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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ruhe


Leier
16.04.2009, 23:09
.

Wie hatte ich an mich geglaubt!
Es gab kein Schwanken, keine Frage.
Ruhe hatte mir kein Hieb geraubt

Im Vergehen meiner Tage;
Nächtens nicht und nicht im Licht.

So plötzlich kam des Schicksals Wandel:
Im Morgengrauen riß der Himmel auf.
Chimaeren lockten frech mit Handel,
Hemmten nicht des Schnitters Lauf.

Ruhe kam wie Tod. Mit Mauern.
Unbehaust: willkommener als Pein.
Heimat nicht. Doch kein Bedauern.
Trost gab nur das Einsamsein.

Ruhe ward in dem Gemäuer.
Unstet war nicht mehr der Sinn.
Hohes wurde lieb und teuer,
Trug selbst über Schranken hin.

Fand in mir den wahren Funken.
Endlich ward mir wahre Ruh.
Sah jetzt "Hein" fast wonnetrunken.
Tauchte tief dann in mein "Du".

.

Feirefiz
16.04.2009, 23:47
Liebe Cyparis,

da hätte ich gleich mal eine Frage:
Also am Ende begrüßt das LyrIch den Tod als einen Willkommenen, freut sich schon auf ihn.
Was ist mit dem "Du" gemeint? Dass sich das LI dem Tod so nahe fühlt, dass es ihn "duzt", oder taucht das LI in sein eigenes "du" hinein, also am Ende doch in die Sicht von außen?

Das ist ein sehr stimmungsvolles Gedicht!

Auch nie etwas bereuen wird
Feirefiz

Leier
17.04.2009, 00:02
Lieber Feirefiz,

das LyrI taucht am Ende in sein eigenes "Du", da ist nichts von Außensicht, denn die ist völlig unbedeutend. Ruhe läßt sich wohl nur im eigenen Innern finden.
Ob die Gänsefüßchen zur anderen Interpretation locken?
Mal sehen, ob es jemand erkennt.

Schön ist es für mich, daß Du Dir Gedanken darüber gemacht hast, mein Jüngling!

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
18.04.2009, 07:17
liebe cyparis,
"ruhe" nennst du dein gedicht ? mir wurde beim lesen etwas schaurig zumute,
diese "ruhe" hat doch den beigeschmack von "grabesstille" , eisiges schweigen also : ummauert - und dennoch unbehaust, wach und zugleich "leblos" -
was für eine seltsame "ruhe" ist das?
klingt für mich wie "ruhe vor dem sturm"......

liebe grüße
larin

Leier
18.04.2009, 09:03
Liebe larin,

ich sehe, daß mein Gedicht auf mancherlei Weise zu interpretieren ist.
Deine Sichtweise ist mir völlig neu, kam mir überhaupt nicht in den Sinn.
Vielleicht liesest Du anders, wenn Du beachtest, daß es ein Akrostichon ist.
Dann mag die Sicht eventuell weniger düster erscheinen.

Hab Dank für Deinen Kommentar!

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin
18.04.2009, 09:56
liebe cyparis,
du hast mich überlistet!
das akrostichon habe ich erst jetzt gesehen - ja, so schaut das ganze schon wieder anders aus. na , vielleicht was ich in der früh noch ein wenig schlaftrunken...
zum glück hast du mir jetzt die augen geöffnet!

beruhigten gruß
von
larin

Leier
20.04.2009, 12:00
Liebe larin,

ich freue mich, daß jetzt der Inhalt nicht so beunruhigend scheint wie bei der ersten Lektüre.
Aber ich denke, man muß ein gewisses Alter, eine bestimmte Reife erlangt haben, um wirklich in sich selbst für immer anzukommen.

Lieben Gruß
von
cyparis

Erich Kykal
20.04.2009, 13:19
Hi, cypi!

Wer in sich ruht, ruht fest. Welch stille Weisheit unter dem Weh deiner Zeilen!
Besonders die RUHT-Strophe ist ein Hochgenuss! Großes Tennis!

Tipps:
S1: Z3...Ruhe ward mir nicht geraubt... Sprachlich runder, metrisch besser.
S2: im stillen Schlendern meiner Tage...
S3Z4 hemmten nicht des Schnitters Lauf. Sonst Zeile zu lang.
S5Z3 Hohes wurde lieb und teuer...Sprachlich runder, eleganter.

Insgesamt eine sehr gute Leistung, besonders, wie schon erwähnt, bei S4!
Aber auch der Rest ist formidabel, abgesehen von den Details, die ich angesprochen habe.

