, und erachte die Verwendung von Metaphern auch als einen schöpferischen Prozess. Dieser liegt aber auch im gleichen Maße beim Rezipienten vor. Im kollektiven Bewusstsein und Erlebnis können so Götter geschaffen werden. Das war meine Brücke zur Religion.
Wie bei allen Kommunikationsformen braucht es Sender und Empfänger, um das angestoßene Universum einer Metapher auf die Bedeutungsebene zu hiefen. Denn welche Kraft hat eine Metapher, wenn sie nicht verstanden und in Bilder umgesetzt wird.
Wollte man sich jetzt nur auf die kunstvolle technische und funktionelle Verwendung von Metaphern in der Poesie beschränken, fallen mir sofort die Haikus ein, welche in ihrer Grundidee ausgerechnet solche Metaphern vermeiden. Sollte sich hier ein regionaler Mentalitätsunterschied von Verdichtungskunst offenbaren. ( Eastern vs. Abendland) Hätten ein Rilke, Busch, Goethe und Konsorten das Haiku nicht schon längst kunstvoll verdichtend mit Binnenreimen gebacken, um bei deinem Brotvergleich und Schöpfungsvergleich zu bleiben? Verbirgt sich hinter der Verwendung von Metaphern Bildungsstand und Kultur eines geschlossenen Denksystems? Versucht hier menschliche Hybris in den Schöpfungsprozess einzugreifen, während die Schöpfungskraft der Natur offensichtlich ohne Metapher arbeitet und auskommt. Und sollte sich Mensch als Teil dieser Natur begreifen, anstatt in anstrengenden Verdichtungsprozessen sein göttliches Schöpfungspotential auszuleben. Für einen Haiku- Puristen könnte Demut die Abkehr von der Metapher bedeuten. Ich will diese Gedanken nur in den Raum stellen und dir als Feedback auf deinen Text zurückgeben, da er zumindest solche Überlegungen bei mir angestoßen hat.

Ich denke, dein Essay wollte aber viel eher auf die kunstvolle Verwendung von Metaphern in der Poesie hinaus, als über solche Grundsätzlichkeiten zu fabulieren. Das geht zumindest aus deiner Antwort hervor.
Vielleicht schafft es der Text besser, solch eine Diskussion in Gang zu setzen, wenn er z.B. speziell auf Haikus eingeht, oder deiner theoretischen Betrachtung anschauliche Beispiele aus der Poesie folgen lässt. Da du sehr ausführlich auf die Überlegungen von Hannah Arendt eingegangen bist, wurden Akzente gesetzt, und für mich schon eine grundsätzliche Denkart vorgegeben.
L.G.AZ

Thomas
21.09.2014, 08:34
Liebe AZ,

wie ich dich verstehe, meinen wir ziemlich da gleiche. Ich will mich natürlich auf die Poesie beschränken, aber eine philosophische Diskussion würde ausufern. Trotzdem kurz: Die falsche Vorstellung von der Metapher hat auch Thomas Hobbesschrieb in Leviathan beschrieben: "To conclude, the light of human minds is perspicuous words, but by exact definitions first snuffed, and purged from ambiguity; reason is the pace; increase of science, the way; and the benefit of mankind, the end. And on the contrary, metaphors, and senseless and ambiguous words, are like ignes fatui; and reasoning upon them is wandering amongst innumerable absurdities; and their end, contention and sedition, or contempt."

Auch über das Haiku kann ich jetzt nicht viel sagen, da es eine sehr umfangreiche Litaratur und sehr viele Meinungen gibt. Aber als Arbeitshypothese gehe ich davon aus, dass gerade das Haiku (wenn es ein wirklich gutes ist) nichts als Metapher in der konzentriertesten Form ist - sozusagen Metapher pur. Deswegen muss es sich auf die reine Beschreibung der für die notwendige, spannungsgeladene Bilderfolge (meist nur zwei, d.h. die kleinstmögliche Folge) der Metapher beschränken. Sobald ich das genauer darlegen kann, werde ich einen Anhang schreiben.

Nochmals vielen Dank für deine Anregungen.

Liebe Grüße
Thomas

AAAAAZ
21.09.2014, 19:25
Hi Thomas,

was bist denn du für einer, willst die Bedeutung der Metapher in der Lyrik beleuchten, und lieferst uns mit Hobbes schon wieder den nächsten Staatsphilosophen par exelence.:) Und den gar auf englisch. :D Wobei damit zu rechnen ist, dass zwei Drittel des Forums hier spätestens abschalten. Ich hatte auf anschauliche und belebende Beispiele gehofft. Im Bäckeraufsatz wurden doch schon so schön in der Materie herumgeknetet .
Deine Arbeitshypothese zu Haikus finde ich aber umso interessanter. Die Metapher wird ja immer gerne zur beliebten Streitfrage, über die ,,Vollkommenheit" eines Haikus.
L.G.AZ

Thomas
21.09.2014, 19:32
Liebe AZ,

ich bin halt ein seltsamer Vogel, aber mit der Zeit habe ich mich an mich gewöhnt. Ok, es ist ein bisschen anstrengend...

Liebe Grüße
Thomas