LG, eKy

Leier
22.04.2009, 11:22
Lieber Erich Kykal,

wie immer hast Du genau hingeschaut.
Deine beiden letzten Anregungen nehme ich dankbar auf.
Die "Hiebe" kann ich nicht eliminieren, denn sie wurde dem LyrI buchstäblich zuteil.
Und "Schlendern" - nein, das geht nicht.
Tage (ver)laufen. Sie schlendern nicht
Nicht grämen!

Wie immer bin ich beseligt von Deinem Lob!

cyparis

Erich Kykal
22.04.2009, 11:47
Hi, cypi!

Wenn möglich, suche ein anderes Wort statt Schlendern, denn ich fürchte, "Laufe" ist ums Eitzerl zu kurz, sodass die Zeile im Metrum hängt.

LG, eKy

Leier
22.04.2009, 13:47
Lieber Erich Kykal,

"Schlendern" hat zwar die gleiche Silbenanzahl wie "Laufe", ist aber metrisch anders.
Ich hab jetzt
"Vergehen"
eingesetzt. Klingt das runder? (Wenn ich Dich nicht hätte...)

Dank und Gruß
von
cyparis

ReinART
23.04.2009, 08:23
Liebe Cyparis,

man muss schon einige Jährchen durch diesen Karneval getaumelt sein, um den Tod mit der ersehnten Ruhe gleichsetzen zu können.
Du hast diese Erkenntnis ohne zu viel Pathos und sehr stringend umgesetzt.
Ein wirklich schönes eindringliches Gedicht, das Deiner Art zu schreiben, wieder sehr gerecht wird.
Bei zwei Zeilen habe ich kleine Änderungsvorschläge:

Ruhe hatte mir kein Hieb geraubt

Im stillen Vergehen meiner Tage;

Kein Hieb hat je mir meine Ruh' geraubt zwar mit Inversion, aber schlüssiger (für mich)

Im Vergehen meiner Tage reicht völlig und das holprige stillen ist eliminiert.
Lieben Gruß
reinhard

Leier
23.04.2009, 08:38
Lieber ReinArt,

hab Dank für Dein Lob. Ich freue mich immer wieder, daß Du mir einen eigenen Stil "attestierst".
Deine zweite Anregung hab ich sofort übernommen, die Stille rausgeholt.
Die erste kann ich leider nicht übernehmen, sonst stimmt es mit dem Akrostichon nicht mehr.

Lieben Gruß
von
cyparis

ReinART
23.04.2009, 08:52
..ach ja, dass Du solche Fallen auslegst, muss man immer wissen, wenn man Deine Werke bespricht :(
Lieben Gruß
reinhard

Leier
23.04.2009, 09:03
Hei, lieber ReinArt!

Das war keine Falle!
Das ist ein Gerüst, an dem sich der Leser entlanghangeln kann....

Fröhliche und ganz und gar entrüstete Grüße
von
cyparis

veredit
23.04.2009, 13:12
Liebe Cyparis,

das ist das wirklich schöne, wenn man sich doch schon etwas länger kennt, so wie wir beide - :D - ich habe sofort erstmal nachgeschaut, ob es eine Akrostichon ist und somit war für mich als Leserin es klar und stimmig -

welch feines Werk ist Dir da wieder gelungen, wie sinnenvoll die Worte "geschmiedet", haben auch die durchgeführten Veränderungen noch dazu beigetragen, den Inhalt noch zu heben.

Ja, es ist eine weise Erkenntnis, welche ich so sehr mit Dir teile, in sich selbst zu ruhen und aus diesem Wissen all die notwendige Kraft zu schöpfen für alles was da kommen mag - so gewappnet mag es wohl gelingen!

Das LyrI hat einen harten, holperigen Weg hinter sich, doch letztendlich in sich selbst den Quell der Kraft gefunden...

ein wunderbares Gedicht aus Deiner Feder...

gerne gebe ich eine meiner Perlen dafür her...

http://s1b.directupload.net/images/090422/aadi3efu.jpg
möge ihre Magie Dich fürderhin stärken

ganz liebe Grüße


veredit

Leier
25.04.2009, 09:03
Liebe veredit,

Du weißt, was mir Deine Perlen bedeuten!
Da auch Du das Gefühl der inneren Ruhe kennst, vor allem in Deinen Meergedichten, kann ich Dich nur beglückwünschen. Mag Rastlosigkeit auch mehr "Würze" bringen - wahres Glück bringt sie nicht.

Hab Dank für Dein Lob und sei lieb gegrüßt

von
cyparis!